IHK Oberfranken: „Europas Sicherheit erfordert dringend Investitionen“

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MdB Andreas Schwarz: „Putin lebt in seiner eigenen Realität“

Bei einer Diskussionsveranstaltung im Rahmen der IHK-Vollversammlung in Hof waren sich Bundestagsabgeordnete von SPD und CSU sowie Unternehmensvertreter einig: Investitionen in Europas Verteidigung und der Abbau bürokratischer Hürden sind unerlässlich, um den aktuellen globalen Herausforderungen gerecht zu werden. Die Diskussion machte klar: Die Herausforderungen sind vielfältig und müssen zeitgleich bewältigt werden.

„Unternehmerinnen und Unternehmer sind es gewohnt, auf aktuelle Herausforderungen einzugehen“, ist sich IHK-Vizepräsident Michael Bitzinger sicher. Er macht aber deutlich, dass Unternehmen zunehmend Schwierigkeiten haben, auf die Vielzahl an Herausforderungen – von Transformation und Digitalisierung bis hin zu Fachkräftemangel und Bürokratie – angemessen zu reagieren. Die weltpolitische Lage, geprägt von Spannungen und Konflikten, verschärfe diese Problematik weiter.

Diskutierten die sicherheitspolitische Lage und die Auswirkungen auf die Wirtschaft (von links): MdB Andreas Schwarz (SPD), Mitglied des Haushaltsausschusses und des Gremiums "Sondervermögen Bundeswehr", MdB Jörg Nürnberger (SPD), Mitglied des Verteidigungsausschusses, MdB Dr. Hans-Peter Friedrich (CSU), Bundesinnenminister a.D., Unternehmerin Nathalia Rašek-Abach (EMCCons Dr. RAŠEK GmbH & Co. KG/Ebermannstadt) und IHK-Präsident Dr. Michael Waasner (Gebr. Waasner Elektrotechnische Fabrik GmbH). Foto: Ochsenfoto

Diskutierten die sicherheitspolitische Lage und die Auswirkungen auf die Wirtschaft (von links): MdB Andreas Schwarz (SPD), Mitglied des Haushaltsausschusses und des Gremiums „Sondervermögen Bundeswehr“, MdB Jörg Nürnberger (SPD), Mitglied des Verteidigungsausschusses, MdB Dr. Hans-Peter Friedrich (CSU), Bundesinnenminister a.D., Unternehmerin Nathalia Rašek-Abach (EMCCons Dr. RAŠEK GmbH & Co. KG/Ebermannstadt) und IHK-Präsident Dr. Michael Waasner (Gebr. Waasner Elektrotechnische Fabrik GmbH). Foto: Ochsenfoto

„Die Welt wird immer komplizierter – gerade, was die Sicherheit angeht“, greift Moderator Matthias Will, Wirtschaftsredakteur der Frankenpost, in seinen Eingangsstatement die Kernaussage von Michael Bitzinger auf und hebt hervor, dass die Wirtschaft eine Schlüsselrolle in der Sicherheitsarchitektur einnimmt.

In einer spannenden Diskussion mit drei Bundestagsabgeordneten – Andreas Schwarz (SPD), Mitglied des Haushaltsausschusses und des Gremiums „Sondervermögen Bundeswehr“, Jörg Nürnberger (SPD), Mitglied des Verteidigungsausschusses, sowie Dr. Hans-Peter Friedrich, Bundesinnenminister a.D. – und den beiden Unternehmern Nathalia Rašek-Abach (EMCCons Dr. RAŠEK GmbH & Co. KG/Ebermannstadt) und IHK-Präsident Dr. Michael Waasner, wurde die Vielschichtigkeit der Herausforderungen deutlich, aber auch, wo angesetzt werden muss.

„Das Einzige, das Putin versteht, ist Stärke“

Dem lateinischen Sprichwort „Wenn Du Frieden willst, rüste zum Krieg“ stimmt Schwarz ganz klar zu. Angesichts der russischen Kriegswirtschaft mit rund 1.500 neu erstellten Kampfpanzern jährlich und einem Heer mit 1,5 Millionen Soldaten, die unter Waffen stehen, macht er klar, dass nur eine klare Stärkung der Verteidigungsfähigkeiten Putins Aggressionen entgegenwirken kann. Auf die Frage, warum Verteidigungsminister Boris Pistorius trotzdem nur 1,25 Milliarden Euro zusätzlich zur Verfügung hat, statt der geforderten 6,7 Milliarden macht Schwarz deutlich: „Wir sind nicht bei ‚Wünsch Dir was‘, sondern bei ‚Mach was draus'“. Er sieht aber auch, dass beim Verteidigungsetat nachgebessert werden müsse.

