"Wer rettet wen?" in Bamberger Lichtspiel-Kino gestartet – Filmtipp!

Die Krise als Geschäftsmodell auf Kosten von Demokratie und sozialer Sicherheit

Wem nützt die sogenannte Krise? Licht ins Dunkel bringt der neue Dokumentarfilm WER RETTET WEN? vom Hamburger Filmduo Leslie Franke und Herdolor Lorenz (die Macher von WATER MAKES MONEY , 2011 und BAHN UNTERM HAMMER , 2007). Premiere feierte der Film am 11. Februar 2015 zeitgleich in mindestens 150 Städten quer durch Europa.

Seit nun sechs Jahren schaffen Politiker immer neue Rettungsfonds zur Rettung von Banken und Ländern. Es heißt, würden die „systemrelevanten“ Banken nicht gerettet, gingen gleich ganze Volkswirtschaften zugrunde; würden vereinzelte Staaten nicht vor der Staatspleite gerettet, gleich die ganze EU. Deswegen sei es unumgänglich Milliarden Steuergelder in Rettungsschirme zu stecken, denn schlussendlich rette sich damit der Bürger und Steuerzahler selbst. Der Film WER RETTET WEN? zeigt, wer dabei wirklich gerettet wird. Nie ging es um die Rettung der Griechen, nie um die der Spanier oder Portugiesen …

Es wäre sicherlich unangemessen und verschwörerisch zu behaupten, die Banken und ihre Gläubiger hätten die Finanzkrise geplant, aber wenn man der Sache auf den Grund geht – so wie es der Film tut – zeigt sich doch, dass gerade sie, die erheblich die Finanz- und Eurokrise verursachten, aus der Krise Kapital geschlagen haben. Sie haben es geschafft die Finanzkrise sogar in ein profitables Geschäftsmodell umzumünzen. In den Worten von Prof. Hans-Werner Sinn, Präsident des ifo Instituts für Wirtschaftsforschung: „Es ist geradezu das Geschäftsmodell der Banken, darauf zu setzen, dass im Krisenfall, die Staatengemeinschaft zur Rettung herbeigerufen wird. In guten Zeiten macht man Gewinne, schüttet sie aus an die Aktionäre, das Geld ist weg. In schlechten Zeiten setzt man darauf, dass der Steuerzahler zur Hilfe kommt und die Verluste trägt.“

Recht auf Schulden statt sozialer Rechte

Zu den Unterstützern von WER RETTET WEN? zählen Organisationen wie ATTAC , Greenpeace, LobbyControl oder Oxfam, aber auch ver.di und die gewerkschaftsnahe Hans-Böckler-Stiftung. Denn auch für Gewerkschaften ist das Filmthema von hoher Relevanz. Die Rettung maroder Banken wird zur Möglichkeit schließlich Kündigungsschutz sowie Sozial- und Arbeitsrechte systematisch abzubauen. In einem Interview mit dem Wallstreet Journal am 13.02.2012 macht Mario Draghi – einst Vizepräsident von Goldman Sachs und heute Präsident der EZB – daraus keinen Hehl: „Das europäische Sozialmodell ist Vergangenheit.“ Die Rettung des Euro und damit der Eurozone werde viel Geld kosten. Das bedeute auch, vom europäischen Sozialmodell Abschied zu nehmen.

Die EU-weite Rettungspolitik erweist sich im Film als ein weiterer Meilenstein einer neoliberalen Entwicklung, im Zuge derer die Reichen immer reicher und die Armen immer ärmer werden. Privat- und Staatshaushalte werden zugunsten der Finanzwelt geschröpft. Soziale Rechte werden durch das Recht auf Schulden ersetzt. Schulden sind ein probates Mittel, um die Menschen vom freien Denken und Handeln abzuhalten. Das zeigt sich u.a. am Beispiel des US-amerikanischen Hochschulsystems: kaum ein US-amerikanischer Student verlässt die Universität ohne einen beträchtlichen Berg Privatschulden angehäuft zu haben. Ein Schuldenberg, so groß, dass die meisten ihn ihr Leben lang nicht abbezahlen können. In Europa sind wir noch nicht ganz so weit. Aber überall, wo die Troika bestimmt, wie die Schulden zuverlässig bedient werden können, geht es vor allem um die Abschaffung öffentlicher Dienstleistungen wie Schule, Universität, Gesundheitswesen und Renten. Privatisierung heißt das Zauberwort. Schüler werden zu Dienstleistungsempfängern, Patienten zu Kunden.

