Ausstellung „Im Gedenken der Kinder“ im Bamberger Stadtarchiv bis 5. Juli verlängert
„Das Individuum ist nicht Selbstzweck, sondern Mittel zur Erhaltung der Art“
Ein Schlussstrich unter die schmerzliche Erinnerung an die Zwangssterilisationen und Krankenmorde in der NS-Zeit ist leider nicht möglich, wie das heftige Wiederauftauchen längst überwunden geglaubter Auffassungen des neuen „Rasse“-Diskurses und die Auseinandersetzung um das geplante Psychisch-Kranken-Hilfe-Gesetzes zeigen. Nur ein genaues Hinsehen und Reflektieren dieser bitteren Geschichte können zu einem neuen, menschenwürdigen Denken und Handeln in der Gegenwart verhelfen. Die Ausstellung im Stadtarchiv Bamberg über die Kinder-„Euthanasie“ lädt noch bis zum 5. Juli 2018 dazu ein.
Ab 1933 setzte das NS-Regime schon vorhandene und akzeptierte Vorstellungen einer Bevölkerungs-, Gesundheits- und Sozialpolitik in der Praxis um, welche die darwinistische Evolutionsbiologie, die Vererbungsgesetze von Otto Mendel mit dem Hygiene-Diskurs verbanden. Kranke, die als „nutzlos“ galten, sollten nicht besser als Gesunde behandelt werden, denn von den Gesunden hing „die wirtschaftliche und nationale Leistungsfähigkeit eines Volkes und Staates“ ab. Die Ausgaben für Anstalts-Kranke sollten drastisch gekürzt werden. Dazu wurden ohne „Humanitätsduselei“, Maßnahmen durchgeführt, mit denen „höherwertige“ Erbanlagen gefördert und „minderwertige“ Erbanlagen unterbunden werden sollten. Aus Kranken waren „Ballastexistenzen“ geworden, die massenhaft dem staatlich organisierten, systematischen Krankenmord zum Opfer fielen.
Zu Beginn dieser „stillschweigende Liquidierung“ regte sich nur bei einzelnen Ärzten und Heimleitern entschiedener Widerstand, obwohl alle gesellschaftlich relevanten Professionen durch die NS-Reichsregierung über die geplanten Aktionen informiert worden oder darin eingebunden waren. Erst im August 1941, nach dem öffentlichen Einspruch des Münsteraner Bischofs von Galen gegen das planmäßige Töten, wurde die zentralisierte Ermordung der Anstaltspatienten eingestellt. Allerdings hatten die NS-Machthaber ihr angestrebtes „Tötungsziel“ von 70.000 „Ballastexistenzen“ zu diesem Zeitpunkt bereits um 273 überschritten. Danach wurden – nun verdeckt und dezentralisiert – in den NS-Lagern, in der Kinder-„Euthanasie“ und psychiatrischen Anstalten weiterhin Kranke und Unerwünschte auf vielfältige Art ermordet.
Anmeldungen für Gruppenführungen werden unter vorstand@willy-aron-gesellschaft.de entgegengenommen.
Ebenfalls bis zum 5. Juli ist die Kontrapunkt-Ausstellung „Die Geschichte der Lebenshilfe Bamberg“ in der RehaWerkstatt in der Gundelsheimer Straße 99 in Bamberg zu sehen.
Die Ausstellungsräume sind barrierefrei.
Mechthildis Boksch
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