Artikelserie: Energiewende ja – aber wie? 65. Sonne und Wind

Goliath Poldermolen. Foto: Uberprutser, CC-BY-SA-3.0-nl
Goliath Poldermolen. Foto: Uberprutser, CC-BY-SA-3.0-nl

Wenn die Sonne nicht scheint und der Wind nicht weht – die stereotype Frage der Energiewendekritiker, um zu beweisen, dass die Energiewende nicht funktionieren kann. Aber schauen wir uns das zeitliche Verhalten von Sonne und Wind etwas näher an.

Die Sonne liefert ihre Energie zwar 24 Stunden am Tag, aber durch die Erddrehung hat die Energieeinstrahlung für jeden einzelnen Ort einen ausgeprägten Tag-Nacht-Rhythmus. Hinzu kommt ein jahreszeitlicher Rhythmus. Im Sommer ist in unseren Breiten die Energieeinstrahlung höher weil die Sonne höher am Himmel steht und die Tage länger sind. Bei niedrigerem Sonnenstand und kürzeren Tagen im Winter ist die Energieeinstrahlung entsprechend geringer. In diese zyklischen Schwankungen sind noch die wolkenreichen Schlechtwetter-Perioden eingelagert (Tiefdruckgebiete), die zusätzlich die ausnutzbare Energieeinstrahlung reduzieren.

Der Wind ist eine Bewegung von Luftmassen (Luftaustausch) die durch die Sonnenenergie in Bewegung gesetzt wird, folgt aber anderen Gesetzmäßigkeiten. Wir müssen grundsätzlich zwischen 3 Ursachen für diese Luftbewegung unterscheiden. Da sind einmal die globalen Zirkulationssysteme – Passatwinde und Jetstreams (s.a. Kapitel 19). Diese Winde wehen ständig, sie haben keinen Tag-Nacht-Rhythmus. In diese eingelagert sind als weitere Ursache die Hoch- und Tiefdruckgebiete, die durch regional unterschiedliche Temperaturen entstehen, aber auch durch Wechselwirkungen mit dem globalen Zirkulationssystem. Beispiele hierfür sind das im Wetterbericht häufig genannte „Islandtief“ und das „Azorenhoch“.

In der freien Atmosphäre können aber solche Druckunterschiede nicht lange existieren, mit der Folge, dass ständig Luftmassen aus dem Hochdruckgebiet in das Tiefdruckgebiet strömen – Wind – bis dieses aufgefüllt ist. Antriebskraft für diese Luftbewegung ist der Druckunterschied, der sog. Druckgradient, der die Luftmassen ständig beschleunigt. Deshalb ist die Windgeschwindigkeit im Tiefdruckgebiet meist höher als im Hochdruckgebiet. Weiterhin sind Tiefdruckgebiete gekennzeichnet durch großräumig aufsteigende Luftmassen, wodurch sich eine dichte Bewölkung bildet. Im Gegensatz zu Hochdruckgebieten, die durch großräumig absinkende Luftmassen mit geringer oder gar keiner Bewölkung gekennzeichnet sind.

Diese beiden Windarten haben keinen Tag-Nacht-Rhythmus. Sie unterliegen bedingt einem jahreszeitlichen Rhythmus durch eine Nord-Süd-Verlagerung entsprechend dem Sonnenstand. Sie umfassen den gesamten wetteraktiven Höhenbereich der Atmosphäre, in unseren Breiten vom Boden bis in 10 bis 11 km Höhe. Sie überlagern sich und können sich regional verstärken oder abschwächen. In Bodennähe werden sie durch die Bodenreibung etwas abgebremst, verwirbelt und, je nach Geländeform, auch in der Richtung abgelenkt. Für Windkraftanlagen bedeutet dies, dass sie möglichst über diese bodennahe Grenzschicht heraus ragen sollten. Im Bergland (Mittelgebirge) ist diese Grenzschicht etwas dicker als im Flachland. Deshalb sind effektive Windkraftanlagen im Bergland etwas höher und möglichst auf Bergkuppen positioniert. Eine Binsenweisheit: in der Höhe weht der Wind stärker.

