Universität Bayreuth: Schneller und fehlerfrei durchs Internet

Symbolbild Bildung

Was in der Fachwelt 40 Jahre lang als aussichtslos galt, ist einem internationalen Team um Prof. Dr. Alfred Wassermann an der Universität Bayreuth gelungen: Die Mathematiker haben die Existenz einer komplexen mathematischen Struktur nachgewiesen, die künftig für eine optimierte Datenübertragung im Internet genutzt werden kann.

Innovationen bei der Übertragung digitaler Daten hängen nicht allein von technischen Fortschritten ab. Sie werden ebenso durch neue Erkenntnisse aus der Mathematik entscheidend gefördert. Prof. Dr. Alfred Wassermann an der Universität Bayreuth ist es jetzt gemeinsam mit internationalen Partnern gelungen, eine präzise Antwort für ein mathematisches Problem zu finden, das in der Fachwelt bisher als unlösbar galt. Die im „Forum of Mathematics, Pi“ veröffentlichten Erkenntnisse können dazu beitragen, die digitale Datenübertragung – insbesondere im Internet – zu beschleunigen und effizienter zu gestalten.

Datenübermittlung in digitalen Paketen

Digitale Daten werden grundsätzlich in Paketen auf die Reise zu einem Empfänger geschickt. Jedes Paket enthält dabei die gleiche Anzahl von Bits (‚binary digits‘), wobei jedes Bit entweder den Wert 0 oder den Wert 1 hat. Die meisten, aber nicht alle der in einem Paket enthaltenen Bits bilden die in diesem Paket zu übermittelnde Information. Weitere Bits haben die Funktion, die Übertragung der Information zu prüfen und erkannte Fehler zu korrigieren. Diese Bits werden als fehlerkorrigierende Codes bezeichnet. Sie gewährleisten in den meisten Fällen, dass die Information unverfälscht beim Empfänger ankommt.

In den heutigen Systemen der digitalen Datenübertragung besteht jedes Datenpaket beispielsweise aus 24 Bits, 12 davon dienen nur der Fehlerkorrektur. Ein derartiger Code wird unter anderem bei der Forschungsmission der Voyager-Raumsonden verwendet. Schon vor einigen Jahren hat man erkannt, dass sich die Übertragung in Kommunikationsnetzen wie dem Internet beschleunigen ließe, wenn diese Pakete nicht nur hintereinander, sondern in bestimmten Situationen auch zeitgleich übermittelt werden könnten. Dazu müssten zwei oder mehr dieser Datenpakete in Längsrichtung gebündelt werden, so dass ihre Bits übereinander liegen. So würden die Durchsatzraten in Kommunikationsnetzen deutlich steigen.

Mathematische Herausforderungen bei der automatischen Fehlerkorrektur

Bei einer solchen Bündelung verschärfen sich allerdings die Probleme hinsichtlich der automatischen Fehlerkorrektur. Sie können nur durch komplexe mathematische Berechnungen gelöst werden. „Die mathematischen Grundlagen der digitalen Datenübertragung sind hochgradig abstrakt und entziehen sich unserem räumlichen Vorstellungsvermögen,“ erläutert Prof. Wassermann. „Dies liegt insbesondere daran, dass die Theorie der Datenübertragung mit dem Konzept hochdimensionaler Räume arbeitet. Es handelt sich dabei um Räume, die mehr als drei Dimensionen haben. Ein hochdimensionaler Raum enthält Unterräume (englisch: ‚subspaces‘), die weniger Dimensionen haben können als er selbst. Die wichtigsten Beispiele für solche Unterräume sind Punkte, Geraden, Ebenen und Körper, wie sie uns vom Geometrieunterricht her vertraut sind. Es handelt sich hierbei um 0-, 1-, 2- bzw. 3-dimensionale Unterräume. Dementsprechend stellen die bei der Voyager-Mission verwendeten 24-stelligen und nacheinander übermittelten Pakete, die sogenannten Codewörter, Punkte in einem 24-dimensionalen Raum dar.“

