Ganz ohne Zauberstab: Bayreuther Forscher steuern mit Schallwellen schwebende Objekte

Symbolbild Bildung
Schwebendes Kunststoffbällchen, gefangen in einem Feld von Ultraschallwellen, die von entgegengesetzten Transducern erzeugt werden. Foto: Viktorija Paneva.

Schwebendes Kunststoffbällchen, gefangen in einem Feld von Ultraschallwellen, die von entgegengesetzten Transducern erzeugt werden. Foto: Viktorija Paneva.

Die Existenz von Gegenständen mit einem Computer kontrollieren zu können, ist eine Vision, die unter dem Schlagwort „Ultimate Display“ seit mehr als 50 Jahren die IT-Forschung fasziniert. Doch erst heute rückt dieses Ziel in Reichweite. An der Universität Bayreuth arbeiten Prof. Dr. Jörg Müller und sein Team an einem Verfahren, mit dem sich die räumliche Position winziger Partikel mit hoher Präzision steuern lässt. Ihre neueste Entwicklung haben sie vor kurzem auf einer Konferenz in Tokio vorgestellt: den LeviCursor, der kleine Objekte – wie von einer Zauberhand geführt – abhängig von den Bewegungen einer Fingerspitze durch den Raum schweben lässt, ohne dass sie dabei berührt werden.

Das von den Bayreuther Forschern entwickelte interaktive System, das diese scheinbare Magie ermöglicht, arbeitet mit Ultraschallwellen. Auf zwei horizontalen, im Abstand von rund 20 Zentimetern übereinander befestigten Platten befinden sich winzige, eng benachbarte Lautsprecher (Transducer). Diese erzeugen von unten und von oben her Ultraschallwellen, so dass die Partikel, die sich im Raum zwischen den beiden Platten befinden, aus entgegengesetzten Richtungen dem Ultraschall ausgesetzt sind. Dadurch können die Objekte, beispielsweise kleine Bälle aus Kunststoff, in einen Schwebezustand versetzt werden. Wenn sich in diesem Ultraschall-Raum die Phasen der Schallwellen nur geringfügig ändern, reicht dies bereits aus, um die Bälle in Bewegung zu versetzen.

Der LeviCursor nutzt dieses Phänomen, um die Bewegungen der Bälle gezielt zu steuern. Hierfür wird ein auf der Fingerspitze befestigter optischer Marker (Pointer) eingesetzt. Indem dieser sich im Raum bewegt, verändert er das dreidimensionale Feld der Ultraschallwellen, in welchem ein Kunststoffball oder ein anderes Objekt gleichsam eingeschlossen ist. Dem Team um Prof. Jörg Müller ist es gelungen, ein vom optischen Marker abhängiges Feintuning der Ultraschallwellen zu realisieren – mit dem Ergebnis, dass sich ein Partikel in allen drei Dimensionen parallel zur Fingerspitze bewegt, ohne dass ein direkter physischer Kontakt besteht.

Der LeviCursor zeichnet sich somit vor allem durch drei Eigenschaften aus: Die Partikel vollziehen ihre dreidimensionalen Bewegungen fast zeitgleich mit den Bewegungen der Fingerspitze, es kommt zu keinen sichtbaren Verzögerungen. Die Bewegungen verlaufen nicht ruckartig in kleinen Schritten, sondern – genauso wie die Bewegungen der Fingerspitze – kontinuierlich. Zudem können hohe Geschwindigkeiten von bis zu 80 Zentimeter pro Sekunde erreicht werden.

Dr. Myroslav Bachynskyi und Viktorija Paneva, Mitarbeiter am Lehrstuhl für Serious Games, haben dieses System kürzlich auf einer internationalen IT-Konferenz in Tokio präsentiert, der ACM International Conference on Interactive Surfaces and Spaces. „Die Fachwelt war sehr beeindruckt, wie weit wir die physikalischen Grundlagen dieses ultraschallgesteuerten Schwebens von Objekten im Raum bereits vorangetrieben haben. Wir wollen diese Technologie in den nächsten Jahren weiter verfeinern. Insbesondere geht es darum, noch höhere Geschwindigkeiten und Beschleunigungen zu erreichen und ganze virtuelle Gegenstände aus schwebenden Partikeln zu erzeugen“, sagt Viktorija Paneva.

Link zum Video von der ACM Konferenz in Tokio, 25.-28. November 2018:
https://twitter.com/ACM_ISS/status/1067590219002757121

Prof. Dr. Jörg Müller, Leiter des Bayreuther Forschungsteams, blickt in die Zukunft: „Die Anwendungen dieser Technologie lassen sich heute noch nicht absehen. Stellen wir uns vor, dass es eines Tages gelingt, sehr schnelle Bewegungen vieler und äußerst kleiner Partikel im Mikrometerbereich präzise zu steuern: Dann könnten sich größere Objekte, die aus diesen Partikeln zusammengesetzt sind, in kürzester Zeit in andere Objekte verwandeln. Auf diese Weise ließen sich beispielsweise in Filmen und Theateraufführungen ungeahnte Überraschungseffekte erzielen.“ Aber die Ziele der Forschung reichen noch weiter. Müller erinnert in diesem Zusammenhang an das „Holodeck“ aus der Fernsehserie Star Trek: „Unser Ziel ist es, dass der Computer in Zukunft nicht nur auf dem Schreibtisch steht oder im Handy versteckt ist, sondern dass der ganze Raum, in dem wir uns befinden, als Benutzerschnittstelle verwendet wird. So können die physikalische und die virtuelle Welt möglichst nahtlos miteinander verschmolzen werden“, sagt der Bayreuther IT-Forscher.

Forschungsförderung:

Die Bayreuther Forschungsarbeiten sind Teil des von der Europäischen Union geförderten Projekts „Levitate“, in dem die Universität Bayreuth mit drei weiteren Universitäten zusammenarbeitet: der University of Glasgow, der University of Sussex in Brighton und der Chalmers University of Technology in Göteborg. Zudem ist das Unternehmen Ultrahaptics in Bristol an dem Projekt beteiligt.