Günter Stössel bei den „Kirchehrenbacher Kulturwochen“
Als Günter Stössel zu den „Kirchehrenbacher Kulturwochen“ ins Gasthaus Sponsel kam, war der Lorbeer auf seinem fränkischen Dichterhaupt noch frisch. Einen Tag vorher war er in Bad Windsheim im Beisein der drei Regierungspräsidenten mit dem Frankenwürfel ausgezeichnet worden. Bevor die Martinsgans für die Ehrengäste serviert worden war hatte es Festreden gegeben. Mittelfranken-Chef Dr. Thomas Bauer pries dabei den Dialekt-Autor als „fränkisches Urgestein“, als wendig, widersprüchlich und witzig. Er rühmte seine Arbeit als Sprachforscher, Sprachbewahrer und Sprachartist.
Der Mundartlyriker und Dialektpoet Stössel zeigte dann in Kirchehrenbach wie man mit dem neuentdeckten Charme der Langsamkeit ein Publikum faszinieren kann. Kein effekthaschendes Showmaster-Gehabe, sondern Plaudereien in epischer Breite, scheinbares Abgleiten in Nebenmotive bei langen Anmoderationen und dann klassische Songs.
„Der Karrn frisst mir die Hoar vom Kupf“ handelt von einem lädierten PKW, bei dessen finanzieller Ausschlachtung TÜV und Autowerkstatt harmonisch zusammenspielen. Schon nach dem ersten Lied wurde der Barde von einer regionalen Massenkrankheit befallen, der „fränkischen Mundtrockenheit“. Was konnte dagegen helfen? Stössel fragte das fußballkundige Publikum, wie die Seitenlinie eines Fußballfeldes auf englisch heiße? „Sideline“ musste sich selbst die Antwort geben – also ein „Seidlein“ zur Auffrischung der Sängerkehle. Aus dieser tönten dann Texte, die zur festen Tradition der fränkischen Regionalliteratur gehören. Stössel besang das „Haus vom Meiers Gerchla“, das verwackelt und verfallen irgendwo in Nürnbergs Multi-Kulti-Viertel Gostenhof steht.
Und er entwickelte als ehemaliger Siemens-Ingenieur ein „dialektisches Lösungskonzept“ für die sich steigernden Verkehrsprobleme des fränkischen Ballungsraums. Wenn alles „nach Närrnberch“ drängt und reinschiebt hilft nur eiskalte Planwirtschaft. Die Maurer müssen über Ziegelstein anreisen, die Bettler über Almoshof, die Fuß-Kosmetiker über Käswasser, der Papst über den Marienberg und die Freudendamen über Schnepfenreuth. Für die Säufer sind die Routen über Kornburg oder Schoppershof verpflichtend.
Der Abend erreichte seinen Höhepunkt, als Stössel seine fränkische Version der Bildergeschichten Wilhelm Buschs vorstellte. Zur Repräsentation der hochdeutschen Originale hatte er ein rheinisch-preußisches Stimmwunder mitgebracht: Die Wahlfränkin Anja Seidel, im Hauptberuf Moderatorin beim Nürnberger Privatsender Radio F.
Busch, alles andere als ein heiterer Kinderbuch-Autor, war ein abgrundtiefer Pessimist, den es vor der Dummheit der Menschen und der Verlogenheit der Gesellschaft ekelte. In wenigen Linien zeichnen seine Verse und Reime absurde gescheiterte Lebenswege.
„Der letzte Streich bricht Eich des G´nack / Ihr Max und Moritz-Lumpenpack“ dichtet Günter Stössel drastisch nach. Nicht nur hier bewegt sich seine Übertragung auf kongenialer Höhe mit dem Original, das in der Literaturgeschichte des 19.Jhdt. eine Ehrenloge einnimmt.
Mit seinen Sprachspielen zeigte Günter Stössel, wieviel Kreativität und Fantasie sich im banalen Alltags-Fränkisch verbergen.
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