Deutschlands beste Laienorchester kommen nach Bamberg

4. Auswahlorchester-Wettbewerb mit 36 Orchestern und 1700 Musikern am Samstag, 6. November/Großes Matinee-Konzert am Sonntag, 7. November

Deutschlands beste Laienorchester treffen sich am Samstag, 6. November und Sonntag, 7.  November in Bamberg – zum 4. Wettbewerb für Auswahlorchester, der heuer erstmals in Bayern ausgetragen wird. So reisen 36 Auswahlorchester mit rund 1700 Musikern aus dem gesamten Bundesgebiet auf eigene Kosten in die Domstadt, um teilnehmen zu können. Organisiert wird die Veranstaltung von der Bundesvereinigung Deutscher Orchesterverbände (BDO). Im Interview spricht der Projektleiter des Auswahlorchester-Wettbewerbs und Organisator Prof. Hans-Walter Berg (79) über die Idee des Wettbewerbs, die Zusammensetzung von Auswahlorchestern und die Erfahrungen bei den bisherigen Wettbewerben.

Der Wettbewerb der Auswahlorchester wird heuer zum vierten Mal veranstaltet. Was war die Grundidee des Ganzen?

Prof. Berg: Auswahlorchester sind eine neue Erscheinung in der Laienmusikszene. Sie wurden überwiegend erst in den 80er und 90er Jahren gegründet. Hier handelt  es sich nicht um Orchester eines einzigen Musikvereins, sondern um solche Orchester, deren ambitionierte Spieler aus vielen Musikvereinen einer Region oder sogar aus einem ganzen Bundesland kommen. Bei einem Leistungsvergleich im Wettbewerb wären solche Auswahlorchester Vereinsorchestern überlegen. Deshalb schließt sie z.B. der Deutsche Musikrat beim Deutschen Orchesterwettbewerb aus. Damit Auswahlorchester aber doch eine Chance bekommen, sich unter ihresgleichen zu messen, hat unsere Bundesvereinigung Deutscher Orchesterverbände erstmals 1998 einen Wettbewerb für Auswahlorchester ins Leben gerufen.

Wie setzt sich ein Auswahlorchester zusammen?

Prof. Berg: Hier mag ein Vergleich mit begabten Schülern in Schulklassen zum Verständnis dienen. Es gibt Schüler, deren Begabungspotential so hoch ist, dass sie eine Schulklasse überspringen können oder deren Energie ausreicht, um neben den schulischen Anforderungen anspruchsvollen Hobbys nachzugehen. So ähnlich ist es auch in Orchestern von Musikvereinen. Dort finden sich besonders fleißige Musiker, die gern auch mehr als in ihrem Heimatorchester gefordert werden wollen. Für diese Talente ist ein Auswahlorchester zusätzlich gerade richtig.

Das heißt, in Auswahlorchestern sind die besten Musiker vertreten?

Prof. Berg: Die besten und ambitioniertesten Musiker aus verschiedenen Vereinen oder Musikschulenbilden bilden dort ein neues Orchester.

Wie werden die Musiker für Auswahlorchester ermittelt?

Prof. Berg: Auswahlorchester laden ambitionierte Vereinsmusiker zum Mitspielen ein. Als Voraussetzung müssen Musiker ihre Leistungsfähigkeit unter Beweis stellen. Die interessierten Musiker stellen sich entweder einem Vorspiel und zeigen dabei, was sie können, oder sie weisen nach, dass sie eine Verbandsprüfung bestanden haben. In der Regel wird die zweite von drei im Schwierigkeitsgrad ansteigenden Prüfungen mit der Bezeichnung D2 verlangt

Wie unterscheiden sich die drei Stufen vom Schwierigkeitsgrad her?

Prof. Berg: Um ein Beispiel zu nennen: Bei der ersten Stufe muss ein junger Instrumentalist über vier Tonarten im Spiel und in der Theorie verfügen, in der nächsten kommen dann vielleicht schon sechs Tonarten dazu und schließlich bei der dritten Stufe muss er über einen großen Kosmos an Musiktheorie Bescheid wissen und darüber verfügen und entsprechend anspruchsvolle Musikstücke spielen können.

Gibt es ein Mindestalter für die Teilnehmer von Auswahlorchestern?