Nicht nur die Privathaushalte machen vermehrt Schulden, sondern auch Staaten. Seit der Krise 2007 haben sich die Staatschulden der sog. westlichen Länder im Schnitt fast verdoppelt – nicht zuletzt wegen der bis heute fortgesetzten Bankenrettungen. Damit die einen fleißig Schulden machen können, wird es den Kreditinstituten einfach gemacht, Kredite zu vergeben. Zum Beispiel mit Hilfe der Nullzinspolitik, aber auch mit Hilfe von Derivaten, die es den Banken ermöglichen mit geringstem Eigenkapital praktisch unbegrenzt Kredite zu vergeben. Mario Draghi ist daher sehr darum bemüht, zusammen mit dem weltgrößten Hedgefonds „Blackrock“, ein Konzept zu entwickeln, welches das Vertrauen in die Kreditverbriefungen (Derivate) wieder herstellen soll. Die daraus resultierende „Lösung“: Nun will die Europäische Zentralbank marode Kreditverbriefungen aufkaufen – in der Höhe einer Billion Euro Steuergelder!

So kommt es, dass heute die Schulden der großen Masse das Vermögen (Kredite) der wenigen Superreichen sind. Noch mehr als es vor der Krise der Fall war, haben die Gläubiger die Staaten und Privatschuldner fest im Griff. Da hilft auch das blinde Streben nach Wirtschaftswachstum nicht weiter.

Es geht auch anders

Der Film WER RETTET WEN? ist allerdings kein Aufruf zur Hoffnungslosigkeit. Er zeigt auch verschiedene Beispiele der Umverteilung von oben nach unten, vor allem durch Entschuldung. Eine politische Alternative sind sogenannte Schuldenaudits, wie sie in Lateinamerika vorgenommen wurden. In Ecuador wurde so die komplette Entschuldung des Staats erreicht. In Island hat sich das Volk in mehreren Volksabstimmungen der Bankenrettung durch die Bürger verweigert. Die Gläubiger wurden nicht entschädigt. In den USA gibt es organisierte Schuldenstreiks, bei denen sich Menschen kollektiv der Tilgung ihrer Privatschulden verweigern. Das sind vielleicht keine revolutionären Schritte, aber gewiss doch Schritte in eine Richtung ohne Alternative.

Ein Film, der uns alle angeht

Das Allgemeinwohl hat angesichts der Macht des Finanzmarkts nur eine Chance, wenn Bürger anfangen, ihre Interessen in dem „Spiel der Milliarden“ zu erkennen, die wesentlichen Strukturen und Mechanismen des Finanzkapitals zu durchschauen. Das betrifft die Erwachsenen von heute, aber natürlich mindestens genauso, die Erwachsenen von Morgen. WER RETTET WEN? soll ein Werkzeug dazu sein.

http://whos-saving-whom.org/index.php/de/ (Vorsicht, Video mit Ton startet automatisch!)

Der Film läuft in Bamberg noch bis Donnerstag, 19.2.2015 (MI keine Vorstellung), siehe http://www.lichtspielkino.de/week/?sort=lichtspiel

Hintergründe

Film von unten – Ein partizipatives Konzept zu Finanzierung und Verbreitung

„Wer Rettet Wen“ entsteht als „Film von unten“ – finanziert, verbreitet und gezeigt von denen, die ihn sehen wollen, die wollen, dass der Film gesehen wird, die dieses Hilfsmittel zur Aufklärung nutzen. Die beiden Filmemacher Leslie Franke und Herdolor Lorenz legen besonders viel Wert darauf, dass ihre Filme nicht nur gerne gesehen werden, sondern interessierten Personen, Gruppen und/oder Organisationen auch einen direkten Nutzen bringen, als Hilfsmittel zur Aufklärung dienen. Aus dem Grund werden die späteren Zuschauer und Nutznießer viel früher in die Herstellung des Films eingebunden, als es üblicherweise der Fall ist.

