Rückwanderung – ein Beitrag zur Regionalentwicklung in Ostdeutschland
(UBT) Die wirtschaftliche Entwicklung in den neuen Bundesländern wird durch die Abwanderung gut ausgebildeter Arbeitskräfte erheblich belastet. Unternehmen und Kommunen werben deshalb gezielt für eine Rückkehr. Aber wie erfolgreich sind solche Initiativen? Welche Personengruppen wandern aus den alten Bundesländern nach Ostdeutschland zurück, und welche Gründe sind dafür ausschlaggebend? Welche Erfahrungen machen ostdeutsche Unternehmen mit Rückwanderern aus dem Westen? Mit diesen Fragen befasst sich eine neue Fallstudie von Prof. Dr. Anke Matuschewski, die an der Universität Bayreuth den Lehrstuhl für Wirtschaftsgeographie innehat.
Die Fallstudie ist im Rahmen eines von der Hans-Böckler-Stiftung geförderten Forschungsprojektes entstanden. Sie erhebt – wie die Autorin betont – keinen Anspruch auf Repräsentativität und hat insbesondere die Funktion, das Thema für umfassendere Folgeuntersuchungen konzeptionell und methodisch zu erschließen. Die „Zeitschrift für Wirtschaftsgeographie“ hat das Design und die Ergebnisse dieser Untersuchung, die sich zugleich mit neueren Konzepten der Migrationsforschung auseinandersetzt, in ihrer aktuellen Ausgabe veröffentlicht.
In zwei ausgewählten Bundesländern, in Sachsen und in Mecklenburg-Vorpommern, wurden strukturierte Fragebögen an Rückwanderer und an deren Arbeitgeber versandt. Diejenigen Adressaten, die sich an der Befragung beteiligten, wurden zu persönlichen Interviews eingeladen. Insgesamt füllten 57 Rückwanderer und ebenso viele Arbeitgeber die Fragebögen aus, elf bzw. acht von ihnen nahmen an vertiefenden Interviews teil. Trotz dieser relativ schmalen Datenbasis ist die Untersuchung aufschlussreich, denn die Befunde weisen in vieler Hinsicht in die gleiche Richtung.
Rückwanderung und beruflicher Aufstieg
Die Rückwanderer, die an der Studie teilgenommen haben, sind zwischen 30 und 45 Jahre alt. Sie sind im verarbeitenden Gewerbe (26,9 %), in Universitäten und Forschungseinrichtungen (13,5 %) oder in Dienstleistungsfirmen (13,5 %) berufstätig. Mehr als drei Viertel besitzen einen Hochschul- oder Berufsschulabschluss, womit ihr Qualifikationsniveau deutlich über dem jeweiligen landesweiten Durchschnitt liegt. Nach ihrem Wechsel in die neuen Bundesländer ziehen mehr als 90% der Rückwanderer eine positive Bilanz ihrer beruflichen Veränderung. Rund 50% von ihnen haben sogar eine höher qualifizierte Beschäftigung gefunden.
Gründe und Anlässe für die Rückwanderung
Häufig wurden die Wohn- und Lebensverhältnisse, aber auch die berufliche Situation in Westdeutschland als unbefriedigend empfunden. Hinzu kam der ausgeprägte Wunsch nach Nähe zu Freunden und Verwandten in der früheren Heimat. In zahlreichen Fällen befanden sich die Rückwanderer in einer Phase der beruflichen Neuorientierung, in der sie nach Beschäftigungsalternativen in ihrer Heimat suchten. In dieser Situation haben adäquate Arbeitsangebote aus den neuen Bundesländern den konkreten Entschluss zur Rückwanderung mit ausgelöst.
Ein Aspekt, der bei vielen der Befragten ins Gewicht fällt, sind die Bildungs- und Betreuungsangebote für Kinder. Mehr als 70 % der Rückwanderer gaben an, dass sich die Vereinbarkeit von Familie und Beruf verbessert habe. Überhaupt zeichnen die Rückwanderer ein überwiegend positives Bild von den Lebensbedingungen in ihrem ostdeutschen Umfeld. Diese werden von ihnen nicht selten höher geschätzt als von den Ortsansässigen.
Positive Erfahrungen der Arbeitgeber
Bei den Arbeitgebern, die sich an der Fallstudie beteiligt haben, handelt es sich vorwiegend um Inhaber kleiner und mittelständischer Betriebe. Für sie hat sich die Einstellung von Rückwanderern bereits zum Zeitpunkt der Befragung positiv ausgewirkt. Die neuen Arbeitskräfte bewährten sich z.B. beim Aufbau neuer Produktlinien oder der Beseitigung von Produktionsengpässen. Sie konnten neue Ideen und hohe Qualifikationen, aber auch ihre früheren Geschäftskontakte in das Unternehmen einbringen.
Fazit: Zwei Drittel der befragten Betriebe würden auch in Zukunft Rückwanderer gezielt anwerben, um Stellen neu besetzen zu können. „Die befragten Arbeitgeber haben den Eindruck, dass das berufliche Engagement der Rückwanderer gestärkt wird durch eine vergleichsweise hohe private Zufriedenheit und eine verbesserte Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Sie haben die Erfahrung gemacht, dass sich die Rückwanderer leicht in den Kollegenkreis integrieren und auch bei Kunden auf eine hohe Akzeptanz stoßen. Ein Problem ist allerdings das geringe Gehaltsniveau,“ fügt Matuschewski hinzu. „Daran sind Stellenbesetzungen mit Rückwanderungswilligen auch schon gescheitert.“
Das Ziel: Weitere empirische Untersuchungen
Die Bayreuther Wirtschaftsgeographin stellt ihre Untersuchungen in den Kontext der modernen Migrationsforschung. Sie plädiert dafür, in die Erforschung von Wanderungsbewegungen sowohl die Herkunfts- als auch die Zielregion mit ihren spezifischen Lebensverhältnissen einzubeziehen. Dadurch ließen sich die Beweggründe der Migranten und auch deren soziale Netzwerke klarer herausarbeiten. Die Fallstudie ist daher aus der Sicht von Matuschewski nur ein erster Schritt zu einer umfassenden Analyse. Um die innerdeutschen Rückwanderungsprozesse mit ihren Ursachen und Wirkungen zu erschließen, sollten in einer quantitativ breiter angelegten Untersuchung auch Vergleichsgruppen mit einbezogen werden, beispielsweise Zuwanderer mit westdeutschen oder ausländischen Wurzeln.
Veröffentlichung:
Anke Matuschewski,
Stabilisierung der Regionalentwicklung durch Rückwanderung?
Theoretische Konzeptionalisierung und empirische Umsetzung
am Beispiel von Ostdeutschland,
in: Zeitschrift für Wirtschaftsgeographie, Jg. 54 ( 2010), Heft 2, S. 81 – 95
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