Prof. Berg: Nein, ein Mindestalter ist nicht vorgegeben. Eine gewisse Reife und Erfahrung im Orchesterspiel wird aber erwartet. In den Musikvereinen beginnen Kinder in immer jüngerem Alter ein Instrument zu lernen. Im Spielleute-Bereich ist es die Norm, dass Kinder schon im Alter von sechs Jahren Flöte lernen oder Kleine Trommel. Mit neun Jahren können sie schon die erste Prüfung ablegen. Bläser und Akkordeon-Spieler sind etwas älter. Zwischen den Leistungsstufen D1, D2, D3 liegen jeweils zwei bis drei Jahre. In den Landesorchestern spielen auch Musikstudenten und in den Landesjugend-Jazzorchestern befinden sich Instrumentalisten, die Berufsmusiker werden wollen. Deswegen bewegen sich die Landesjugend – Big Bands leistungsmäßig in der Nähe von Profi-Big Bands. Wir dürfen deshalb in Bamberg Darbietungen auf höchstem Niveau erwarten.

Wie waren die Erfahrungen bei den bisherigen drei Auswahlorchester-Wettbewerben?

Prof. Berg: Man kann an den Leistungen der bisherigen drei Wettbewerbe beständig Fortschritte feststellen. Die Orchester werden immer noch leistungsfähiger. Das liegt auch an der verbesserten Ausbildung der jungen Musiker. Noch vor 20, 30 Jahren war es üblich, dass ein Kind oder ein Jugendlicher im Verein von Vereinsangehörigen und nicht an einer Musikschule ausgebildet wurde. Meist waren das ein bis zwei Jahre Unterweisung am Instrument. Inzwischen arbeiten immer mehr Musikvereine mit Musikschulen zusammen, wie hier in Bamberg und im Landkreis Bamberg.

Wie oft treffen sich Auswahlorchester zur Probe?

Pro. Berg: Auswahlorchester treffen sich in der Regel sechsmal im Jahr an unterschiedlichen Orten zur Probe, also etwa alle zwei Monate an einem Wochenende. Mehr ist nicht möglich, weil die Auswahlorchester ihre Mitspieler dem Vereinsorchester nicht öfter bei dessen Proben entziehen wollen. Auswahlorchester geben mindestens ein Konzert pro Jahr, denn die Proben haben immer ein Aufführungsziel.

Wo liegt der Unterschied zwischen Laien- und Auswahlorchestern bei der öffentlichen Wahrnehmung?

Prof. Berg: Es gibt etwa 20 000 Laienorchester in Deutschland. Sie finden sich überwiegend in kleinen Gemeinden. Je kleiner der Ort, desto besser ist oftmals die Musik des dortigen Laienorchesters, weil ein großer Teil de Gemeinde dahinter steht. Im allgemeinen Kulturbetrieb werden diese 20 000 Laienorchester allerdings noch wenig wahrgenommen. Das lässt sich auch daran ablesen, dass in den Feuilletons überregionaler Tageszeitungen fast nie über Laienorchester berichtet wird. Bei Auswahlorchestern ist es anders. Immer mehr Auswahlorchestern gelingt es, in das Kulturangebot einer Stadt aufgenommen zu werden. Darüber erscheinen in den Lokalredaktionen Rezensionen. Das ist auch ein Grund für unseren Wettbewerb. Die Auswahlorchester werben durch ihre herausragenden Leistungen für das gesamte Laienmusizieren.

Der Auswahlorchester-Wettbewerb ist in fünf Kategorien unterteilt: Akkordeonorchester, Blasorchester, Jazzorchester, Spielleutekorps sowie Saiten- und Zupforchester. Aus welchem Bereich kommen die meisten Teilnehmer?

Prof. Berg: Die meisten Teilnehmer kommen aus Blasorchestern. Etwa 2/3 aller Laienorchester in Deutschland sind Blasorchester. Die nächste große Sparte sind mit 3000 Vereinen Spielleutekorps. Sie sind meist mit Flöten und Trommeln, zuweilen auch mit Blechblasinstrumenten besetzt, wie im Nordbayerischen Musikbund. Akkordeonorchester existieren in 1000 Vereinen, Zupforchester in 500 Vereinen. Die Anzahl der Jazzorchester ist schwer zu ermitteln, da sie nicht untereinander in einem Verband vernetzt sind. Spitzenorchester sind hier die Landesjazzorchester, von denen es in fast jedem Bundesland eines gibt. Ingesamt existieren in Deutschland 270 Auswahlorchester, die Hälfte davon sind Jugendorchester. 36 dieser 270 Auswahlorchester reisen nach Bamberg, darunter erstmals auch ein Hackbrettorchester.

