Vortrag in der Plassenburg: „Das Wotanheiligtum bei Schimmendorf“
Samelstein heißt eigentlich Schamelstein – Bamberger Forscher identifiziert Kultbild aus heidnischer Zeit
Die Freunde der Plassenburg und der Historische Verein für Oberfranken hatten für Donnerstagabend in die Plassenburg geladen, um einmal genauer das germanische Erbe in den Orts- und Flurnamen der Region unter die Lupe zu nehmen. In seinem wissenschaftlich sehr fundierten Vortrag stellte Dr. Joachim Andraschke in der Gaststätte Al Castello die Germanischen Wurzeln von Orts- und Flurnamen in Franken vor. Der ausgewiesene Experte für germanische und althochdeutsche Sprachgeschichte untersucht seit Jahren Bezeichnungen hunderter Plätze, Wälder, Wiesen und Orte an Main und Regnitz auf ihre mögliche Herkunft aus Germanischen Sprachen.
Seine Ergebnisse brachten in den vergangenen Jahren Bemerkenswertes zutage. Tatsächlich hatten zwar schon Ausgrabungen gezeigt, dass vor mehr als 1500 Jahren die Burgunder das heutige Franken zumindest durchzogen haben müssen. Andraschke fand aber Belege, die auf eine längere Besiedelung hindeuten, da sich mancherorts burgundische Namen finden lassen, die sich bis heute erhalten haben.
Namen mit -itz nicht unbedingt slawischen Ursprungs
Aufhorchen ließ die Zuhörer im bis auf den letzten Platz gefüllten Saal der Burgschänke, dass die Endungen auf –itz und -itze gar nicht auf eine ursprünglich slawische Besiedelung hindeuten müssen, wie Forsche der vergangenen Jahrzehnte behaupteten.“ Die Bilwitz-Eiche bei Gössersdorf nahe Stadtsteinach lase sich auf das germanische „witzi“ zurückführen, das Klugheit und Vernunft bedeute. Auch Orte wie Kirchleus, die bisher als ursprünglich slawisch angesehen wurden, sind nach sprachwissenschaftlicher Sicht wohl doch eher auf die Germanen zurückzuführen.
Gerade mit den Namen von Göttern der Germanen sind einige Orte, Felder und Wälder bezeichnet worden. „Nicht unbedingt sind es die direkten Namen wie Wotan oder Donar, die waren für die hier lebenden Germanen offenbar weitgehend tabu und wurden fast nie ausgesprochen, ähnlich wie der Name Gotes Jahwe im Judentum“. So entstanden bei vielen germanischen Stämmen Beinamen für manche Götter, wie sie auch schriftlich überliefert sind, etwa in der Edda, einer Sammlung germanischer Götter- und Heldensagen, die 156 solcher Ersatznamen für Wotan aufführt. Über fünfzig dieser Beinamen konnte Andraschke in Franken in Orts- und Flurnamen identifizieren.
„Recht häufig findet sich Wotans Beiname Gaut, Gautan oder Got/Gos in leicht abgewandelter Form in unserer Region wieder“, so der Sprachforscher. Der Name Gosberg im Landkreis Forchheim wird bereits im 11. Jahrhundert schriftlich erwähnt. Ein Gosberg bei Buttenheim im Landkreis Bamberg lässt sich ebenso auf den von Nordgermanen Odin genannten Gott zurückführen.
Bamberger Dom auf heidnischem Kultplatz
Babo oder Babbel kann nach Einschätzung des Referenten auf das germanische Wort für Murmeln bezogen werden, das auch in der Bedeutung von Zaubersprüche aufsagen verstanden werden kann. Demnach muss man sich mit dem Gedanken anfreunden, dass in Bamberg, der früher Babenberg genannte Burg- und Kirchenbereich auf dem Domberg , die Keimzelle des späteren Bistums, sehr wahrscheinlich auch auf einen Kultplatz auf germanischer Zeit errichtet wurde.
Fron oder Freir war ein germanischer Fruchtbarkeitsgott. Andraschke ist sich sehr sicher, dass die 1533 in Quellen auftauchende „Fron Leiten“ in Neufang bei Wirsberg nichts mit dem mittelalterlichen Frondienst zu tun hat, sondern der Weg zu einem ehemaligen Heiligtum der Germanen war, das eventuell im Bereich der später errichteten Heilingskirche gestanden sein könnte.
Die große Zahl an Orten, die heidnische Götternamen beinhalten, lassen allerdings nicht darauf schließen, dass überall großartige Heiligtümer errichtet waren. „Es war damals ganz ähnlich wie heute, wo wir sehr viele Kirchen und Kapellen in der Region haben, auch die Germanen hatten viele kleine und kleinste Heiligtümer, die religiösen Praktiken dienten“.
Auch Thor, den Donnergott, bei einigen Germanen auch Donar genannt, lässt sich in Franken nachweisen. Noch 1529 erscheint ein Dornsperg bei Laibarös in schriftlichen Aufzeichnungen und noch älter ist der Nachweis eines Donrstbergs bei Geslau im Landkreis Ansbach.
