Sonntagsgedanken: Ein lästiger Spinner

Symbolbild Religion
Pfarrer Dr. Christian Fuchs

Pfarrer Dr. Christian Fuchs

Volksfeststimmung in Betel. Die Menschen drängen massenhaft in den schönen neuen Tempel. Lärm erfüllt das Gotteshaus, emsige Geschäftigkeit, gute Stimmung. Aber da macht einer Stunk, ein Landwirt, der sich als Prophet aufspielt. Er schimpft lauthals auf die Besucher, auf die Angestellten, verdirbt die heitere Stimmung dieses schönen Tages. Er droht mit dem baldigen Untergang nicht nur des Tempels, sondern des ganzen Landes, seiner Bewohner, seiner angesehenen reichen Oberschicht. Was würden wir als Besucher dieses religiösen Volksfestes tun?

Wahrscheinlich würden wir verständnislos, spöttisch oder empört den Kopf schütteln vielleicht gar die Polizei holen. Da strömt das Volk endlich mal wider ins Gotteshaus und dieser Kerl muss sich so aufspielen! Aber die Prophezeiungen des Amos haben sich erfüllt. Wir können sie in ihrer vollen Schärfe noch heute in der Bibel nachlesen. Die Festlichkeit damals in Betel war hohl und oberflächlich, mehr am Genuss, am Eigennutz der Menschen orientiert als am Willen Gottes. In den 2000 Jahren des Christentums ist die Kirche, ist der Glaube selbst immer wieder von den Mächtigen missbraucht worden, die Kirchenoberen haben sich immer wieder den Regierenden oder der Mehrheitsmeinung angepasst, um ihren persönlichen Vorteil zu suchen, vielleicht auch in der ehrlichen Überzeugung, einen Vorteil für die Organisation Kirche herauszuholen.

Heute ist die kirchliche Situation ja noch viel dramatischer als zur Zeit des alten Propheten. Damals besuchten die Menschen noch den Gottesdienst, sie „glaubten“ noch an den Gott Israels. Heute dagegen gibt es Städte in den neuen Bundesländern, wo nicht einmal mehr 5 % der Bewohner einer Kirche angehören. Gott aber will nicht unseren Untergang, er will uns glücklich machen, daß wir uns nicht von unseren Sorgen, unserem Streß, dem Frust in Beruf und Familie leiten lassen, sondern auf seine Liebe vertrauen, die das Böse in uns und um uns überwinden wird. Gott hält noch heute die Zügel in seiner Hand. Aber er verlangt auch unsere verbindliche Entscheidung, verlangt, dass wir uns an seine Gebote halten, die er uns geschenkt hat, nicht um uns zu knechten, sondern um ein sinnvolles Zusammenleben zu ermöglichen.

Pfarrer Dr. Christian Fuchs, www.neustadt-aisch-evangelisch.de

Infos zu Christian Karl Fuchs:

  • geb. 04.01.66 in Neustadt/Aisch
  • Studium der evang. Theologie 1985 – 1990 in Neuendettelsau
  • Vikariat in Schornweissach-Vestenbergsgreuth 1993 – 1996
  • Promotion zum Dr. theol. 1995
  • Ordination zum ev. Pfarrer 1996
  • Dienst in Nürnberg/St. Johannis 1996 – 1999
  • seither in Neustadt/Aisch
  • blind
  • nicht verheiratet