Wie setzt sich die Jury zusammen und wie bewertet sie?

Prof. Berg: Für jede Sparte wird eine Jury mit drei Mitgliedern gebildet. Dabei handelt es sich um deutschlandweit angesehene Experten. Maximal kann jeder Juror 100 Punkte für einen Vortrag vergeben. Es gibt insgesamt zehn Kriterien, nach denen beurteilt wird. Dazu gehören beispielsweise Stimmung und Intonation. Dabei wird bewertet, ob alle Instrumente exakt auf eine Tönhöhe und sauber gestimmt sind und diese Tonhöhe auch während des Spiels halten. Dann wird die Klangqualität beurteilt, wie gut ist der Klang der Einzelspieler, der sich dann zum homogenen Registerklang mischen sollte. Die rhythmische Ausführung der Notenvorlage unterliegt ebenfalls einer Qualitätskontrolle. Die Juroren haben die Partitur der Kompositionen vor sich liegen. Sie vergleichen das Notenbild mit dem Klangbild. Für jedes von zehn Kriterien kann der Punktrichter bis zu zehn Punkte vergeben. Am Ende führt die Addition der Punkte aus den zehn Kriterien zu einem Ergebnis, das zwischen 60 bis 100 Punkten liegt.

Wurde bei den bisherigen Wettbewerben die Höchstpunktzahl von 100 schon einmal erreicht?

Prof. Berg: Ja, aber nur in sehr seltenen Fällen für Spitzenleistungen, die absolut keine Wünsche zur Verbesserung mehr offen lassen.

Wie lange werden die Orchester bei ihren Auftritten spielen und gibt es Mindestanforderungen?

Prof. Berg: Im Durchschnitt spielt jedes Orchester im Wettbewerb 20 Minuten. Es werden meist mehrere Stücke gespielt, wobei die Gesamtdauer des Auftritts zwischen 15 Minuten und 25 Minuten variieren kann. Alle Kompositionen werden von den Orchestern selbst ausgewählt. Es gibt keine Vorgaben, weil die Bedingungen unter denen ein Orchester arbeitet, sehr unterschiedlich sind. Beispielsweise haben Kreisorchester keine so große Auswahl an Spielern in allen Registern, um Musik mit hohem Schwierigkeitsgrad zu realisieren. Mindestanforderungen werden nicht gestellt. Allerdings fließt die Stückauswahl in eines der zehn Beurteilungskriterien mit ein, denn es wird auch beurteilt, ob das gewählte Musikstück zum Orchester und zu seiner Besetzung passt.

Die Teilnehmer des Auswahlorchester-Wettbewerbs müssen ihre Übernachtungs- und Anfahrtskosten selbst finanzieren. Bedeutet das, dass sich die Musiker aus Begeisterung und Freude engagieren?

Prof. Berg: Ja, das wissen wir von den Orchestern, die sich schon bei früheren Wettbewerben beteiligt haben. Da existiert eine hohe Motivation, die sich im Vorfeld schon über lange Zeit aufgebaut hat. Die Orchester haben den Ehrgeiz, Musikstücke bestmöglich zu interpretieren. Z.B. die Spielleute aus Nordrhein-Westfalen, die man am Sonntag, 7. November, in der Matinee um 11 Uhr hören wird, brennen darauf sich bereits zum vierten Mal im Wettbewerb zu bewähren.

Was wünschen Sie sich für den Wettbewerb am ersten November-Wochenende?

Prof. Berg: Ich wünsche mir angesichts des enormen Aufwands an Kraft und Energie, den die aus vielen Teilen Deutschlands angereisten Orchester aufbringen, dass sich die Bamberger Bevölkerung für den Wettbewerb und die abschließende Matinee am Sonntag interessiert. Sie werden in der wunderbaren Konzert– und Kongresshalle um 11.00 Uhr ein Konzert mit fünf Auswahlorchestern aus verschiedenen Orchestersparten einzeln und zusammen erleben. Diese einmalige Gelegenheit dürfte in Bamberg kaum noch einmal zu erwarten sein.

Zum Schluss: Was motiviert Sie persönlich, den Wettbewerb zu organisieren?

