Leserbrief: „Sprachverwirrung“

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Daß (nicht nur) öffentliche Verkehrsbetriebe schlechte Nachrichten gern geschönt formulieren, ist ein alter Hut. So wird aus Taktausdünnung regelmäßig bedarfsgerechte Optimierung. Die Unverfrorenheit, mit der die Bamberger Stadtwerke die anstehende Angebotsverschlechterung verkünden, erreicht indes einen neuen Höhepunkt:

„So wird es ab dem Fahrplanwechsel zusätzlich zur stündlich fahrenden Linie 918 das Angebot eines Anruf-Linien-Taxis (ALT) geben“, bedeutet: Der bisherige reguläre Halbstundentakt in den Stadtteil Bug wird um 50 % ausgedünnt. Rufsysteme, lange bekannt, weisen eine deutlich erhöhte Eintrittsschwelle auf, werden nur in Anspruch genommen, wenn es gar nicht anders geht.

„Das Bamberger Haingebiet wird zukünftig mit zwei Buslinien versorgt: Neben der bekannten und zukünftig stündlich verkehrenden ‚Hainlinie‘ 909 wird ab dem 5. Februar auch die Linie 928 durch das Haingebiet fahren.“ Noch fährt die 909 halbstündlich. Die 928 kompensiert lediglich die Ausdünnung. In Folge ihrer neuen Linienführung aber verliert bspw. das Kaiser-Heinrich-Gymnasium die einzige Busanbindung, die keinen langen Fußweg erfordert. Nicht nur die zahlreichen Schüler aus dem Landkreis werden vor allem bei Starkregen, Schnee und Eisglätte begeistert sein.

„Der Stadtteil Wildensorg wird weiterhin zweimal pro Stunde vom Linienbus angefahren: Zusätzlich zur stündlichen Innenstadt-Anbindung über den Jakobsberg gibt es ab Februar stündlich eine Linienverbindung zum Klinikum“ am Bruderwald. Bislang erfolgte die Anbindung über den Jakobsberg zweimal stündlich. Nicht explizit erwähnt, läßt das auf Takthalbierung der Linie 910 über Jakobs- und Michaelsberg schließen. Hier liegen neben verschiedenen touristischen Sehenswürdigkeiten u. a. das Klinikum Michaelsberg, der Antonistift und nicht zuletzt die Musikschule. Befürchtungen, deren Verlagerung an den jetzigen Standort werde mehr Autoverkehr ins Berggebiet ziehen, begegnete die Stadt seinerzeit mit der Ankündigung, dem entgegenwirken zu wollen. Tatsächlich ist schon heute das Elterntaxi, kombiniert mit teils rücksichtslosem Gehwegparken, einer der wichtigsten Zubringer.

Dem Faß endgültig den Boden schlägt das Resümee der Stadtwerke aus: „Durch die Optimierung des Liniennetzes werden die Stadtbusse zukünftig 70.000 Kilometer weniger pro Jahr unterwegs sein. Das führt zu einer direkten Einsparung von über 80.000 Kilogramm des klimaschädlichen Kohlendioxids.“ In den vergangenen zwei Jahrzehnten haben sie bereits – auf niedrigem Niveau – ein Viertel ihres Anteils am Stadtverkehr eingebüßt (https://www.stadt.bamberg.de/index.phtml?object=tx|1829.52&ModID=7&FID=1829.9500.1&&sNavID=1829.1090&mNavID=329.91&La=1) – gegen den deutschlandweiten Trend. Offenbar kommt in der Führungsetage des städtischen Unternehmens niemand auf den Gedanken, daß die Alternative „Pkw“ alles andere als klimaneutral ist.

https://www.stadtwerke-bamberg.de/de/Kopfnavigation/Information/Pressebereich/Presseinformation-2016/Am-5.-Februar-2017-tritt-der-Busfahrplan-in-Kraft_473887.html

Gerade der Verkehrssektor verweigert sich jeglichen Bemühungen zum Klimaschutz, wie der jüngste Bericht der Bundesregierung belegt: https://www.vcd.org/service/presse/pressemitteilungen/klimaschutz-scheitert-immer-wieder-am-verkehr

Der erforderlichen Verkehrswende, die den Umweltverbund, die Vernetzung von Fuß-, Fahrrad-, Bahn- und Busverkehr, durch CarSharing ergänzt, als Rückgrat der Mobilität anstrebt, erweisen die Stadtwerke Bamberg einen Bärendienst. Verantwortung trägt jedoch auch der Stadtrat, der die finanziellen Rahmenbedingungen und Schwerpunkte setzt.

Mit freundlichen Grüßen
Wolfgang Bönig