Erzbistum Bamberg: "Kein braunes Netzwerk im Würzburger Priesterseminar"

Symbolbild Religion

Untersuchungskommission legt Abschlussbericht vor – Bischöfe ziehen Konsequenzen: zwei Seminaristen entlassen

(bbk) „„Es gab und gibt kein braunes Netzwerk und keinen braunen Sumpf im Priesterseminar Würzburg.“ Das hat die externe Untersuchungskommission zur Aufklärung der Vorwürfe rechtsradikaler Vorgänge im Priesterseminar Würzburg als ein Ergebnis ihrer Untersuchungen vorgestellt. Gleichzeitig gab der Vorsitzende der Kommission, Norbert Baumann, bei einer Pressekonferenz am 31. Juli im Exerzitienhaus Himmelspforten bekannt, dass es Fehlverhalten und Fehleinstellungen einzelner Seminaristen gegeben habe. Von den belegten Vorwürfen seien im engeren Sinn zwei Mitglieder des Priesterseminars betroffen, ein weiterer Seminarist habe sich inakzeptabel zur Demonstration „Würzburg ist bunt – nicht braun“ geäußert. Bambergs Erzbischof Dr. Ludwig Schick und Würzburgs Bischof Dr. Friedhelm Hofmann zogen Konsequenzen aus dem Ergebnis: Zwei Seminaristen werden mit sofortiger Wirkung aus dem Priesterseminar entlassen.

Konkret berichtete Baumann von einem Seminaristen, der im Zimmer eines Mitalumnen und in Anwesenheit eines weiteren Seminaristen mindestens drei unakzeptable und unerträgliche „KZ-Witze“ erzählt habe. Weiter habe dieser Seminarist und ein weiterer im nichtöffentlichen Bierkeller des Seminars Adolf Hitler „parodiert“, wobei mindestens einmal der Hitlergruß gezeigt worden sei. Einer dieser Seminaristen habe außerdem beim Mittagstisch nach einem „Neger zum Abräumen“ gerufen. „Das ist nach Auffassung der Kommission eine nicht hinnehmbare rassistische Äußerung“, sagte der Vorsitzende.

Nicht nachweisen lässt sich laut Untersuchungsbericht, dass am 20. April 2013 von einigen Seminaristen Hitlers Geburtstag gefeiert worden sei. Auch sei im Priesterseminar keine rechtsradikale Musik abgespielt worden. Allerdings sei wiederholt dort der Badenweiler Marsch abgespielt worden, im Wissen, dass es sich dabei um „Hitlers Lieblingsmarsch“ handelte. „Die Kommission hält fest, dass dies ein unangemessenes Verhalten für Seminaristen eines Priesterseminares ist“, betonte Baumann. Weiter bestätigte der Vorsitzende auch, dass ein Seminarist das Konzert der Band „Frei.Wild“ am 20. April 2013 besucht habe. Ein weiterer Alumnus habe im Hinblick auf die Demonstration „Würzburg ist bunt – nicht braun“ im nichtöffentlichen Bierkeller des Seminars geäußert, den Teilnehmern dieser Demonstration gehöre „eine reingehauen“. Diese Aussage müsse in ihrer Aggressivität selbst als rassismusfreundlich und inakzeptabel gedeutet werden.

Der Bamberger Erzbischof Schick begründete die Entscheidung damit, dass Antisemitismus und Rassismus mit dem Christentum unvereinbar seien. „Keine Form von menschenverachtenden Äußerungen und Handlungen dürfen wir hinnehmen.“ In dem Bericht der Kommission seien Vorwürfe gegen einen Bamberger Seminaristen enthalten, die seinen Status als Priesteramtskandidat nicht zulassen.

Bischof Hofmann begründete die Entlassung des für das Bistum Würzburg studierenden Seminaristen mit dessen Besuch des Konzerts der Gruppe „Frei.Wild“ zur Unterhaltung und dessen Äußerung zur Bewunderung für Uniformen des Dritten Reichs, was im Zusammenhang mit der Verbreitung rechtsradikalen Gedankenguts zu sehen sei. „Das Verhalten des Seminaristen wird durch den Versuch der Verharmlosung erschwert“, betonte Bischof Hofmann. All das sei vom Grundansatz der Priesterausbildung nicht hinnehmbar, die ein hohes Maß an menschlicher und geistlicher Reife verlange. Weiter sei auch die Bereitschaft zur Abgrenzung von ethisch fragwürdigen Positionen erforderlich. „Jede kirchliche Tätigkeit erfordert zudem eine eindeutige Identifikation mit unserer demokratischen Grundordnung“, unterstrich der Bischof.