Prof. Berg: Für mich ist es die Freude darüber, dass Menschen, die nicht aus Erwerbsgründen auf das Musikmachen angewiesen sind, durch das Musizieren eine glücklich machende Lebensbereicherung finden, und dass weiterhin die Jugend im steigenden Maße für das Selbermusizieren gewonnen wird, denn sie zieht aus dem Orchestermusizieren einen Gewinn fürs Leben.

4. Wettbewerb für Auswahlorchester in Bamberg – Übersicht

Samstag, 6. November 2010

8.00 bis 19.00 Uhr    Wettbewerbe

  • Konzert- und Kongresshalle Bamberg, Joseph-Keilberth-Saal, Hegel-Saal,
  • E.T.A.-Hoffmann Theater Bamberg, Spiegelsaal Harmonie

20.00 Uhr        Verkündung der Wettbewerbsergebnisse, Preisverleihung

  • Konzert- und Kongresshalle in Bamberg, Joseph-Keilberth-Saal

21.30 Uhr        Abend der Begegnung    mit Verköstigung und Live-Musik

  • Konzert- und Kongresshalle in Bamberg, Großes Foyer

Sonntag, 7. November 2010

11.00 Uhr        Matinee-Konzert mit fünf Auswahlorchestern
in Kooperation mit dem Kreisblasorchester Bamberg

  • Konzert- und Kongresshalle Bamberg, Joseph-Keilberth-Saal

Wettbewerbe

E.T.A.-Hoffmann Theater, Spiegelsaal Harmonie

Akkordeonorchester
9.00 Uhr     Landesjugendakkordeonorchester Brandenburg
10.00 Uhr    Landesjugend–Akkordeonorchester Bayern
11.00 Uhr    Auswahl–Akkordeonorchester Art AccA, NRW
12.00 Uhr    LandesJugendAkkordeonOrchester Nordrhein–Westfalen

Zupf– und Saitenorchester
13.00 Uhr    Landeszitherorchester Baden–Württemberg
13.45 Uhr    Landesjugendzupforchester Sachsen
14.30 Uhr    Bezirkszupforchester Dortmund
15.15 Uhr    Landeszupforchester Thüringen
16.00 Uhr    Jugendzupforchester Baden–Württemberg
16.45 Uhr    Hackbrettorchester Ulm

Konzert– und Kongresshalle, Joseph–Keilberth–Saal

Blasorchester, Stufe B
8.00 Uhr    Kreisblasorchester Kronach
8.45 Uhr    Kreisblasorchester Bamberg
9.30 Uhr     Jugendauswahlorchester des Bezirks Oberfranken
10.15 Uhr    Sinfonisches Blasorchester Vorspessart
11.00 Uhr Bläserphilharmonie Rhein–Neckar
11.45 Uhr Kreisblasorchester Ostallgäu
12.30 Uhr Bezirksjugendblasorchester Mindelheim
13.15 Uhr Kreisjugendblasorchester Böblingen
14.00 Uhr    Verbandsblasorchester Neckar –Alb
14.45 Uhr    Sinfonisches Jugendblasorchester Karlsruhe
15.30 Uhr    Kreisblasorchester Borken
16.15 Uhr    Junge Bläserphilharmonie Zollernalb

Blasorchester, Stufe A
17.00 Uhr    Landesblasorchester Nordrhein-Westfalen
17.45 Uhr    Landesjugendblasorchester Niedersachsen
18.30 Uhr    Nordbayerisches Jugendblasorchester

Konzert– und Kongresshalle, Hegel–Saal

Spielleutekorps
8.00 Uhr    Landesspielmannszug des Niedersächsischen Sportschützenbundes
8.45 Uhr    Stabführerkorps des Nordbayerischen Musikbundes
9.30 Uhr    Landesspielleutekorps NRW
10.15 Uhr    ProjektOrchester NRW für Spielleute

Jazzorchester
11.00 Uhr    Gout Big Band, Bietigheim
12.00 Uhr    Landesjugendjazzorchester Brandenburg
13.00 Uhr    ASM–BIG–BAND des Allgäu–Schwäbischen Musikbundes
14.00 Uhr    Jugend Jazz Orchester Baden–Württemberg
15.00 Uhr    SHR Bigband Heidelberg
16.00 Uhr    Daimler Bigband, Stuttgart
17.00 Uhr    Jugend Jazz Orchester NRW

4. Auswahlorchester-Wettbewerb mit 36 Orchestern und 1700 Musikern am Samstag, 6. November/Großes Matinee-Konzert am Sonntag, 7. November

