Artikelserie: Energiewende ja – aber wie? 61: Dezentralisierung durch Eigenversorgung – Energiemanagement

Goliath Poldermolen. Foto: Uberprutser, CC-BY-SA-3.0-nl
Goliath Poldermolen. Foto: Uberprutser, CC-BY-SA-3.0-nl

Im letzten Kapitel hatten wir festgestellt, dass sich einige Hersteller nicht nur auf die Bereitstellung der Solarbatterien beschränken, sondern darüber hinaus auch komplette Photovoltaikanlagen (PV-Anlage) im Programm haben. Eine solche PV-Anlage besteht aus:

  • den Solarzellen auf dem Dach,
  • einem Wechselrichter zur Anpassung der Gleichspannung der Solarzellen an die Wechselspannung des Netzes und dem Anschluss an die Hausinstallation (Haus-Netz),
  • einer Solarbatterie, möglichst DC-gekoppelt (Kapitel 59), und
  • dem Anschluss an das öffentliche Stromnetz über einen Einspeisezähler, oder einen kombinierten Zweirichtungs-Zähler.

Eine solche PV-Anlage würde auch ohne gezielte Steuerungseingriffe, an einem guten Sonnentag, zunächst die Batterie aufladen und eingeschaltete Stromverbraucher des Haus-Netzes versorgen und als letztes dann noch überschüssige Energie in das öffentliche Netz einspeisen. Sie würde aber nicht der Steuerungsstrategie gerecht: möglichst viel Strom selbst verbrauchen und möglichst wenig ins Netz einspeisen. Es kann hierbei durchaus sein, dass der gesamte Eigenbedarf, einschließlich der Batterieladung, bereits in den Vormittagsstunden gedeckt ist, und in der Mittagszeit, bei höchstem Energieangebot, nur noch die Netzeinspeisung übrig bleibt. Hier hat aber der Gesetzgeber einen Riegel vorgeschoben. Es dürfen nicht mehr als 70% der Nennleistung einer PV-Anlage in das Netz eingespeist werden, je nach Inanspruchnahme bestimmter Fördermaßnahmen nur 50%. In diesem Fall könnte ein Teil der bereitgestellten Energie nicht mehr genutzt werden.

Bereits diese gesetzliche Vorgabe erfordert einen steuernden Eingriff in die Energieflüsse. Für eine wirtschaftliche Optimierung kann es deshalb sinnvoll sein, die Netzeinspeisung in die Vormittagsstunden zu legen, wenn das Energieangebot ohnehin noch unter den zulässigen Grenzen liegt. Die Deckung des Eigenbedarfes einschließlich der Batterieladung wird in die Stunden des Überangebotes gelegt, damit diese Spitze nicht ungenutzt bleibt. Man sieht, dass für die optimale Nutzung einer PV-Anlage auch eine Vorausplanung notwendig ist. Eine Steuerung die das leistet, wird nicht zu Unrecht auch als „Energiemanagement“ bezeichnet. Es gibt Systeme auf dem Markt, die in der ersten Betriebszeit ein spezifisches Nutzerprofil ermitteln und dieses in die tägliche Steuerungsstrategie einbeziehen. Es sind auch die ersten Systeme in Betrieb, die sich über das Internet die tägliche Wetterprognose abholen, um sie in die Steuerungsstrategie einzubeziehen. Denn nichts wäre ärgerlicher, als wenn in Erwartung eines schönen Sonnentages, in den Vormittagsstunden die Netzeinspeisung freigeschaltet wird, und Mittags, wenn man die Energiespitze für den Eigenbedarf und die Batterieladung nutzen will, kommt die große Regenfront.

