Leserbrief: "Mangelnde Regelkenntnis des Stadtwerkefahrpersonals"

leserbrief-symbolbild

Sehr geehrte Damen und Herren!

Wiederholt gab es bereits Anlaß, Sie, die Verantwortlichen der Stadtwerke Bamberg bzw. deren Verkehrsbetriebs, darauf hinzuweisen, daß zumindest ein Teil Ihres Fahrpersonals Lücken in der Kenntnis der Straßenverkehrs-Ordnung an den Tag legt, die relevant für die Verkehrssicherheit sind. Leider zeigten Sie sich bisher augenscheinlich nicht in der Lage (oder bereit?), Abhilfe zu schaffen.

Am Morgen des 26. Januars befuhr ich mit meinem Fahrrad-Anhängergespann den Regensburger Ring (Friedensbrücke) in östlicher Richtung. Ein Fahrer der Stadtbuslinie 906 fühlte sich bemüßigt, mich vor und während seines Überholvorgangs sowie später, als ich ihn an der Haltestelle passierte, aggressiv anzuhupen. Offensichtlich wollte er seinem Unmut darüber, daß ich nicht den sogenannten „Radweg“ benutzte, Ausdruck verleihen.

1. Radweg ist nicht anzufahren

Von Gaustadt kommend, müßte ein Radfahrer eine 15 cm hohe Bordsteinkante überwinden, um auf den Radweg zu gelangen. Das ist weder ungefährlich noch zumutbar und mit dem Hängergespann unmöglich. Somit gilt für die Anordnung der Radwegbenutzungspflicht:

„Ohne Rücksicht auf das Vorliegen der Voraussetzungen des Absatzes 1 ist ein Verwaltungsakt nichtig, … 4. den aus tatsächlichen Gründen niemand ausführen kann“ (Verwaltungsverfahrensgesetz, §44-2).

2. Das Fahrrad-Anhängergespann unterliegt nicht der angeordneten Benutzungspflicht

Der Zweirichtungsradweg weist eine lichte Weite (Summe von Fahrwegbreite und hier nicht vorhandenen seitlichen Sicherheitsräumen) auf, die im Maximum knapp über der Mindestbreite gemäß Allgemeiner Verwaltungsvorschrift zur Straßenverkehrs-Ordnung (VwV-StVO) und spürbar unter der Mindestbreite (2,50 m zzgl. seitlicher Sicherheitsräume) gemäß der Empfehlungen für Radverkehrsanlagen (ERA 2010) liegt. Selbst die Mindestbreite gemäß VwV-StVO wird mehrfach deutlich unterschritten. Von Regelmaßen darf nicht einmal geträumt werden.

Überhol- und Begegnungsverkehr mit mehrspurigen Fahrrädern oder Gespannen ist auf diesem Weg nicht ohne Eigengefährdung möglich. Es muß der Gehweg in Anspruch genommen werden (laut Rechtsprechung darf nicht einmal der Lenker in dessen Luftraum ragen: OLG Celle, Az. 9 U 190/00), wenn nicht der andere Radler riskieren will oder soll, über den Bordstein auf die Fahrbahn abzurutschen.

„Die Benutzung von in Fahrtrichtung links angelegten Radwegen in Gegenrichtung ist insbesondere innerhalb geschlossener Ortschaften mit besonderen Gefahren verbunden und soll deshalb grundsätzlich nicht angeordnet werden. …

Am Anfang und am Ende einer solchen Anordnung ist eine sichere Querungsmöglichkeit der Fahrbahn zu schaffen. Voraussetzung für die Anordnung ist, dass die lichte Breite des Radweges einschließlich der seitlichen Sicherheitsräume durchgehend in der Regel 2,40 m, mindestens 2,0 m beträgt …

Die vorgegebenen Maße für die lichte Breite beziehen sich auf ein einspuriges Fahrrad. Andere Fahrräder … wie mehrspurige Lastenfahrräder und Fahrräder mit Anhänger werden davon nicht erfaßt. Die Führer anderer Fahrräder sollen in der Regel dann, wenn die Benutzung des Radweges nach den Umständen des Einzelfalles unzumutbar ist, nicht beanstandet werden, wenn sie den Radweg nicht benutzen“ (VwV-StVO).