Bamberg. Deutschlands beste Laienorchester treffen sich am Samstag, 6. November und Sonntag, 7. November in Bamberg – zum 4. Wettbewerb für Auswahlorchester, der heuer erstmals in Bayern ausgetragen wird. So reisen 36 Auswahlorchester mit rund 1700 Musikern aus dem gesamten Bundesgebiet auf eigene Kosten in die Domstadt, um teilnehmen zu können. Organisiert wird die Veranstaltung von der Bundesvereinigung Deutscher Orchesterverbände (BDO). Im Interview spricht der Projektleiter des Auswahlorchester-Wettbewerbs und Organisator Prof. Hans-Walter Berg (79) über die Idee des Wettbewerbs, die Zusammensetzung von Auswahlorchestern und die Erfahrungen bei den bisherigen Wettbewerben.

Der Wettbewerb der Auswahlorchester wird heuer zum vierten Mal veranstaltet. Was war die Grundidee des Ganzen?

Prof. Berg: Auswahlorchester sind eine neue Erscheinung in der Laienmusikszene. Sie wurden überwiegend erst in den 80er und 90er Jahren gegründet. Hier handelt es sich nicht um Orchester eines einzigen Musikvereins, sondern um solche Orchester, deren ambitionierte Spieler aus vielen Musikvereinen einer Region oder sogar aus einem ganzen Bundesland kommen. Bei einem Leistungsvergleich im Wettbewerb wären solche Auswahlorchester Vereinsorchestern überlegen. Deshalb schließt sie z.B. der Deutsche Musikrat beim Deutschen Orchesterwettbewerb aus. Damit Auswahlorchester aber doch eine Chance bekommen, sich unter ihresgleichen zu messen, hat unsere Bundesvereinigung Deutscher Orchesterverbände erstmals 1998 einen Wettbewerb für Auswahlorchester ins Leben gerufen.

Wie setzt sich ein Auswahlorchester zusammen?

Prof. Berg: Hier mag ein Vergleich mit begabten Schülern in Schulklassen zum Verständnis dienen. Es gibt Schüler, deren Begabungspotential so hoch ist, dass sie eine Schulklasse überspringen können oder deren Energie ausreicht, um neben den schulischen Anforderungen anspruchsvollen Hobbys nachzugehen. So ähnlich ist es auch in Orchestern von Musikvereinen. Dort finden sich besonders fleißige Musiker, die gern auch mehr als in ihrem Heimatorchester gefordert werden wollen. Für diese Talente ist ein Auswahlorchester zusätzlich gerade richtig.

Das heißt, in Auswahlorchestern sind die besten Musiker vertreten?

Prof. Berg: Die besten und ambitioniertesten Musiker aus verschiedenen Vereinen oder Musikschulenbilden bilden dort ein neues Orchester.

Wie werden die Musiker für Auswahlorchester ermittelt?

Prof. Berg: Auswahlorchester laden ambitionierte Vereinsmusiker zum Mitspielen ein. Als Voraussetzung müssen Musiker ihre Leistungsfähigkeit unter Beweis stellen. Die interessierten Musiker stellen sich entweder einem Vorspiel und zeigen dabei, was sie können, oder sie weisen nach, dass sie eine Verbandsprüfung bestanden haben. In der Regel wird die zweite von drei im Schwierigkeitsgrad ansteigenden Prüfungen mit der Bezeichnung D2 verlangt

Wie unterscheiden sich die drei Stufen vom Schwierigkeitsgrad her?

Prof. Berg: Um ein Beispiel zu nennen: Bei der ersten Stufe muss ein junger Instrumentalist über vier Tonarten im Spiel und in der Theorie verfügen, in der nächsten kommen dann vielleicht schon sechs Tonarten dazu und schließlich bei der dritten Stufe muss er über einen großen Kosmos an Musiktheorie Bescheid wissen und darüber verfügen und entsprechend anspruchsvolle Musikstücke spielen können.

Gibt es ein Mindestalter für die Teilnehmer von Auswahlorchestern?