Unterschätzte Bedrohung: Dringender Handlungsbedarf für Europas Sicherheit

„Die braucht unser Verteidigungsminister auch, vor allem, weil die Bedrohungslage viel schlimmer ist, als sich die Menschen das vorstellen“, so Friedrich. „Wir können den Bundeswehretat in homöopathischen Dosen anpassen oder uns für eine klare Variante entscheiden. Wie Schwarz spricht er sich für die klare Variante aus. Auch wenn Friedrich zu denen gehöre, die die Schuldenbremse 2009 beschlossen haben, macht er deutlich „…dass Krisensituationen aus meiner Sicht sehr wohl Anpassungen erlauben.“ Das sieht auch Waasner so: „Im Ausland versteht man uns Deutsche deswegen nicht.“

Europa muss mehr zusammenhalten

Auch Nürnberger schlägt in die gleiche Kerbe: „Wir können es uns nicht erlauben, die Luxusdiskussionen der vergangenen Jahrzehnte fortzuführen.“ Auch wenn die SPD sich schon immer als Friedenspartei gesehen habe, sieht er die Partei klar in der Tradition von Willy Brandt. Damals wurde der NATO-Doppelbeschluss verabschiedet und der Verteidigungsetat lag bei vier Prozent. Nürnberger: „Wir müssen das Thema ‚Verteidigung‘ offen und vorbehaltslos diskutieren, schließlich fließen in Russland 40 Prozent aller Investitionen und 8,3 Prozent des Bruttoinlandsproduktes in die Rüstung.“ Schwarz fordert mehr Effizienz in der Entwicklung und beim Bau von Rüstungsgütern. Europa müsse mehr gemeinsam entwickeln und nicht jedes Land für sich.

Auf eine weitere Problematik verweist Rašek-Abach, deren Unternehmen auch als Prüfdienstleister für Zulieferer der Verteidigungsindustrie tätig ist: „Die bürokratischen Auflagen sind hier noch ausgeprägter als in anderen Wirtschaftsbereichen.“ Hinzu kommen die Auflagen durch Dual-Use-Güter, also Produkte, die sowohl zivil als auch militärisch genutzt werden können. „Diese Prüfung muss auch bei Lieferungen in andere EU-Länder erfolgen.“ Dadurch stiegen die bürokratischen Belastungen erheblich. Hinzu komme die explosionsartig wachsende Gefahr durch Cybercrime. Sie betont außerdem die Notwendigkeit von Investitionen in die digitale Infrastruktur, um den aktuellen Anforderungen gerecht zu werden.

Deutschland muss sich dynamisch an neue globale Bedingungen anpassen

Ob sich Deutschland zu lange auf den Rundumschutz durch die USA, billige Energie aus Russland und den freien Welthandel verlassen habe, wollte Will vom IHK-Präsidenten wissen: Dr. Waasner: „Das Umfeld hat sich dynamisch geändert, also müssen wir uns dynamisch anpassen. So rational es war, Energie dort einzukaufen, wo sie preiswert war, so irrational war es vor dem Hintergrund der Energiekrise, Atomkraftwerke nicht noch länger laufen zu lassen.“

Auf die Frage aus dem Publikum, in welcher Reihenfolge die aktuellen Herausforderungen – Investitionen in Infrastruktur, Digitalisierung, Transformation und Verteidigung – gelöst werden sollen, kommt von Schwarz eine klare Ansage „Wir sind im internationalen Wettbewerb und brauchen deswegen eigentlich alles zeitgleich.“ Warum Investitionen im Bereich der Verteidigungswirtschaft nicht als Chance gesehen würden? Hier gebe es einen klaren Unterschied zwischen den USA und Europa: „Rüstungsinvestitionen in den USA fließen in US-amerikanische Unternehmen, die so Arbeitsplätze vor Ort sichern. Die europäischen Investitionen fließen meist ebenfalls in die USA, also ohne großen Mehrwert für den heimischen Arbeitsmarkt“, so Friedrich.

Strikte Auflagen und Kreditklemme bremsen Verteidigungssektor aus

Aus Sicht des IHK-Präsidenten kommen zwei weitere Herausforderungen dazu: Zum einen das Verbandsklagerecht, zum anderen die Taxonomie. Da die Verteidigungswirtschaft nicht als nachhaltig gelte, bekomme sie etwa aufgrund der Taxonomie schlechtere Konditionen bei Krediten. Ein Beispiel aus der Unternehmenspraxis steuerte Rašek-Abach bei. Sie rechnet vor, dass in ihrem Unternehmen inzwischen ein Viertel aller Mitarbeitenden mit Berichtspflichten und Controlling beschäftigt sei. Dieser Wert habe sich in nur wenigen Jahren verdreifacht. „Auch das ist ein Grund, warum Aufträge an ausländische Unternehmen vergeben werden. Hier muss sich dringend etwas ändern!“

Die Frage eines besorgten Vaters, ob auch in Diplomatie in Russland investiert werde, beantwortet Nürnberger, ebenfalls Vater von zwei Kindern, mit einem klaren „Ja!“ Schwarz bestätigt dies, macht aber auch klar, dass Putin in einer ganz eigenen Realität lebe.

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