Finanzierung

Das finanzielle Fundament des Films bilden die Spenden von Privatpersonen und Organisationen, die wollen, dass der Film zustande kommt. Zu den Unterstützern von „Wer rettet wen?“ zählen Organisationen wie ATTAC, Greenpeace, LobbyControl oder Oxfam, aber auch ver.di und die gewerkschaftsnahe Hans- Böckler-Stiftung. Aktuell sind insgesamt 180.218,09 € zusammengekommen. Eine Crowdfunding Kampagne Marke Eigenbau also. Filme, die die herrschenden Vorstellungen hinterfragen und den Mächtigen kritisch auf die Finger sehen, können heutzutage kaum noch durch traditionelle Finanzierung entstehen. Die letzten derartigen Filme von Leslie Franke und Herdolor Lorenz „Water Makes Money“ und „Bahn unterm Hammer“ – die nach dem gleichen Finanzierungsmodell aufgezogen wurden – haben gezeigt, dass Fernsehsender und Filmförderungen eher dazu geneigt sind, einen Film wie diesen zu unterstützen, wenn sie Gewissheit haben, dass der Film bereits viele Unterstützer hat. Anders als es bei den genannten Vorgängerfilmen hat sich kein TV-Sender finden lassen, der sich an dem Film „Wer Rettet Wen?“ beteiligen will. Dank der 180.218,09 € die durch Spenden eingenommen wurden, haben dafür zwei Filmförderungen ihre Beteiligung zugesagt. Mit jedem Förderbeitrag wächst die Chance, dass das Projekt in die Öffentlichkeit kommt. Bei „Water Makes Money“ hat genau dieses Konzept wunderbar geklappt: Mit insgesamt über 1,5 Millionen ZuschauerInnen war die Aufklärungswirkung des Films einzigartig.

Verbreitung

Um sicherzustellen, dass „Wer Rettet Wen“, ebenso wie seine Vorgängerfilme, ein für interessierte Organisationen nützliches Kampagnenmaterial ist, bemühen sich die Macher von „Wer Rettet Wen“, den Film in bereits existierende Kampagnen einzubetten. Organisationen, die in den vom Film behandelten Themenbereichen tätig sind, werden bereits vor dem Erscheinen des Films kontaktiert und in die Verbreitung des Films eingebunden. So erhält z.B. jede interessierte Organisation oder Gruppe von Leuten die Gelegenheit eine Premierenveranstaltung zu organisieren.

Und weil die Botschaft des Films nicht nur an deutsche Zuschauer gerichtet ist, wurden von Anfang an auch Organisationen aus anderen Ländern miteinbezogen. Der Film wird ab dem Tag der Erscheinung auf Deutsch, Französisch, Englisch, Spanisch, Griechisch und Italienisch zur Verfügung stehen.

Die Premiere

Am Mittwoch, dem 11. Februar 2015 feierte „Wer Rettet Wen?“ gleichzeitig in vielen hunderten Kinos und anderen Veranstaltungsorten in ganz Europa Premiere! Damit möglichst viele Leute in Europa (und darüber hinaus) den Film möglichst bald sehen aber auch anderen zeigen können, wird der Film gleich ab dem Tag seiner Premiere allen jenen zur Verfügung gestellt, die Interesse daran haben eine Filmvorführung zu organisieren, sei es in einem Kino oder anderenorts. Das Team von “Wer Rettet Wen” sorgt dafür, dass der Film rechtzeitig dort ankommt, wo er gezeigt werden soll und versorgt die Veranstalter mit dem nötigen Kampagnenmaterial (Flyer, Poster, Trailer). Das Konzept möglichst vieler dezentraler Filmvorführungen als Hilfsmittel zur politischen Information und Mobilisierung hat sich bereits bei den letzten Filmen von Leslie Franke und Herdolor Lorenz „Bahn unterm Hammer“ und „Water Makes Money“ bewährt.

Einen detaillierten Leitfaden dazu, wie Organisationen oder Gruppen ihre eigene Premierenveranstaltung aufziehen können, gibt es unter http://whos-saving-whom.org/index.php/de/weg-zur-premiere