Wie Mensch und Roboter kooperieren können: Ein neuer Ansatz zur Intentionserkennung
(UBT) Wie können Roboter erkennen, was Menschen tun wollen, und deren Absichten proaktiv unterstützen? Für diese Herausforderung haben Prof. Dr. Dominik Henrich und Muhammad Awais M.Sc. an der Universität Bayreuth einen neuen Lösungsansatz entwickelt.
In vielen Lebensbereichen, von der industriellen Produktion bis zur Chirurgie, leisten Roboter unentbehrliche Dienste. Die Zahl der Einsatzmöglichkeiten steigt ständig. Wie kann die Zusammenarbeit von Menschen und Robotern weiter optimiert werden? Weltweit arbeiten Forschungsteams an Systemen, die Roboter in die Lage versetzen, die Absichten von Menschen möglichst frühzeitig und möglichst zuverlässig zu erkennen. Denn sobald Roboter zu einer solchen Intentionserkennung fähig sind, müssen sie nicht auf per Knopfdruck erteilte Befehle warten, um den Menschen zuarbeiten zu können. Sie sind dann imstande, gleichsam aus eigener Initiative dazu beizutragen, dass die Menschen die angestrebten Ziele erreichen.
Die Fähigkeit von Robotern, Intentionen von Menschen zu erkennen und unter dieser Voraussetzung mit ihnen zu kooperieren, ist auch ein Forschungsschwerpunkt am Lehrstuhl für Robotik und Eingebettete Systeme (Angewandte Informatik III) der Universität Bayreuth. Prof. Dr. Dominik Henrich und sein Mitarbeiter Muhammad Awais beschreiten dabei neue Wege. Während einer internationalen Robotik-Konferenz in Budapest im Juni 2010 haben sie einen gemeinsam entwickelten Lösungsansatz vorgestellt. Vor kurzem ist der Tagungsband im Druck erschienen.
Definierte Handlungsabfolgen in einem kameraüberwachten Arbeitsbereich
Das Szenario, das dem Bayreuther Lösungsansatz zugrunde liegt, ist ein Arbeitsbereich, in dem Mensch und Roboter in unmittelbarer räumlicher Nachbarschaft kooperieren. Diese Zusammenarbeit betrifft Gegenstände, deren räumliche Position auf eine exakt definierte Weise verändert werden soll – beispielsweise dadurch, dass sie aufeinander gestapelt oder einzeln an verschiedene Orte transportiert werden. Kameras haben den gesamten Arbeitsbereich im Visier. Sie übertragen Bilder von jeder Handlung, die der Mensch ausführt, zeitgleich an den Roboter.
Im Hinblick auf dieses Szenario wird nun eine Vielzahl einfacher Aktionen definiert, die der Mensch im Rahmen der Zusammenarbeit mit dem Roboter ausführen kann. Beispiele für solche Aktionen sind das Zeigen auf einen Gegenstand, das Ergreifen eines Gegenstands, das Anheben, Verschieben oder Ablegen eines Gegenstands, das Zeigen auf einen Ort innerhalb des Arbeitsbereichs, und vieles mehr. Man kann diese einfachen Aktionen mit formalen Bezeichnungen wie a1, a2, a3 … voneinander unterscheiden.
Von zentraler Bedeutung ist dabei die folgende Tatsache: Alle komplexen Handlungen, die der Mensch während der Kooperation mit dem Roboter ausführt, sind als Abfolgen derartiger einfacher Aktionen definiert. Es gibt also beispielsweise eine Handlung H1, die eine Abfolge von a1 + a2 + a8 + a6 darstellt; es gibt eine weitere Handlung H2, die aus einer Abfolge von a2 + a9 + a3 besteht; und so fort. Mit jeder komplexen Handlung verbindet der Mensch eine spezifische Absicht.
Ein leistungsstarker Algorithmus zur Intentionserkennung
Der Roboter wird nun so programmiert, dass er weiß, welche komplexen Handlungen sein menschlicher Partner im Rahmen der Zusammenarbeit ausführen kann und welche spezifischen Absichten damit jeweils verbunden sind. Zudem weiß der Roboter, wie sich diese komplexen Handlungen aus einfachen Aktionen zusammensetzen. Schließlich ist er imstande, die Kamerabilder selbständig zu interpretieren. Dadurch ist er laufend darüber informiert, welche Aktion der Mensch gerade ausführt.
Die Pointe des Bayreuther Ansatzes zur Intentionserkennung ist ein Algorithmus, der mithilfe probabilistischer Zustandsmaschinen entwickelt wurde. Der Algorithmus versetzt den Roboter in die Lage, aufgrund der beobachteten Aktionen zuverlässig einzuschätzen, welche komplexe Handlung der Mensch begonnen hat und dabei ist zu vollenden. So ist der Roboter möglichst frühzeitig über die Absicht des Menschen informiert. Eine entsprechende Programmierung sorgt dafür, dass er auf diese Intentionserkennung mit Handlungen reagiert, die gewährleisten, dass der Mensch seine Absicht mit technischer Unterstützung erreicht.
So werden die Eigenarten von Mensch und Roboter in synergistischer Weise zusammengeführt. Der Roboter ist schnell, kräftig, präzise und ausdauernd. Dagegen hat der Mensch einen guten Überblick und hervorragende sensorische und kognitive Fähigkeiten.
Das Ziel: Anwendungen im Industriemaßstab
Die Bayreuther Informatiker haben den Algorithmus im Laboratorium vielfach erprobt. Von einem in alle Richtungen beweglichen Arm eines Roboters haben sie sich beispielsweise dabei unterstützen lassen, einen Gegenstand an einen vorgegebenen Ort zu transportieren, mehrere Gegenstände übereinander zu stapeln oder auch einen Stapel wieder abzutragen. In keinem Fall war es erforderlich, die gewünschten Handlungen des Roboters per Knopfdruck auszulösen. Weil der Roboter die Intentionen seines menschlichen Gegenübers zuverlässig berechnen konnte, hat er sich proaktiv am Geschehen beteiligt. Awais und Henrich wollen diesen Ansatz mit weiteren Forschungsarbeiten vertiefen. „Wir sind zuversichtlich, dass sich die Zusammenarbeit von Mensch und Roboter auf diesem Weg noch intuitiver gestalten lässt. Möglicherweise lässt sich unser Ansatz eines Tages auch im Industriemaßstab realisieren“, meint Henrich.
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