Eine fehlerfreie Informationsübertragung, bei der die Datenpakete grundsätzlich einzeln und hintereinander übermittelt werden, ist am ehesten gewährleistet, wenn zwei Voraussetzungen erfüllt sind: Die gesamte Information verteilt sich auf eine hohe Zahl von Codewörtern, und diese Codewörter können als weit auseinander liegende Punkte in einem hochdimensionalen Raum dargestellt werden. Wie die in der digitalen Datenübermittlung verwendeten fehlerkorrigierenden Codes belegen, wurde diese Herausforderung mittlerweile erfolgreich bewältigt. Die Anforderungen steigen jedoch sprunghaft an, sobald zwei Datenpakete gebündelt und parallel übertragen werden sollen. Jedes aus zwei 24-stelligen Datenpaketen bestehende Codewort wäre in der Theorie eine Gerade – also ein 1-dimensionaler Unterraum – im 24-dimensionalen Raum. Um Fehlerfreiheit optimal zu gewährleisten, müsste es eine hohe Zahl von Codewörtern geben, die sich in diesem Raum als weit voneinander entfernte Geraden darstellen lassen. Noch viel komplexer wird es, wenn drei oder vier Datenpakete kombiniert und zeitgleich übermittelt werden sollen.

Was 40 Jahre lang als aussichtslos galt: Identifizierung einer mathematischen Struktur für die optimierte Datenübertragung

Angesichts dieser Probleme arbeitet die mathematische Forschung schon seit langem an der Herausforderung, die strukturellen Voraussetzungen einer möglichst schnellen und zugleich fehlerfreien Datenübertragung dadurch zu klären, dass man die korrespondierenden Unterräume in einem hochdimensionalen Raum identifiziert.

Bei diesen Bemühungen ist man schon vor rund 40 Jahren zu der folgenden Erkenntnis gelangt: Ein 13-dimensionaler Raum enthält mehr als 11 Millionen 2-dimensionale Unterräume (11.180.715 Ebenen) und mehr als 3 Milliarden 3-dimensionale Unterräume (3.269.560.515 Körper). Eine optimale Struktur bestünde aus der kleinstmöglichen Anzahl 3-dimensionaler Unterräume, die sich in ihrer Gesamtheit dadurch auszeichnen, dass jeder der 2-dimensionalen Unterräume genau 1mal darin vorkommt. Diese kleinstmögliche Anzahl beträgt, wie Berechnungen gezeigt haben, genau 1.597.245. Könnte man alle diese 3-dimensionalen Unterräume mathematisch identifizieren, ließen sich auf dieser Basis sehr gute Voraussetzungen einer beschleunigten und zugleich fehlerfreien digitalen Datenübertragung realisieren. Die Codewörter bestünden in diesem Fall aus drei kombinierten, jeweils 13-stelligen Datenpaketen.

In der internationalen Fachwelt hat man es nicht für möglich gehalten, dass sich die fast 1,6 Millionen 3-dimensionalen Unterräume jemals mathematisch identifizieren lassen. Genau dies aber ist der Forschergruppe um Prof. Dr. Alfred Wassermann gelungen, der dabei mit Partnern an der Hochschule Darmstadt, am Technion in Haifa/Israel, an der Universität Aalto/Finnland und an der University of California San Diego/USA zusammengearbeitet hat.

Dieses Forschungsergebnis ist zunächst ‚nur‘ ein Durchbruch in der Erforschung mathematischer Grundlagen. Aber der Bayreuther Wissenschaftler schließt nicht aus, dass es in nicht allzu ferner Zukunft für die digitale Datenübertragung genutzt wird. „Das Interesse an Innovationen ist in diesem Bereich weltweit so stark, dass man sich vielleicht schon bald an eine systematische Bündelung von Datenpaketen in Kommunikationsnetzen heranwagen wird. Unsere Entdeckung zeigt, dass dies keineswegs zu Einbußen bei der automatischen Fehlerkorrektur führen muss“, so Prof. Wassermann.

Veröffentlichung:

M. Braun, T. Etzion, P.R.J. Östergård, A. Vardy, A. Wassermann,
Existence of q-analogs of Steiner Systems,
in: Forum of Mathematics, Pi (2016), doi: 10.1017/fmp.2016.5.
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