Eine 3. Ursache für Luftbewegungen, ausschließlich im unteren Bereich der Atmosphäre (bis zu 3000 m Höhe), sind lokal unterschiedliche Lufterwärmungen durch direkte Sonneneinstrahlung. Ursachen hierfür sind Unterschiede in der Bodenstruktur, Bewuchs, Feuchtigkeit, Hangneigung etc. Wenn die Temperaturunterschiede ein bestimmtes Maß überschreiten, steigen die wärmeren Luftmassen auf (thermischer Auftrieb). Hierdurch bilden sich kleinräumige Tiefdruckgebiete (wenige 10 bis wenige 100 m Durchmesser), die dann von allen Seiten aufgefüllt werden. Es bilden sich lokale, bodennahe Luftbewegungen aus. Diese, teilweise böigen Luftbewegungen, sind typisch in Hochdruckgebieten und häufig erkennbar an den bekannten „Schönwetterwolken“ (Fachjargon: bestimmte Cumuluswolken). Diese können auch brauchbare Energielieferanten sein, vor allem auch in Verbindung mit Batteriespeichern (s.a. Kapitel 63). Je nach Geländestruktur können sich diese kleinräumigen Winde auch summieren und im Tagesverlauf recht beständig wehen. Typische Vertreter hierfür sind der Land-See-Wind an der Küste, und der Berg-Tal-Wind im Hochgebirge.

Was wir landläufig als „Wind“ bezeichnen, ist letztlich die Summe aus der Überlagerung der 3 Ursachen für Luftbewegungen.

Betrachtet man Sonne und Wind gemeinsam als Energiequelle, so sieht man:
Sonne hat einen ausgeprägten Tag-Nacht-Rhythmus, Wind deutlich weniger bis gar nicht. Tiefdruckgebieten schwächen die Sonneneinstrahlung durch dichte Bewölkung, sind aber wesentlich Windintensiver. Die windarmen Hochdruckgebiete haben dagegen nur eine geringe aufgelockerte oder gar keine Bewölkung. Die sonnenschwache Winterperiode ist dagegen auch wesentlich windintensiver.

Fazit: Sonne und Wind ergänzen sich also recht gut. Vor allem, wenn PV-Anlagen und Windkraftanlagen in einem optimalen Verhältnis zueinander stehen, was aber regional sehr unterschiedlich sein kann. Pauschal betrachtet: von den 8544 Stunden eines Jahres wird eine PV-Anlage in deutlich weniger als 50% der Zeit Energie liefern, eine Windkraftanlage dagegen in mehr als 50% der Zeit. Windkraftanlagen sind also die zuverlässigeren Energielieferanten. Optimal ergänzt durch PV-Anlagen können sie zusammen bereits einen erheblichen Anteil des Energiebedarfes decken.

Allerdings hat sich Bayern durch seine 10h-Regelung für Windkraftanlagen diese Möglichkeit der Optimierung verbaut. Mit der Folge, dass die fehlende elektrische Energie aus der Windkraft, entweder aus anderen Energiequellen erzeugt werden muss, oder von woanders aufgestellten Windkraftanlagen nach Bayern transportiert werden muss. Dies erfordert wiederum entsprechend leistungsfähige Übertragungsnetze. So hängt alles mit allem zusammen, s.a. Kapitel 62, zentrale oder dezentrale Stromversorgung.

Natürlich gibt es Wetterlagen, in denen sowohl die Sonne als auch der Wind schwach sind (s.a. Dunkelflaute). Typisch hierfür sind bestimmte Hochdrucklagen im Winter, in denen sich Hochnebel oder Smoglagen entwickeln können. Dann müssen andere Energiequellen, z.B. Bioenergie, im Winter Blockheizkraftwerke oder Energiespeicher einspringen. Dagegen gibt es auch viele Situationen, in denen Sonne und Wind im Überfluss zur Verfügung stehen. Mit diesem Energieüberschuss können dann Energiespeicher wieder aufgeladen werden. Die Energiewende besteht eben nicht nur aus einer Komponente, sondern aus dem optimierten Zusammenspiel vieler Komponenten. Das sind die Themen der nächsten Kapitel.

Dieter Lenzkes
Bürger-für-Bürger-Energie
www.bfb-energie.de

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