Prof. Berg: Nein, ein Mindestalter ist nicht vorgegeben. Eine gewisse Reife und Erfahrung im Orchesterspiel wird aber erwartet. In den Musikvereinen beginnen Kinder in immer jüngerem Alter ein Instrument zu lernen. Im Spielleute-Bereich ist es die Norm, dass Kinder schon im Alter von sechs Jahren Flöte lernen oder Kleine Trommel. Mit neun Jahren können sie schon die erste Prüfung ablegen. Bläser und Akkordeon-Spieler sind etwas älter. Zwischen den Leistungsstufen D1, D2, D3 liegen jeweils zwei bis drei Jahre. In den Landesorchestern spielen auch Musikstudenten und in den Landesjugend-Jazzorchestern befinden sich Instrumentalisten,

die Berufsmusiker werden wollen. Deswegen bewegen sich die

Landesjugend – Big Bands leistungsmäßig in der Nähe von Profi-Big Bands.

Wir dürfen deshalb in Bamberg Darbietungen auf höchstem Niveau erwarten.

Wie waren die Erfahrungen bei den bisherigen drei Auswahlorchester-Wettbewerben?

Prof. Berg: Man kann an den Leistungen der bisherigen drei Wettbewerbe beständig Fortschritte feststellen. Die Orchester werden immer noch leistungsfähiger. Das liegt auch an der verbesserten Ausbildung der jungen Musiker. Noch vor 20, 30 Jahren war es üblich, dass ein Kind oder ein Jugendlicher im Verein von Vereinsangehörigen und nicht an einer Musikschule ausgebildet wurde. Meist waren das ein bis zwei Jahre Unterweisung am Instrument. Inzwischen arbeiten immer mehr Musikvereine mit Musikschulen zusammen, wie hier in Bamberg und im Landkreis Bamberg.

Wie oft treffen sich Auswahlorchester zur Probe?

Pro. Berg: Auswahlorchester treffen sich in der Regel sechsmal im Jahr an unterschiedlichen Orten zur Probe, also etwa alle zwei Monate an einem Wochenende. Mehr ist nicht möglich, weil die Auswahlorchester ihre Mitspieler dem Vereinsorchester nicht öfter bei dessen Proben entziehen wollen. Auswahlorchester geben mindestens ein Konzert pro Jahr, denn die Proben haben immer ein Aufführungsziel.

Wo liegt der Unterschied zwischen Laien- und Auswahlorchestern bei der öffentlichen Wahrnehmung?

Prof. Berg: Es gibt etwa 20 000 Laienorchester in Deutschland. Sie finden sich überwiegend in kleinen Gemeinden. Je kleiner der Ort, desto besser ist oftmals die Musik des dortigen Laienorchesters, weil ein großer Teil de Gemeinde dahinter steht. Im allgemeinen Kulturbetrieb werden diese 20 000 Laienorchester allerdings noch wenig wahrgenommen. Das lässt sich auch daran ablesen, dass in den Feuilletons überregionaler Tageszeitungen fast nie über Laienorchester berichtet wird. Bei Auswahlorchestern ist es anders. Immer mehr Auswahlorchestern gelingt es, in das Kulturangebot einer Stadt aufgenommen zu werden. Darüber erscheinen in den Lokalredaktionen Rezensionen. Das ist auch ein Grund für unseren Wettbewerb. Die Auswahlorchester werben durch ihre herausragenden Leistungen für das gesamte Laienmusizieren.

Der Auswahlorchester-Wettbewerb ist in fünf Kategorien unterteilt: Akkordeonorchester, Blasorchester, Jazzorchester, Spielleutekorps sowie Saiten- und Zupforchester. Aus welchem Bereich kommen die meisten Teilnehmer?

Prof. Berg: Die meisten Teilnehmer kommen aus Blasorchestern. Etwa 2/3 aller Laienorchester in Deutschland sind Blasorchester. Die nächste große Sparte sind mit 3000 Vereinen Spielleutekorps. Sie sind meist mit Flöten und Trommeln, zuweilen auch mit Blechblasinstrumenten besetzt, wie im Nordbayerischen Musikbund. Akkordeonorchester existieren in 1000 Vereinen, Zupforchester in 500 Vereinen. Die Anzahl der Jazzorchester ist schwer zu ermitteln, da sie nicht untereinander in einem Verband vernetzt sind. Spitzenorchester sind hier die Landesjazzorchester, von denen es in fast jedem Bundesland eines gibt. Ingesamt existieren in Deutschland 270 Auswahlorchester, die Hälfte davon sind Jugendorchester. 36 dieser 270 Auswahlorchester reisen nach Bamberg, darunter erstmals auch ein Hackbrettorchester.

Wie setzt sich die Jury zusammen und wie bewertet sie?

