Universität Bamberg: „Bildung zahlt sich immer mehr aus“

Symbolbild Bildung

Soziologische Studie hat Berufseintritts- und Karriereprozesse der letzten Jahrzehnte ausgewertet

Die Zahl der Studierenden in Deutschland steigt. Waren es vor zehn Jahren etwa 1,9 Millionen, sind es 2017/2018 rund 2,8 Millionen. Werden durch die Inflation der Bildungsabschlüsse die erreichten Zertifikate, unter anderem Bachelor- und Masterzeugnisse, zunehmend entwertet? Eine neue Längsschnittstudie, die im Fachjournal „Journal for Labour Market Research“ veröffentlicht wurde, hat die Berufseinstiegs- und Karriereprozesse in den letzten 50 Jahren in den Blick genommen. Darin zeigen die Soziologen Prof. Dr. Hans-Peter Blossfeld von der Universität Bamberg und Prof. Dr. Rolf Becker von der Universität Bern, dass das Gegenteil der Fall ist: „Bildung zahlt sich im beruflichen Strukturwandel immer mehr aus.“

Die beiden Autoren haben erstmals die Berufseinstiegs- und Karriereprozesse von 1945 bis 2008 in Deutschland analysiert. Grundlage für ihre Untersuchung waren die kombinierten Längsschnittdaten der Deutschen Lebensverlaufsstudie und der Studie „Arbeiten und Lernen im Wandel“, die über einen Zeitraum von 50 Jahren miteinander vergleichbar waren. Insgesamt analysierten sie die Daten von rund 8.800 Bürgerinnen und Bürgern in Westdeutschland.

Höhere Bildungsabschlüsse lohnen sich für Männer und Frauen

In ihrer Studie arbeiten sie heraus, dass sich nicht nur die Bildungsabschlüsse, sondern auch die Struktur der Berufspositionen im Beschäftigungssystem rasch nach oben verschieben – also beide Strukturen dieselbe Entwicklungsrichtung haben: Es gibt mehr Arbeitsstellen mit höheren Anforderungen und eine zahlenmäßige Steigerung der höheren Bildungsabschlüsse. „Höhergebildete erleiden keine Verluste und bekommen in der Tat eine zusätzliche Prämie“, fasst Hans-Peter Blossfeld zusammen. Das bedeutet beispielsweise, dass Akademikerinnen und Akademiker zunehmend angesehenere Positionen in Unternehmen und beim Staat bekommen als vor zwanzig oder dreißig Jahren. Dieses Ergebnis gilt für Männer und Frauen. „In den letzten Jahren haben Frauen die Männer in den höheren Bildungsabschlüssen sogar überholt“, ergänzt Rolf Becker. Auch Frauen bekommen dafür zunehmend höhere Renditen im Beschäftigungssystem. Bildungsabschlüsse werden also in modernen Dienstleistungs- und Informationsgesellschaften wie Deutschland nicht entwertet.

„Die wahren Verlierer dieser Entwicklung sind die Ungelernten und Geringqualifizierten, deren Positionen im Berufsstrukturwandel einfacher wegrationalisiert werden können“, berichtet Rolf Becker. Diese bekämen im Zeitablauf immer weniger für ihre Bildung – sie fänden immer seltener Stellen oder würden schlechter bezahlt werden. Mögliche Gründe für diese Entwicklungen seien vielfältig: Durch die Digitalisierung gibt es zum Beispiel einen steigenden Bedarf an IT-Spezialisten. Und Arbeiten für geringqualifizierte Mitarbeiter sind ausgelagert worden, vor allem in asiatische Länder.

Die zwei Soziologen schlussfolgern: „Deutschland als hochentwickeltes Industrie- und Dienstleistungsland ist auf höhere Bildung mehr denn je angewiesen. Es gibt viele Anzeichen, dass sich die Investitionen in Bildung für den einzelnen und die Gesellschaft auch in Zukunft zunehmend rentieren.“

Publikation:
Rolf Becker und Hans-Peter Blossfeld. 2017. Entry of men in the labour market and their career mobility. Journal for Labour Market Research, doi: 10.1007/s12651-017-0224-6.