Der Billwitz läßt sich auf die germanischen Bestandteile Billie, was Axt oder Schwert bedeuten kann und Witzi, was Vernunft meint, zurückführen. Zwar wird der Billwitz seit einigen Jahrhunderten in Sagen als eine Art Sicheltragender Korndämon erwähnt, der oft auf einem Ziegenbock reitet, das aber ähnelt laut Andraschke enorm der Beschreibung Donars, der ebenfalls auf diese Weise beschrieben wird. Mit Billwitz ist daher ein Beiname von Thor/Donar identifiziert. Dass es gerade Eichen sind, die damit bezeichnet werden liegt nicht zuletzt daran, dass sie die heiligen Bäume dieses Gottes waren. Eine Billwitzeiche ist für Gössersdorf bei Stadtsteinach 1566 schriftlich bezeugt als Pilnitz Aichen. Sie stehen vor allem entlang alter Grenzen.
Fränkische Sagen bewahren germanisches Erbe
Auch in den Sagen Frankens haben sich germanische Überlieferungen erhalten. So erinnert die aus dem Raum Münchberg bekannte Sage von der Schlacht von Ahornis bei der jedes Jahr ein blutiges Gemetzel aus alter Zeit von den damals getöteten und wieder erweckten Kriegern stets aufs Neue geschlagen muss, an die von Wotan in Walhall organisierten Kämpfe zur Vorbereitung auf Ragnarök, das letzte Gefecht vor einem friedlichen goldenen Zeitalter. Andraschke hat das Phänomen in ganz Franken gefunden: „Die vielerorts überlieferten Sagen von He- oder Humännern lassen sich auch mit Wotan in Verbindung bringen, so wird Hommenberg bei Lichtenfels im 13. Jahrhundert noch Humannesperge geschrieben, stand also ziemlich sicher mit Wotan in Verbindung.“ Die Sage vom Riesenfisch im Staffelberg, der stets seine Schwanzflosse im Maul halte, erinnere stark an die germanische Midgardschlange, die sich ebenfalls in den eigenen Schwanz beißt.
Schamelstein, nicht Samelstein
Der Samelstein bei Schimmendorf zeigt einen als Hochrelief ausgebildeten gegürteten Mann mit erhobenen Armen. Hände, Kopf und Füße fehlen. Die Sandsteinplatte ist 115 Zentimeter hoch, 65 Zentimeter breit und etwa 17 Zentimeter dick und steht auf der Kirchleuser Platte bei Schimmendorf in der Gemeinde Mainleus. Er wird erst seit wenig mehr als 200 Jahren so geschrieben. Der Name Sam(u)el ließ wohl einfach leichter Erklärungen für den Stein zu. „In älteren Überlieferungen aus dem 16. Und 17. Jahrhundert heißt er noch Schamelstein“, berichtete der Forscher. Der erste Teil des Namens lasse sich auf das ostgermanische Wort Skaman oder das westgermanische Skamen zurückführen, das eine verhüllte oder maskierte Gestalt bezeichnet. Dieses Wort sei für das Gotische schon seit der Antike belegt. Der Verhüllte und der Maskierte sind Beinamen Wotans. Schamel ist als Teil von Ortsbezeichnungen durchaus gängig in Franken, so gibt es die Schamelsberge bei Bamberg und bei Bayreuth, Schammelsdorf bei Scheßlitz und Schamelsbach ist schon 1683 bei Thurnau erwähnt.
Größte erhaltene Wotandarstellung
Auf einer 1931 vom Kulmbacher Heimatforscher Hans Edelmann gemachten Fotografie des Steins sind gut die ungleichen Beine des dargestellten Mannes sichtbar. Sie lassen ebenfalls auf Wotan schließen, dem nachgesagt wurde, einen Pferdefuß zu haben. Andraschke deutet die Ritzungen links der Figur als einen zweiten, wesentlich kleineren Mann, der den ersten berührt. Hier handele es sich um die Darstellung eines Berserkers, der Kraft und Mut aus einer Berührung mit dem Gott zieht. Beim Schamelstein handele es sich wahrscheinlich um die älteste und größte erhaltene Wotansdarstellung im südlichen deutschen Sprachraum.
Entsprechend diesen sprachwissenschaftlichen und in Bezug auf Pferdefuß und Berserker auch kunsthistorischen Erkenntnissen Andraschkes kann der Samelstein grob auf die Zeit zwischen dem ersten und dem siebten Jahrhundert datiert werden. Für eine genauere Bestimmung empfiehlt der Forscher eine archäologische Untersuchung des Umfeldes des Flurdenkmals. Zuletzt erlaubte sich der Wissenschaftler den dringenden Hinweis, dass ein solch bedeutendes Monument, das nicht in freier Natur stehen bleiben sollte, wo sie neben der Witterung vor allem auch Vandalismus ausgesetzt ist.
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