Anders als bei Einrichtungsradwegen läßt die Verordnung für Zweirichtungsradwege keinerlei Ausnahme vom Mindestmaß zu! Daß die sicheren Querungsmöglichkeiten fehlen, braucht wohl nicht eigens erwähnt zu werden.

Ein Radweg, der nicht einmal den für normale, einspurige Fahrräder geltenden Qualitätsanforderungen genügt, wie im vorliegenden Fall gar unbezweifelbar gegen geltende Vorschriften verstößt, darf wohl mit Fug und Recht als für ein mehrspuriges Gespann unzumutbar angesehen werden.

Ungeachtet der bereits genannten Mängel, ist die Anordnung der Benutzungspflicht ohnehin aus mehreren Gründen rechtswidrig. Unter anderem verbleibt kein ausreichender Raum für den fußläufigen Verkehr, der nach VwV-StVO und RASt06 (Richtlinien für die Anlage von Stadtstraßen) auch mit Kinderwagen oder Rollstuhl im Begegnungsverkehr ungehindert möglich sein muß. Auf dem Regensburger Ring ist der „Gehweg“ über weite Strecken kaum einen Meter breit. Und die unsägliche Situation an der Haltestelle bedarf nun wirklich keines Kommentars.

Doch selbst ein regelkonform angelegter Radweg darf nur benutzungspflichtig sein, wenn „auf Grund der besonderen örtlichen Verhältnisse eine Gefahrenlage besteht, die das allgemeine Risiko … erheblich übersteigt“ (StVO, §45-9). Eine solche ist auf dem Regensburger Ring, der einen übersichtlichen Verlauf aufweist, nicht erkennbar. Allein das Kraftfahrzeugaufkommen zur Beurteilung heranzuziehen oder gar allgemeine Sicherheitsüberlegungen zur Begründung einer Radwegbenutzungspflicht anzuführen, ist nach höchstinstanzlicher Rechtsprechung nicht zulässig. Gleiches gilt für Gefahrensituationen, die auf groben Regelverstoß der Verkehrsteilnehmer zurückzuführen sind (hier sind die Behörden gehalten, Regelbeachtung durchzusetzen). Zudem hat gerade der Radweg schon mehrfach Unfälle verursacht, mindestens einmal unter Beteiligung eines Bamberger Linienbusses.

Leider führt die unzulässig angeordnete Benutzungspflicht immer wieder dazu, daß Kraftfahrer gegenüber auf der Fahrbahn Radelnden aggressiv werden und sich dabei im Recht wähnen – auch Fahrpersonal Ihrer sowie anderer Unternehmen Omnibusse zählt zu diesem Kreis. Hupen und Schimpfen sind noch die harmloseren Verhaltensformen. Doch auch „Schall- und Leuchtzeichen darf nur geben, wer außerhalb geschlossener Ortschaften überholt oder wer sich oder Andere gefährdet sieht“ (StVO, §16-1).

Allein an besagtem Morgen bin ich auf dem Regensburger Ring, einer Strecke von nur 850 m, fünfmal von Pkw-Fahrern vorsätzlich bedrängt und geschnitten worden. Die Verantwortung für diese Nötigungen und Gefährdungen liegt zwar in erster Linie bei den Fahrzeugführern. Doch auch die Verkehrsbehörde, welche für den „Radweg“ zuständig ist, sowie Polizei und Justiz, die sich beharrlich weigern, derartiges zu ahnden, tragen ihren Teil bei.

Um so bedauerlicher ist, wenn selbst die Beschäftigten eines öffentlichen Dienstleisters solche Charakterdefizite aufweisen.

Mit freundlichen Grüßen
Wolfgang Bönig