Sonntagsgedanken: Vom Jüngsten Gericht oder vom Volkstrauertag

Symbolbild Religion
Pfarrer Dr. Christian Fuchs

Pfarrer Dr. Christian Fuchs

Beim österreichischen Dichter Karl Heinrich Waggerl las ich folgende Verse:

„Am Straßenrand, bedeckt mit Staub,
blüht eine Nessel, die ist taub.
Sie blüht bei Sonnenschein und Frost,
mühselig, aber doch getrost.
Dereinst am Tage des Gerichts
sie hört von den Posaunen nichts
wird Gott ihr einen Boten schicken,
der wird die taube Nessel pflücken
und in den siebten Himmel bringen.
Dort hört auch sie die Engel singen.“

Wenn Gott so viel Mühe auf eine Taubnessel verwendet, wie sehr wird er sich dann auch um uns kümmern! Der vorletzte Sonntag im Kirchenjahr befasst sich in der lutherischen Kirche mit dem Weltgericht am Ende der Zeiten, im staatlichen Bereich nennt man diesen Tag „Volkstrauertag“. Er erinnert uns an die vielen Toten der Kriege, fordert uns auf, einen persönlichen Beitrag zu leisten, damit unsere Gesellschaft ein wenig humaner, friedlicher, sozialer wird. Wenn wir das täten, wäre schon viel gewonnen.

Die Kirchen haben oft mit dem „Jüngsten Gericht“ gedroht, um die Leute bei der Stange zu halten, um ihnen etwas Moral beizubringen. Grundsätzlich war das in Ordnung, wurde aber oft missbraucht, um die Macht der Kirche zu festigen und Kritiker niederzubügeln. Doch die Vorstellung vom Weltgericht ist ein Teil des Evangeliums. Die Anstifter und Kriegsverbrecher, die klug Angepassten werden nicht davonkommen, auch die nicht, die ihre Familien, ihre Kollegen und Nachbarn tyrannisieren. Freilich zittern müssen Christen vor dem Weltgericht nicht: Wer wirklich auf Christus vertraut, wird aus innerem Antrieb das Gute zu tun versuchen und darf der Gnade Gottes gewiss sein, die Waggerls Gedicht humorvoll besingt.

Weitere Sonntagsgedanken

Pfarrer Dr. Christian Fuchs, www.neustadt-aisch-evangelisch.de

Infos zu Christian Karl Fuchs:

  • geb. 04.01.66 in Neustadt/Aisch
  • Studium der evang. Theologie 1985 – 1990 in Neuendettelsau
  • Vikariat in Schornweissach-Vestenbergsgreuth 1993 – 1996
  • Promotion zum Dr. theol. 1995
  • Ordination zum ev. Pfarrer 1996
  • Dienst in Nürnberg/St. Johannis 1996 – 1999
  • seither in Neustadt/Aisch
  • blind