All diese Steuerungsmaßnahmen haben das Ziel eine möglichst hohe Autarkie gegenüber dem Netzbezug zu erreichen. Darunter versteht man wie viel Prozent des Strombedarfes durch Eigenerzeugung gedeckt werden. (Mathematisch: Autarkiegrad = (1 – Netzbezug/Stromverbrauch) x 100%). Muss der gesamte Bedarf aus dem Netz bezogen werden, ist der Autarkiegrad = 0%. Kann der komplette Eigenbedarf aus der Kombination PV-Anlage + Solarbatterie gedeckt werden, ist der Autarkiegrad 100%. Autarkie ist somit ein direktes Maß dafür, um welchen Betrag sich die Stromrechnung für den Strombezug aus dem Netz verringert, wenn die Angabe denselben Zeitraum wie die Stromrechnung erfasst. Angaben zur Autarkie sind nur für den Zeitraum informativ, über den sie ermittelt wurden.

Für den wirtschaftlichen Betrieb einer PV-Anlage ist es deshalb sinnvoll, die Energieaufteilung auf die drei Zweige Haus-Netz, Speicherung in der Solarbatterie und Einspeisung in das öffentliche Netz an dem Energieangebot zu orientieren. Während man die Zeitpunkte für die Speicherung und die Netzeinspeisung frei wählen kann, muss das Haus-Netz allerdings ständig versorgt werden. Zwar ist nicht ständig ein Energiebedarf vorhanden, aber es gibt Geräte, die, wenn sie sich automatisch einschalten, auch sofort mit Energie versorgt werden müssen. Typische Beispiele hierfür sind Kühl- und Gefriergeräte. Andererseits gibt es in jedem Haushalt Geräte, bei denen der Einschaltzeitpunkt nicht so relevant ist, sodass deren Betrieb gezielt in die Zeit eines hohen Energieangebotes gelegt werden kann. Typische Beispiele hierfür sind Waschmaschinen, Spülmaschinen und Heizungen für Warmwasser-Boiler.

Diese Verhältnisse sind in jedem Haushalt unterschiedlich und können sich auch ändern, z.B. durch neue oder andere Geräte. Die entsprechenden Steuerungsmaßnahmen könnten natürlich alle manuell durchgeführt werden, wenn ständig eine Person anwesend ist, die sich mit dieser Problematik auseinander setzt. In allen anderen Fällen sollte diese Aufgabe dem Energiemanagement übertragen werden. Voraussetzung hierfür ist eine entsprechende Software und die Möglichkeit die betreffenden Geräte gezielt einschalten zu können (Zusatz-Hardware). Die Software ist in einigen am Markt befindlichen Geräten bereits Standard. Sie muss bei Bedarf nur frei geschaltet und auf die spezifischen Verhältnisse konfiguriert werden. Die zusätzliche Hardware besteht aus einfachen fern-schaltbaren Schaltelementen, die zwischen die Anschlussleitung der betreffenden Geräte und die Steckdose gesteckt werden. Damit können bestehende Anlagen nachgerüstet oder, bei sich änderndem Geräte-Spektrum, angepasst werden.

All diese Steuerungsmaßnahmen haben das Ziel eine möglichst hohe Autarkie zu erreichen. Welche Autarkiewerte sind bei einer PV-Anlage, die auf den individuellen Energiebedarf optimiert ist, praktisch erreichbar?

In den Monaten April bis Oktober können über mehrere Tage in Folge 100% erreicht werden, zuzüglich noch einer nennenswerten Netzeinspeisung. Bezogen auf einen Monat sind in den Monaten Mai bis August um 80% bis 85% realistisch. Zum Winter hin sinkt die Autarkie ab, auf 15% bis 20% von November bis Februar. Bezogen auf ein Kalenderjahr sind Mittelwerte von 60% bis 70% realistisch. Auch hier zeigt sich der positive Einfluss von Stromsparmaßnahmen und Stromeffizienz (Kapitel 49 bis 52). Je geringer der Eigenverbrauch ist, umso geringer sind auch Aufwand und Kosten, die man in eine PV-Anlage investieren muss um hohe Autarkiegrade zu erzielen.

In den nächsten Kapiteln betrachten wir weitere Ausbaumöglichkeiten bis zu einem Notbetrieb bei Netzausfall.

Dieter Lenzkes
Bürger-für-Bürger-Energie
www.bfb-energie.de

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