Erfahrungsbericht einer Bamberger Freiwilligen in Spanien

Schwimmkurse, Theaterspielen oder einfach Bus fahren – die Aufgaben der Bambergerin Isabel Höchstetter sind bunt. Ein Jahr lang arbeitet sie als Freiwillige mit Menschen mit Behinderungen in der spanischen Stadt Toledo. Hier ihr Bericht:

Isabel Höchstetter

Isabel Höchstetter

Dass ich nach dem Abitur ins Ausland gehen möchte, wusste ich ganz genau. Spanien hat mich interessiert, weil es im Süden liegt und dort eine sehr schöne Sprache gesprochen wird. Außerdem ist es ein Land, von dem man sagt, dass alle Bewohner laut sind, viel lachen und eine Kultur der „fiesta“ und „siesta“ ausleben. Jetzt absolviere ich gerade den „Europäischen Freiwilligendienst“ in der atemberaubenden Stadt Toledo, im Zentrum Spaniens. Vor meiner Entscheidung habe ich mich mit Unterstützung von www.VoluNation.com über die Möglichkeiten informiert, sich im Ausland als Freiwillige zu engagieren. Die Hälfte meiner insgesamt 11 Monate in Toledo sind schon viel zu schnell vergangen.

Meine Arbeitsstelle in Spanien „CECAP – Servicio de Capacitación“ – ist ein Service für Menschen mit Behinderung, welcher mit einem wirklich anderen Modell für die Menschenrechte wie das unabhängige Leben oder das Recht auf einen Arbeitsplatz kämpft. Die Organisation kann man nicht mit einem herkömmlichen Zentrum für Behinderte vergleichen. Hier läuft nichts isoliert ab, das Ziel, die Normalisierung des Alltags, durch „inklusive Projekte“ ist immer im Blick. Es gibt auch kein festes Programm, sondern die Wünsche der Personen mit Behinderung geben den Weg vor.

Trotz Einschränkungen ein selbstständiges Leben führen

Ich arbeite viel in alltäglicher Umgebung, sodass wir zusammen Bus fahren, einkaufen, abends ausgehen und viele Freizeitaktionen unternehmen. Auch im Fitnessstudio oder bei Schwimmkursen begleite ich die „chicos“. Meine Arbeit ist sehr vielseitig, sodass sich mein Stundenplan fast wöchentlich verändert. Nichtsdestoweniger lässt sich die Arbeit im Büro nicht vermeiden. Dort planen wir neue Aktionen oder füllen Register und Auswertungen zur Methodologie aus. Momentan entwickle ich auch mein eigenes Theaterprojekt, in dem wir einige der zahlreichen Legenden Toledos in den Straßen der Altstadt nachspielen werden.

Außerdem lebe ich mit Elena und Jorge, beide mit Behinderungen, und einer anderen Freiwilligen namens Haya aus Jordanien in einer WG. Unser Zusammenleben ist meistens unkompliziert und fröhlich. Die beiden Spanier sind sehr selbstständig, treffen täglich ihre Freunde und haben Humor. Es ist sehr angenehm mit ihnen, und abgesehen von manchmal vergessenen Putzarbeiten gibt es keinen Ärger. Durch meine jordanische Mitbewohnerin Haya, die ich inzwischen als Schwester ansehe, erfahre ich außerdem sehr viel über das Leben im Nahen Osten und den Islam. Wir können gut zusammen lachen und ich fühle mich in unserer Wohnung schon richtig zu Hause.

Natürlich gibt es immer wieder Dinge, die nicht so reibungslos ablaufen.

Bei der Arbeit gibt es sehr viele gute Tage, aber wenn dann mal ein schlechter kommt, kann die Situation sehr schwierig zu regeln sein und man muss lernen, strikt durchzugreifen. Ich lerne aber nicht nur das „Strengsein“, sondern allgemein einen sehr offenen und fröhlichen Umgang mit Menschen aller Altersgruppen. Besonders die Herzlichkeit der Spanier imponiert mir: Mit Kosenamen wie „Guapa“ und „Bonita“ wird jede Art von Gespräch gleich lockerer und vertrauter.

Wirtschaftskrise deutlich zu spüren

Trotz aller Lebensfreude fällt jedoch auf, dass die Wirtschaftskrise den Bewohnern schwer zu schaffen macht. Firmen und vor allem gemeinnützige, soziale Organisationen müssen Personal entlassen oder ganz schließen. Im Krankenhaus meines Viertels werden zahlreiche Räume medizinisch nicht mehr genutzt. Sie liegen brach. Diese Woche sind zwei ältere Personen in Betten auf dem Gang gestorben. Liegt es am Personalmangel? Die Jugendlichen, wenn sie sich auch mit noch so viel Aufwand dem Studium widmen, sehen ihrer beruflichen Zukunft wenig rosig entgegen. Sie hoffen auf eine Besserung durch die eingeleiteten Reformmaßnahmen der spanischen Regierung oder verlassen das Land. Letzteres sehr zum Leidwesen der Eltern und Großeltern.

Die Stimmung ist bei jenem Thema zwar gedrückt, aber man darf deswegen ja nicht vergessen das Leben zu genießen und gesellig zu bleiben. So ist die Mentalität der Spanier. Funktioniert beispielsweise bei Versammlungen oder Vorbereitungen von Events etwas nicht wie geplant, wird sich nicht beschwert, sondern die in deutscher Denkweise „verschwendete“ Zeit wird genutzt, um sich miteinander zu unterhalten und geduldig positiv zu bleiben. Es lohnt sich ja nicht, sich aufzuregen, wenn es am Ende sowieso irgendwie klappt. Die Improvisation ist das beste Werkzeug zum Krisen- management und die Spanier sind schließlich die Meister der Flexibilität und Spontanität.

Einen kulturellen Unterschied stellt außerdem der spanische Tagesablauf dar: Er ist komplett um drei Stunden nach hinten verschoben. Zwischen 22 und 23 Uhr wird zu Abend gegessen und es passiert nicht selten, dass jemand 21 Uhr als „nachmittags“ bezeichnet.

Übrigens haben sich meine anfangs angeführten „Klischees“ bezüglich „fiesta und siesta“ zu meinem Entzücken voll und ganz bestätigt.

Über VoluNation

VoluNation ist Spezialist für weltweite Freiwilligenarbeit. Neben einem umfassenden Beratungsangebot bietet VoluNation kurzfristig buchbare Freiwilligenprojekte in mehreren Staaten Afrikas, Asiens und Südamerikas an. Weitere Informationen sind im Internet unter www.VoluNation.com erhältlich.