Forchheimer Gedenkabend zur Pogromnacht am 9. November war Komponisten in Theresienstadt gewidmet
Der Gegenentwurf zu Lager und Tod
1943, 1944, 1945 – wenn in einem Programmblatt für ein Konzert für alle Komponisten so das Ende ihrer Lebenzeit angezeigt ist, muss sich Unvorstellbares ereignet haben. Theresienstadt. Auschwitz. Damit ist alles gesagt. Und doch nicht begriffen, dass eine ideologisch gesteuerte Tötungsstrategie in Deutschland Millionen von Menschen, zumeist Juden, systematisch vernichten konnte. Die jungen Komponisten des in Forchheim veranstalteten Konzertes zum Gedenken an die Reichspogromnacht am 9. November 1938 wurden in den Gaskammern von Auschwitz jäh aus ihrem verheißungsvollen Schaffen gerissen.
Einen nachhaltigen Eindruck davon konnten sich die Besucher des Gedenkens an die Theresienstadter Komponisten machen, die der Einladung des Kulturamtes der Stadt im Rahmen der Kammerkonzertreihe (und unterstützt vom Bündnis „bunt statt braun“) in den Kulturraum St. Gereon gefolgt waren. Das Durchgangslager Theresienstadt galt als „Vorzeige-Ghetto“ der Nationalsozialisten, in dem ein reges kulturelles Leben möglich gemacht wurde, wenn auch unter widrigsten Bedingungen. Der Abend war dem Komponisten Victor Ullmann gewidmet, der vor genau 80 Jahren im Alter von 46 Jahren ermordet wurde.
Es stellte sich ein Ensemble junger, frei schaffender Künstler aus Nürnberg vor, die sich vor einem Jahr zum Projekt „Künstler in Theresienstadt“ zusammengefunden hatten, und die das Programm mit Lesung auch vor Schülern der Forchheimer Gymnasien gespielt hatten. Die Musik im Stil der Klassischen Moderne war nicht immer eingängig, herausfordernd, aber auch spannend. Als der Moderator (Christoph Orendi, Klavier) das Werk von Viktor Ullmann würdigte, fiel auch der Name eines Vorbildes Arnold Schönberg. Musik der Verzweiflung, Zerrissenheit mit der Situation? Das verneint Christoph Orendi. Die Komponisten von Theresienstadt hätten einen Gegenentwurf zu der Welt geschaffen, die sie erlebten.
„Wann sind wir wieder frei?“
„Nach Haus, ein wunderbares Wort“ und die Sehnsucht „Wann sind wir wieder frei“ zitierte Monika Teepe (Sopran) im Liedbeitrag die Schriftstellerin und Liedermacherin Ilse Weber, die als Kinderkrankenschwester die ihr Anvertrauten samt Sohn in die Gaskammer begleitete. Katharina Jungwirt (Violine) und Stefanie Waegner (Cello) interpretierten Chassidische Tänze von Sigmund Schul, ein Ausdrucksmittel der Freude und des Gemeinschaftsgefühls orthodoxer Juden. Dazu gesellte sich in einem Trio von Gideon Klein die Bratsche (Michael Falter). Mit Robert Dauber wurde ein weiterer Komponist vorgestellt, der in seiner Serenade für Violine und Klavier Anklänge Wiener Salonmusik einfließen ließ. Ihr enormes Stimmvermögen stellte Monika Teepe bei Nachdichtungen des deutschen Schriftstellers Klabund („Der müde Soldat“) im Zusammenwirken mit Christoph Orendi erneut unter Beweis. Der Pianist beeindruckte dann mit der 7. Sonate für Klavier von Viktor Ullmann, geschaffen im Todesjahr 1944, durch hohes technisches Können und starkem Ausdruck.
Am Schluss des mit großem Beifall bedachten Konzertes erklangen „Passacaglia und Fuge“ für Streichtrio von Hans Krasa. Die Tragweite des Geschehens in Theresienstadt zeigt sich in emotionaler Wucht, wenn man erfährt, daß Krasa der Komponist der Oper „Brundibar“ gewesen ist, die 1943 im Lager uraufgeführt und 55 Mal vor Kindern gespielt wurde.
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