Forchheimer Jusos: „Bei der Integration zählt Betreuung“
Die Forchheimer Jusos besuchten die Flüchtlings-Unterkunft in der alten Post. Sebastian Reck, selbst Juso und Ehrenamtlicher bei der AWO, sowie Eva Wichtermann informierten über die Situation in Forchheim. Dabei erfuhr der SPD-Nachwuchs: Wichtiger als materielle Fragen seien gute Betreuung und Perspektiven.
In der Alten Post sind derzeit 41 anerkannte Flüchtlinge und Asylbewerber untergebracht, darunter vier Kinder. Diese stammen überwiegend aus Syrien, dem Irak und Aserbaidschan. Letzteres sei eine zufällige Häufung, so Reck. Zumeist werde von Asylbewerbern aus Aserbaidschan die Blutrache als Fluchtgrund angegeben. Oder es handle sich um Militärs die desertiert seien, aus Angst ins Krisengebiet Bergkarabach versetzt zu werden. Die allermeisten Bescheide im Falle Aserbaidschans seien jedoch negativ.
Die Unterkunft selbst präsentiert sich eher spartanisch. Der Aufenthaltsraum besteht aus einem Fernseher, gebrauchten Sofas und ein paar Tischen mit Stühlen. Die Zimmer, belegt mit je drei bis vier Personen, mit Betten und Schränken. Reck legte Wert darauf anzumerken, dass Flüchtlinge keinesfalls im Luxus lebten.
Wichtermann und Reck betonten, dass die Unterkunft “Alte Post“ die einzige Einrichtung in Forchheim mit einer festen Sozialbetreuung durch einen Sozialpädagogen ist. Reck hob dies als “Goldstandard” und eine wichtige Stütze hervor. Außerdem stünden Ehrenamtliche und Flüchtlingspaten zur Seite. Durch die gute Betreuung seien Konflikte in der Unterkunft weitestgehend ausgeblieben. Dank Integrationskursen und Sport, sei der Alltag strukturiert, Frust, Teilnahmslosigkeit und Konflikte würden damit vermieden.
Negativ sei, dass gute Betreuung häufig aprupt ende. Unter anderem beträfe dies, so Eva Wichtermann, minderjährige unbegleitete Flüchtlinge. Diese würden an ihrem achtzehnten Geburtstag aus gut betreuten Heimen der Jugendhilfe in eine normale Unterkunft verlegt. Weil Betreuung plötzlich fehle, ginge ihnen der Halt verloren. Häufig komme es zu einem regelrechtem Absturz, vor allem zu notorischem Schule schwänzen. Auch die derzeit stattfindende Umverteilung innerhalb Bayerns, reiße Flüchtlinge aus bestehender Betreuung und zerstöre aufgebaute Bindungen.
Als Skandal kritisierte Sebastian Reck die Zustände im “Abschiebelager” in Bamberg, mit einer Maximalbelegung von 1500 Personen. Dort sei Betreuung Mangelware, die Zimmer eng und mit teils 16 Menschen belegt. Zimmer könnten nicht abgeschlossen werden, damit Abschiebungen erleichtert würden. Üblicherweise fänden diese morgens um vier statt. Zudem rücke meist ein ganzer Polizeibus an. Werde ein Asylbewerber abgelehnt, bliebe nur eine kurze Widerspruchsfrist. Klagen gegen Ablehnungen hätten durchaus Aussicht auf Erfolg, desöfteren seien Anhörungsprotokolle fehlerhaft übersetzt
Anerkannte Flüchtlinge erhielten Integrationskurse, dort bekämen sie Einblick in die Rechtsordnung, die Kultur und die Geschichte Deutschlands, sowie Deutschunterricht bis zum Sprachniveau B1. Die Wohnungssuche für anerkannte Flüchtlinge aus der Alten Post klappe auf Grund des Einsatzes von Ehrenamtlichen sehr gut. Trotz des extrem angespannten Wohnungsmarktes. Eine Betreuung nach dem Auszug erfolge weiterhin, vor allem durch Flüchtlingspaten. Denn durch eine Wohnsitzauflage verblieben die meisten anerkannten Flüchtlinge in Forchheim. Umziehen dürfe erst, wer einen Arbeitsplatz mit einem gewissen Mindesteinkommen vorweisen könne. Dies scheitere jedoch oft an den Deutschkentnissen. Außerdem werden die Kinder in verschiedenen Projekten der Arbeiterwohlfahrt betreut, sei es im Kinder-und Jugendhort in der Kasenstraße oder in den verschiedenen Angeboten an den Grundschulen. Besonders wichtig für die Schulkinder sei eine qualifizierte Hausaufgebenbetreuung. Eine Besonderheit ist die Minigruppe im Kinder-und Jugendhort der AWO: Dort werden zur Zeit 12 Flüchtlingskinder im Vorschulalter am Vormittag betreut. Reck zeigte sich begeistert von Kleinkindern, die im Hort innerhalb von wenigen Wochen Deutsch lernen. Das Angebot der AWO sei nötig, da Kindergartenplätze in Forchheim knapp sind und die Eltern am Vormittag oft Integrationskurse besuchen. Ein junger Flüchtling, der nach Forchheim verlegt wurde und bereits das Sprachniveau B1 erreicht hat, bemängelte im Gespräch mit den Jusos, dass er zu wenig Gelegenheit habe weiter Deutsch zu lernen. Erst im September werde er wieder die Berufsschule besuchen können.
Einig waren sich die Jusos darüber, dass gute Integration nur durch beständige Betreuung gelingen kann. Diese dürfe nicht urplötzlich mit dem 18. Geburtstag oder der Anerkennung enden, denn so gehe die zuvor geleistete Arbeit kaputt. Der Vorsitzende Paul Wichtermann bedauerte, dass die Betreuung der Flüchtlinge nicht überall so gut sei wie in der alten Post.
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