Erleichtert zeigte sich Bischof Hofmann, dass der Vorwurf eines „braunen Netzwerks“ im Priesterseminar nach dem Kommissionsbericht nicht haltbar sei. Gleichwohl habe das Fehlverhalten einiger Seminaristen die Atmosphäre insgesamt belastet. Verstärkt seien deshalb pädagogische und spirituelle Anstrengungen nötig, um im Priesterseminar wieder Vertrauen aufzubauen. Weiterhin brauche es intensive Bemühungen, in der Priesterausbildung das Bewusstsein für die besonderen Beziehungen zwischen Juden und Christen zu verstärken. Da durch diese Vorfälle das Priesterseminar insgesamt in Misskredit geraten sei, müsse mittel- und langfristig im Kontakt mit der Hausleitung nach Möglichkeiten gesucht werden, die Ausbildung noch stärker zu profilieren. „Sie muss ihre eindeutige Ausrichtung an den Grundkriterien von geistlichem Leben, menschlicher Reife, theologischer Bildung und pastoraler Befähigung erkennbar machen. Dies ist eine Aufgabe, die sich immer wieder neu stellt. Extremistische Tendenzen haben in diesem Konzept keinen Platz“, sagte Bischof Hofmann.

Bischof Hofmann hatte am 30. Mai 2013 im Einvernehmen mit Bambergs Erzbischof Schick die externe Untersuchungskommission eingesetzt. Zuvor hatte der Haussprecher des Priesterseminars Vorwürfe erhoben, es gäbe rechtsradikale Vorgänge im Priesterseminar. Der ehrenamtlich tätigen Untersuchungskommission gehören neben Baumann, der als Vorsitzender Richter am Oberlandesgericht Bamberg beruflich tätig ist, Professor em. Dr. Dr. Karlheinz Müller (Würzburg) und Professor Dr. Thomas Weißer (Bamberg) an. Nach Angaben Baumanns tagte die Kommission an 14 Sitzungsterminen vom 8. Juni bis 17. Juli mit einer Gesamtsitzungsdauer von 93 Stunden. Dabei seien 29 Anhörungen durchgeführt und 28 Personen befragt worden – unter ihnen die Leitung des Seminars sowie alle 18 Seminaristen. Die Gesamtdauer der Anhörungen habe 37 Stunden und 35 Minuten gedauert. Der von der Kommission verfasste Bericht habe einen Umfang von 204 Seiten, einschließlich Protokolle und Dokumentensammlung. Er liegt Erzbischof Schick und Bischof Hofmann vor. Der Bericht wurde am 31. Juli außerdem an die Staatsanwaltschaft Würzburg übergeben.

Presseerklärung von Norbert Baumann, Vorsitzender der externen Untersuchungskommission zur Aufklärung der Vorwürfe rechtsradikaler Vorgänge im Priesterseminar Würzburg

Am 8. Mai 2013 erhob der Haussprecher des Priesterseminars gegenüber dem Regens Herbert Baumann (der mit mir im Übrigen nicht verwandt und nicht verschwägert ist) und dem Subregens Herwig Gössl Vorwürfe dahingehend, es gäbe rechtsradikale Vorgänge im Priesterseminar. In der Folgezeit wurden diese Vorwürfe öffentlich.

Am 30. Mai 2013 setzte Bischof Dr. Friedhelm Hofmann im Einvernehmen mit Erzbischof Dr. Ludwig Schick eine externe Untersuchungskommission ein. Sie setzte sich zusammen aus mir im Vorsitz, Prof. em. Dr. Dr. Karlheinz Müller, Würzburg, einem Judaisten, und Prof. Dr. Thomas Weißer, Bamberg, dem Direktor des dortigen Instituts für Kath. Theologie und Lehrstuhlinhaber für Theol. Ethik.

Aufgabe dieser Kommission war es, die Details der Vorwürfe rechtsradikaler Vorgänge im Priesterseminar in Würzburg zu prüfen und den zuständigen Bischöfen Bericht zu erstatten.

Es ist darauf hinzuweisen, dass keinerlei Einschränkungen der Kommission vorgegeben wurden. Ziel der Kommissionseinsetzung durch die Bischöfe war die rückhaltlose Aufklärung.

Folgerichtig wurde die Arbeit der Kommission durch Bischof Dr. Friedhelm Hofmann, Erzbischof Dr. Ludwig Schick und Generalvikar Dr. Karl Hillenbrand in jeder Hinsicht unterstützt, was auch die personelle Verstärkung hinsichtlich Protokollführung und technischer Erstellung des Berichts umfasste.

Die Kommission arbeitete ehrenamtlich. Dies unterstreicht auch insoweit ihre Unabhängigkeit in jeglicher Hinsicht.

