Universität Bayreuth: Neue Erkenntnisse zur Alzheimer-Erkrankung
Den Ursachen der Alzheimer-Erkrankung auf der Spur: Neue Einsichten in zellbiologische Prozesse
Die zellbiologischen Prozesse, die neurodegenerative Erkrankungen verursachen oder verstärken, sind bis heute nur unzureichend erforscht. Ein internationales Team um Dr. Ralf Braun von der Universität Bayreuth und Prof. Dr. Frank Madeo von der Universität Graz hat jetzt molekulare Zusammenhänge entdeckt, die dazu beitragen können, insbesondere die Entstehung und den Verlauf der Alzheimer-Krankheit besser zu verstehen. In der aktuellen Ausgabe der Zeitschrift „Cell Reports“ stellen die Wissenschaftler aus Bayreuth und Graz zusammen mit Partnern aus Maastricht, Freiburg und Paris ihre Forschungsergebnisse vor. Die neuen Erkenntnisse, die sie in enger Kooperation gewonnen haben, werden möglicherweise dabei helfen können, medizinische Wirkstoffe gegen die Alzheimer-Krankheit zu entwickeln.
Gestörter Proteinabbau fördert die Vergiftung von Nervenzellen
Schon seit längerer Zeit ist bekannt, dass sich in den Nervenzellen von Alzheimer-Patienten größere Mengen mutierter Ubiquitin-Moleküle ansammeln. Diese hohe Konzentration stört den Abbau von Zellproteinen und schädigt die Mitochondrien, die als ‚Kraftwerke der Zelle‘ lebenswichtige Stoffwechsel-Funktionen erfüllen. Infolgedessen schreitet die Degeneration der Nervenzellen weiter voran.
Die Autoren der neuen Studie haben nun genauer analysieren können, auf welche Weise mutiertes Ubiquitin den Fortschritt der Krankheit befördern könnte. Der gestörte Proteinabbau hat nämlich zur Folge, dass in und an den Mitochondrien der Zellen vermehrt basische Aminosäuren – nämlich Arginin, Lysin und Ornithin – gebildet werden. Der Anstieg dieser Aminosäuren erzeugt in den Zellen oxidativen Stress. Dies führt zu einer Schädigung der Mitochondrien. Infolgedessen setzen die Mitochondrien das Protein Cytochrom c sowie weitere Faktoren frei, die den Tod der Zelle auslösen können.
Ein Protein schützt die Mitochondrien, die ‚Kraftwerke der Zellen‘
Die Forschungsgruppe hat aber zugleich einen Mechanismus entdeckt, der die Zellen vor den Folgen des mutierten Ubiquitins schützt. Zwar wird die Störung des Proteinabbaus durch diesen Mechanismus nicht beseitigt. Aber ein spezielles Protein namens „Vms1“ ist in der Lage, den Anstieg basischer Aminosäuren an den Mitochondrien zu unterdrücken. Auf diese Weise sorgt es dafür, dass sich die Ansammlung mutierten Ubiquitins nicht zerstörerisch auf die Zellen auswirkt.
„Interessanterweise ist Vms1 ein Bestandteil des Prozesses, der in der Zelle für einen zügigen Proteinabbau sorgt und daran von mutiertem Ubiquitin gehindert wird“, erklärt Dr. Ralf Braun. „Durch Aktivierung von Vms1 wird ein spezieller Proteinabbauweg verstärkt, der die Zellen schützt, aber keinen Einfluss auf die Menge an mutiertem Ubiquitin hat. Um die zellbiologischen Prozesse, die an der Alzheimer-Erkrankung ursächlich beteiligt sind, weiter aufklären zu können, müssen wir jetzt herausfinden, wie genau es dem Protein Vms1 gelingt, die Zellen vor erhöhten Mengen an basischen Aminosäuren zu schützen.“ Der Bayreuther Zellforscher ist Habilitand am Institut für Zellbiologie der Universität Bayreuth. Er hat für die jetzt in „Cell Reports“ vorgestellten Untersuchungen eine Förderung der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) erhalten.
Die Wissenschaftler haben ihre neuen Erkenntnisse überwiegend mithilfe von Bäckerhefe gewonnen, die häufig als Modellorganismus für zellbiologische Forschungen zum Einsatz kommt. „Wir sind derzeit zuversichtlich, dass sich unsere Ergebnisse in weiteren Modellsystemen für die Alzheimer-Krankheit bestätigen werden“, meint Dr. Braun. „In diesem Fall wird es eines Tages vielleicht möglich sein, die schützende Funktion von Vms1 für die Entwicklung medizinischer Wirkstoffe zu nutzen – mit dem Ziel, den Verlauf der Alzheimer-Erkrankung zu verlangsamen.“
Veröffentlichung:
Braun et al., Accumulation of Basic Amino Acids at Mitochondria Dictates the Cytotoxicity of Aberrant Ubiquitin, in: Cell Reports (2015), Vol. 10(9), pp. 1557-1571,
DOI 10.1016/j.celrep.2015.02.009
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