"Sifinja – die eiserne Braut": Ein preisgekrönter Film über Kreativität und Technik in Afrika
(UBT). Hohes technisches Können, handwerklicher Stolz und kreative Energie, mitten in Afrika: Eindrucksvolle Bilder von Handwerkern im Sudan, die importierte Lastwagen umrüsten und neu konstruieren, zeigt ein Film der Bayreuther Ethnologin Valerie Hänsch. Für diese Produktion mit dem Titel „Sifinja – die eiserne Braut“ ist sie jetzt mit einem renommierten Nachwuchspreis der amerikanischen Society for Visual Anthropology (SVA) ausgezeichnet worden. Während der diesjährigen Konferenz der American Anthropological Association in New Orleans wird sie den Preis am 17. November entgegennehmen.
Der Film ist aus einem Projekt des Lehrstuhls für Ethnologie an der Universität Bayreuth hervorgegangen, das von der Deutschen Forschungsgemeinschaft gefördert wurde. Die mehrjährigen Forschungsarbeiten zum Thema „Bedfords Aneignung. Die soziale Organisation von handwerklicher Kreativität im Sudan“ befassten sich unter der Leitung von Professor Dr. Kurt Beck mit einem bisher wenig bekannten Kapitel afrikanischer Technikgeschichte.
Der LKW-Umbau im Sudan – ein Beispiel für die innovative Umgestaltung und soziale Aneignung moderner Technik
Seit Ende der 1960er Jahre wurde der Bedford TJ, ein von der Firma Vauxhall in Luton/England entwickelter LKW, nach Übersee exportiert – unter anderem nach Afrika in den Sudan. Hier entstanden Werkstätten, die den für englische Landstraßen konstruierten LKW in ein wüstentaugliches Fahrzeug verwandeln. Schmiede, Schreiner und Mechaniker schaffen dabei komplett neu aufgebaute Automobile. Diese sind bestens geeignet für Transporte auf den Überlandpisten und Fahrspuren, die das unwegsame Hinterland des Sudan mit den großen Märkten in den Städten verbinden.
In den Werkstätten, die für die Bedürfnisse und die Kaufkraft der einfachen Leute produzieren, hat sich eine innovative, eigenständige Tradition des LKW-Baus entwickelt. Die sudanesischen Handwerker vergleichen den Bedford TJ wegen seiner Federung und der bequemen Fahrweise mit einer „Sifinja“: einer Kunststoff-Sandale, die weich und formbar ist. Indem die Lastwagen vollkommen abgebaut und in höchst unorthodoxer Weise neu aufgebaut werden, vollzieht sich ein Prozess der Aneignung und Neuinterpretation der Fahrzeuge, der in der Soziologie als „gesellschaftliche Konstruktion technischer Artefakte“ charakterisiert wird. Als eine „schimmernde Braut“ bezeichnen die Handwerker einen LKW, wenn sie ihn mit Präzision und ästhetischer Originalität umgerüstet haben.
Mittlerweile ist die Automobilproduktion in Luton längst eingestellt worden, aber die Tradition des LKW-Umbaus ist im Sudan weiterhin lebendig. Heute werden Bedfords aus den Altbeständen der afrikanischen Nachbarländer, aus den Golfstaaten und dem indischen Subkontinent zum Umbau und Wiederaufbau importiert. Mehr noch, die sudanesischen Werkstätten übertragen die Prinzipien des Bedford-Umbaus erfolgreich auf die moderneren Modelle der japanischen und europäischen Hersteller. Durch ein „teaching by doing“ vermitteln sie technisches Wissen und manuelle Fertigkeiten dem Nachwuchs, der den LKW-Umbau mit eigenen Konzepten weiterentwickelt.
Der Film als Erkenntnismittel der ethnologischen Forschung
Valerie Hänsch ist es als Drehbuchautorin, Regisseurin und Kamerafrau gelungen, diese Prozesse und deren soziale Organisation auf eine bisher einzigartige Weise ins Bild zu setzen. Der Film lässt die Handwerker in ihren Werkstätten selbst zu Wort kommen: Sie erläutern die technischen Innovationen und blicken zurück auf den Wandel ihres Handwerks. „Sifinja – die eiserne Braut“ bietet damit beispielhafte Einblicke in eine eigenständige, sozial gestaltete Technikentwicklung in Afrika.
Bei der Entstehung des Films waren wissenschaftliche Forschung und Dreharbeiten miteinander verzahnt. Von 2006 bis 2008 hat Valerie Hänsch als Forschungsassistentin an dem DFG-geförderten ethnologischen Projekt im Sudan mitgearbeitet. Sie hat die Kamera als ein Forschungsinstrument eingesetzt und die Methode des Video-Elizitierens verwendet. Dabei sahen sich die Forscher gemeinsam mit den Handwerkern die Filmaufnahmen der komplexen technischen Prozesse an und diskutierten mit ihnen darüber. „Die Aufnahmen dienten – im Unterschied zur üblichen Verwendung audiovisueller Daten – nicht nur zur Illustration oder Dokumentation, sondern waren vor allem ein Erkenntnismittel. Sie haben wesentlich dazu beigetragen, den Vorgang des LKW-Umbaus und die handwerkliche Arbeit zu erschließen,“ erläutert die Bayreuther Regisseurin.
Preisverleihung in New Orleans
Die Society for Visual Anthropology, die in jedem Jahr das „Film, Video and Interactive Media Festival“ veranstaltet, ist eine Sektion der American Anthropological Association (AAA). Daher ist es bereits Tradition, dass das Festival im Rahmen der Jahreskonferenz der AAA stattfindet – in diesem Jahr vom 17. bis 20. November 2010 in New Orleans. Hier wird auch der preisgekrönte Film „Sifinja – die eiserne Braut“ zur Aufführung kommen. Mit Unterstützung der Bayreuth International Graduate School of African Studies (BIGSAS), an der Valerie Hänsch an einem Dissertationsprojekt arbeitet, wird sie zu der Konferenz reisen und den Preis entgegennehmen.
Weitere Informationen („Blick in die Forschung“ als pdf, bes. S. 4 – 6 zu geplanten Aufführungen des Films und zur Regisseurin) sowie Bilder zum Download:
http://www.uni-bayreuth.de/blick-in-die-forschung/33-2010-Bilder
Filmdaten:
Sifinja – Die eiserne Braut
2009, 70 Min., DV, OmdtU Sudan/Deutschland
Drehbuch, Regie, Kamera, Ton: Valerie Hänsch
Schnitt: Georg Höngdobler, Valerie Hänsch
Projektdesign, Interviews: Kurt Beck
Übersetzung: Kurt Beck, Haydar Muhamad Ali Hassan, Valerie Hänsch
Untertitel: Kurt Beck, Valerie Hänsch, Georg Höngdobler
Musik: al Ustadh Abd al-Qadir Salim
Ausführliche Filminformationen, mit Trailer:
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