Die Arbeit der Kommission war in drei Phasen gegliedert. Zunächst stand die Planung der Arbeit im Vordergrund, dem folgten die Anhörungen und schließlich die Beratungen und die Erstellung des Abschlussberichtes. Die Kommission tagte an 14 Sitzungsterminen vom 8. Juni 2013 bis zum 17. Juli 2013 mit einer Gesamtsitzungsdauer von 93 Stunden. Dabei wurden 29 Anhörungen durchgeführt und 28 Personen befragt. Die Gesamtdauer der Anhörungen betrug hierbei 37 Stunden und 35 Minuten. Angehört wurden u.a. Regens Herbert Baumann, Subregens Herwig Gössl, der Pastoralpsychologe des Priesterseminars Dr. Ruthard Ott, Studentenpfarrer Burkhard Hose, der Philistersenior und der Philisterconsenior der Franco Raetia, sowie alle 18 Seminaristen. Außerdem waren zahlreiche Schriftstücke Grundlage der Untersuchung, sowie die in Augenscheinnahme eines Gegenstands. Die Kommission hat einen Bericht verfasst, der einschließlich Protokolle über die Anhörungen und Dokumentensammlung einen Umfang von 204 Seiten hat. Sie ist bei ihrer Untersuchung zu folgenden Ergebnissen gekommen:

1. Es gab und gibt kein braunes Netzwerk und keinen braunen Sumpf im Priesterseminar Würzburg.

2. Es gab Fehlverhalten und Fehleinstellungen einzelner Seminaristen, die dem Ruf des Priesterseminars Würzburg erheblich schadeten und alle Seminaristen unter einen nicht gerechtfertigten Generalverdacht stellten.

3. Ein Alumnus erzählte bei einer Gelegenheit im Zimmer eines Mitalumnen und in Anwesenheit eines weiteren Seminaristen mindestens drei »KZ-Witze« zur Unterhaltung. Es handelte sich nicht um „Judenwitze“ im Sinne von jiddischen oder jüdischen Witzen, sondern um völlig inakzeptable und unerträgliche „KZ-Witze“, womit die fabrikmäßige Ermordung unzähliger jüdischer Kinder, Frauen und Männer im Dritten Reich zum Gegenstand von Spott und Hohn gemacht wurde.

4. Dieser Alumnus und ein weiterer haben jeweils einmal im nicht-öffentlichen Bierkeller des Priesterseminars Adolf Hitler, wie es ausgedrückt wurde, ‚imitiert‘ und ‚parodiert‘, wobei mindestens einmal der Hitlergruß gezeigt wurde. Die Kommission hat für eine solche ‚Imitation‘ und ‚Parodie’ keine auch nur im Ansatz nachvollziehbare Begründung gefunden.

5. Einer von diesen Seminaristen rief beim Mittagstisch nach einem „Neger zum Abräumen“. Dies ist nach Auffassung der Kommission eine nichthinnehmbare rassistische Äußerung.

6. Der andere Seminarist besuchte am 20. April 2013 ein Konzert der Band »Frei.Wild«, wozu er sich vom Besuch eines Gottesdienstes dispensieren ließ, ohne dem Regens des Priesterseminars, Herbert Baumann, mitzuteilen, dass er ein Konzert dieser Band besuchen wollte. Die Kommission ist der Auffassung, dass dieser Seminarist hierbei Fragen des Regens im Hinblick auf die Umstrittenheit der Band bewusst aus dem Weg gehen wollte. Außerdem ist er zu einer kritischen Auseinandersetzung mit den Texten dieser Band bis heute nicht bereit.

7. Ein weiterer Alumne hat im Hinblick auf die Demonstration »Würzburg ist bunt – nicht braun« gegenüber anderen Alumnen im nicht-öffentlichen Bierkeller des Priesterseminars geäußert, den Teilnehmern dieser Demonstration gehöre „eine reingehauen“ oder „auf die Fresse gehauen“. Die Kommission ist der Auffassung, dass diese Äußerung in einem so engen Zusammenhang mit dem antirassistischen Zweck der Demonstration steht, dass sie in ihrer Aggressivität selbst als rassismusfreundlich und inakzeptabel gedeutet werden muss.

8. Im Priesterseminar wurde keine rechtsradikale Musik abgespielt. Allerdings wurde wiederholt dort der Badenweiler Marsch abgespielt, im Wissen, dass es sich dabei um »Hitlers Lieblingsmarsch« handelte. Die Kommission hält fest, dass dies ein unangemessenes Verhalten für Seminaristen eines Priesterseminares ist.

9. Es lässt sich nicht nachweisen, dass am 20. April 2013 von einigen Seminaristen Hitlers Geburtstag gefeiert wurde.

10. Die Kommission weist klarstellend darauf hin, dass von den belegten Vorwürfen im engeren Sinn zwei Mitglieder des Priesterseminars betroffen sind, ein weiterer Seminarist von dem in Punkt 7 genannten Sachverhalt.

Der Bericht wurde Bischof Dr. Friedhelm Hofmann und Erzbischof Dr. Ludwig Schick zwischenzeitlich überreicht und von diesen zur Kenntnis genommen.