Prof. Berg: Für jede Sparte wird eine Jury mit drei Mitgliedern gebildet. Dabei handelt es sich um deutschlandweit angesehene Experten. Maximal kann jeder Juror 100 Punkte für einen Vortrag vergeben. Es gibt insgesamt zehn Kriterien, nach denen beurteilt wird. Dazu gehören beispielsweise Stimmung und Intonation. Dabei wird bewertet, ob alle Instrumente exakt auf eine Tönhöhe und sauber gestimmt sind und diese Tonhöhe auch während des Spiels halten. Dann wird die Klangqualität beurteilt, wie gut ist der Klang der Einzelspieler, der sich dann zum homogenen Registerklang mischen sollte. Die rhythmische Ausführung der Notenvorlage unterliegt ebenfalls einer Qualitätskontrolle. Die Juroren haben die Partitur der Kompositionen vor sich liegen. Sie vergleichen das Notenbild mit dem Klangbild. Für jedes von zehn Kriterien kann der Punktrichter bis zu zehn Punkte vergeben. Am Ende führt die Addition der Punkte aus den zehn Kriterien zu einem Ergebnis, das zwischen 60 bis 100 Punkten liegt.

Wurde bei den bisherigen Wettbewerben die Höchstpunktzahl von 100 schon einmal erreicht?

Prof. Berg: Ja, aber nur in sehr seltenen Fällen für Spitzenleistungen, die absolut keine Wünsche zur Verbesserung mehr offen lassen.

Wie lange werden die Orchester bei ihren Auftritten spielen und gibt es Mindestanforderungen?

Prof. Berg: Im Durchschnitt spielt jedes Orchester im Wettbewerb 20 Minuten. Es werden meist mehrere Stücke gespielt, wobei die Gesamtdauer des Auftritts zwischen 15 Minuten und 25 Minuten variieren kann. Alle Kompositionen werden von den Orchestern selbst ausgewählt. Es gibt keine Vorgaben, weil die Bedingungen unter denen ein Orchester arbeitet, sehr unterschiedlich sind. Beispielsweise haben Kreisorchester keine so große Auswahl an Spielern in allen Registern, um Musik mit hohem Schwierigkeitsgrad zu realisieren. Mindestanforderungen werden nicht gestellt. Allerdings fließt die Stückauswahl in eines der zehn Beurteilungskriterien mit ein, denn es wird auch beurteilt, ob das gewählte Musikstück zum Orchester und zu seiner Besetzung passt.

Die Teilnehmer des Auswahlorchester-Wettbewerbs müssen ihre Übernachtungs- und Anfahrtskosten selbst finanzieren. Bedeutet das, dass sich die Musiker aus Begeisterung und Freude engagieren?

Prof. Berg: Ja, das wissen wir von den Orchestern, die sich schon bei früheren Wettbewerben beteiligt haben. Da existiert eine hohe Motivation, die sich im Vorfeld schon über lange Zeit aufgebaut hat. Die Orchester haben den Ehrgeiz, Musikstücke bestmöglich zu interpretieren. Z.B. die Spielleute aus Nordrhein-Westfalen, die man am Sonntag, 7. November, in der Matinee um 11 Uhr hören wird, brennen darauf sich bereits zum vierten Mal im Wettbewerb zu bewähren.

Was wünschen Sie sich für den Wettbewerb am ersten November-Wochenende?

Prof. Berg: Ich wünsche mir angesichts des enormen Aufwands an Kraft und Energie, den die aus vielen Teilen Deutschlands angereisten Orchester aufbringen, dass sich die Bamberger Bevölkerung für den Wettbewerb und die abschließende Matinee am Sonntag interessiert. Sie werden in der wunderbaren Konzert– und Kongresshalle um 11.00 Uhr ein Konzert mit fünf Auswahlorchestern aus verschiedenen Orchestersparten einzeln und zusammen erleben. Diese einmalige Gelegenheit dürfte in Bamberg kaum noch einmal zu erwarten sein.

Zum Schluss: Was motiviert Sie persönlich, den Wettbewerb zu organisieren?

Prof. Berg: Für mich ist es die Freude darüber, dass Menschen, die nicht aus Erwerbsgründen auf das Musikmachen angewiesen sind, durch das Musizieren eine glücklich machende Lebensbereicherung finden, und dass weiterhin die Jugend im steigenden Maße für das Selbermusizieren gewonnen wird, denn sie zieht aus dem Orchestermusizieren einen Gewinn fürs Leben.