Universität Bamberg: Mehr europäische Identität durch Zusammenarbeit

Symbolbild Bildung

Bamberger Sozialpsychologe forscht zur Re-Nationalisierung der europäischen Mitgliedsstaaten

Bei den Europawahlen 2014 triumphierten vielerorts nationalistische und Anti-EU-Parteien. Welche psychologischen Mechanismen hinter dem neuen Nationaldenken stecken, untersucht der Bamberger Sozialpsychologe Oliver Lauenstein gemeinsam mit seinem Kollegen Gerhard Reese von der Universität Leipzig. Die Forscher machen deutlich: Der neue Nationalismus-Trend ist mehr als ein Krisenphänomen. Und mit einer ausgestandenen Krise wäre das Problem längst nicht vom Tisch.

Die Europawahlen 2014 liegen hinter uns. Von einem politischen Erdrutsch war in den vergangenen Wochen in den Medien vielfach die Rede. Damit gemeint: Das Erstarken nationalistischer und Anti-EU-Parteien. Nach derzeitigem Stand werden sie rund 140 der 751 Sitze einnehmen.

Doch warum fühlt sich der Deutsche lieber deutsch als europäisch? Schließlich ist auch im Hinblick auf die aktuelle Krise die wirtschaftliche und soziale Situation in Europa ungleich besser als in weiten Teilen der Welt, wie die Zahlen des Human Development Index belegen. Jedoch: „Damit Menschen eine soziale Identität akzeptieren, müssen sie wissen, was die Gruppe ausmacht“, betont Reese. Da sei es einfacher sich auf vermeintlich ur-deutsche und greifbare Tugenden wie Fleiß und Disziplin zu berufen, als die eher abstrakten europäischen Werte Solidarität, Freiheit und Kooperation zu leben: „Je mehr und abstrakter die Gruppe wird, desto schwieriger ist es, einen gemeinsamen Nenner zu finden.“

Doch Lauenstein und Reese sind überzeugt: Eine gleichermaßen nationale wie europäische Identität ist nicht nur wünschenswert – sondern aus sozialpsychologischer Sicht auch möglich. „Vor allem, wenn die Werte auf nationaler und europäischer Ebene auch zusammenpassen und sich gegenseitig ergänzen“, betont Lauenstein und verweist exemplarisch auf Italien. Dort wurden vor der Krise die italienische und europäische Identität als sich gegenseitig ergänzend wahrgenommen worden.

Welche Möglichkeiten gibt es, um die europäischen Nationen stärker zu vereinen? Diverse psychologische Studien raten zur Reduktion von Vorurteilen und Animositäten: Die beteiligten Gruppen sollen durch gemeinsame Anstrengung ein Problem lösen. Auf die Europäische Union übertragen hieße dies, ein länderübergreifendes Problem wie die Umweltkrise durch ein gemeinsames Projekt ,umweltfreundliches Europa‘ angehen und so zur Entstehung eines ,wir Europäer haben es geschafft‘-Gefühls beitragen. In der Psychologie etabliert ist zudem die Kontakthypotese. Der zufolge führt der direkte, institutionell geleitete Kontakt wie zum Beispiel bei einem Schüleraustausch zu einem besseren, gegenseitigen Verständnis von Gruppen – hier gibt es aber bereits konträre Befunde.

Weitere Informationen:
www.uni-bamberg.de/kommunikation/news/artikel/europawahlen_2014
http://de.in-mind.org/article/besuchen-sie-europa-solange-es-noch-steht-zur-frage-europaeischer-identitaet-in-zeiten-der
www.mdpi.com/2076-0760/3/1/160