Erlanger Grüne warnen: „Keine Einsparung auf Kosten unserer Zukunft“

Aufgrund von massiven Mindereinnahmen bei der Gewerbesteuer von ca. 50 Millionen Euro wurde vom Oberbürgermeister per Eilverfügung eine Haushaltssperre verhängt.

Im Finanzausschuss wurden erstmals Details zu den Einsparungen öffentlich zugänglich gemacht. „Es gab zwar im Vorfeld Informationen für Stadträte, aber leider keinen Raum für eine breite politische Debatte. Einen großen Teil der Einsparungen tragen wir mit, aber das Sperren bestimmter Zukunftsinvestitionen ist absolut kurzsichtig“, kritisiert Marcus Bazant, Grüner Co-Fraktionsvorsitzender.

Konkret geht es um Investitionen zur Sanierung von Kinderhäusern und zum Klimaschutz wie z.B. die Photovoltaik auf städtischen Gebäuden, LED-Umrüstung für Beleuchtung, Ausbau von Radwegen und den Wegfall des Förderprogramms zur CO2-Minderung.

„Es wirkt so, als sei Klimaschutz ‚nice to have‘ und fällt als erstes hinten runter, wenn das Geld knapp wird. Dabei lassen sich Investitionen in Solaranlagen und LEDs sogar über Einsparungen bei den Betriebskosten refinanzieren“, betont die finanzpolitische Sprecherin Eva Linhart. „Das Förderprogramm zur CO2-Minderung hätten wir gemeinsam noch zielgerichteter gestalten können. Die vollständige Streichung ist für uns nicht nachvollziehbar, zumal jeder Euro Fördergeld fast das 10-fache an privater Investition in Gebäude bedeutet. Außerdem beerdigen wir mit dem Wegfall jetzt endgültig die städtischen Klimaziele.“

Auch das Sperren von Investition in die Kinderbetreuung ist aus Sicht der Grünen Fraktion eine kurzsichtige Fehlentscheidung. Nicht nur, weil eine gute Betreuungssituation von Kindern einen ganz wesentlichen Standortfaktor darstellt, den auch unsere Wirtschaftsunternehmen zur Gewinnung von neuen und dem Halten von erfahrenen Mitarbeitenden heutzutage zu Recht massiv einfordern. „Klimaschutzmaßnahmen, Bildung und Kinderbetreuung haben aber nicht nur einen volkswirtschaftlichen, sondern auch einen sehr hohen gesellschaftlichen Mehrwert – Stichwort Klima- und Bildungsgerechtigkeit. Darauf dürfen wir nicht verzichten.“, so Marcus Bazant weiter.

„Alle demokratischen Gruppierungen sollten deutlich stärker in die Haushaltsdiskussionen einbezogen werden. In anderen Städten gibt es beispielsweise Haushaltsseminare für den Stadtrat, wo große Investitionen und Sachmittelpositionen gemeinsam diskutiert und auch über Einsparungen entschieden wird. Uns würden da schon ein paar Punkte einfallen.“ ist der stellvertretende Fraktionsvorsitzende Dominik Saurer überzeugt. „Nur dann wäre auch eine breite Unterstützung für die Haushaltssperre möglich.“

Zum Stadtrat am kommenden Donnerstag wird die Fraktion von Grünen und Grüner Liste auch einen Antrag einbringen, um die Debatte um die richtigen Einsparungen zu führen und um notwendige Zukunftsinvestitionen wieder zu entsperren.


Antrag zum Stadtrat am 25.07.24: TOP Ö 9.1 Haushaltssperre

Aufgrund der zu erwartenden Mindereinnahmen bei der Gewerbesteuer für 2024 wurde per Eilverfügung des Oberbürgermeisters eine Haushaltssperre in den Budgets der Referate und im Investitionshaushalt verhängt.

Wir beantragen folgende Punkte zu entsperren:

  • 541.604 Sonderprogr. Ersatzneubau v. Beleuchtungsanlagen
  • 561.400 Errichtung Photovoltaikanlagen a. städt. Gebäuden
  • 365B.416 Kinderhaus Erba-Haus, Sanierung
  • 365E.405 Sanierung/Anbau Hort/Lernstube Am Anger
  • 541.841 Radwegenetz, Ausbau
  • 541.8411 Infrastruktur Radverkehr
  • 541.866 Rad-/Fußweg-Verbind. MD-Kanal-Bolzplatz Hüttendorf
  • 541S.60 Zollhausplatz/Luitpoldstr., Umgestaltung
  • 546.460 Fahrradabstellanlagen, Innenstadt
  • Vollständige Einstellung des Co2 Minderungsprogramms

Bei den aufgelisteten Bereichen handelt es sich um Zukunftsinvestitionen, die aus unserer Sicht unverzichtbar sind. Einige Punkte wie z.B. Photovoltaikanlagen und LED Beleuchtung lassen sich über die Betriebskosten refinanzieren. Andere Punkte, wie eine gute Betreuungssituation von Kindern, sind ein wesentlicher Standortfaktor, der auch massiv von unseren Wirtschaftsunternehmen zur Gewinnung von Mitarbeitenden eingefordert wird.

Außerdem haben Klimaschutz, Bildung und Kinderbetreuung nicht nur einen volkswirtschaftlichen, sondern auch einen sehr hohen gesellschaftlichen Mehrwert. Das heißt der Verzicht auf solche Maßnahmen hat langfristig negative Auswirkungen wie Mindereinnahmen und Folgekosten.

Eva Linhart, Sprecherin für Finanzen
Marcus Bazant, Fraktionsvorsitzender

1 Antwort

  1. Tiberius Sempronius Gracchus sagt:

    Im Beitrag wird unter dem Stichpunkt „Zukunftsinvestitionen … Konkret … Ausbau von Radwegen“ aufgezählt. Der Punkt bedarf einer genaueren Betrachtung:

    Die Benutzungspflicht fahrbahnbegleitender Radwege wurde in den dreißiger Jahren des letzten Jahrhunderts seitens des zuständigen Reichsverkehrsministeriums dahingehend begründet, daß Autofahrer in Deutschland eine vor Radfahrern sichere Fahrt garantiert werden solle. Der Radverkehr wurde in den Seitenraum verdrängt, damit Kraftfahrzeuge freie Bahn haben. Verkehrssicherheit war kein Argument.

    Im Jahr 1997 hatte der Verordnungsgeber endlich zur Kenntnis genommen, daß das Unfallrisiko auf fahrbahnbegleitenden Radwegen signifikant höher war als auf Straßen ohne Radweg, aber vergleichbarem Aufkommen an Rad- und Kraftverkehr: Die generelle Radwegbenutzungspflicht wurde aus der Straßenverkehrs-Ordnung gestrichen. Im Einzelfall durfte sie nur noch angeordnet werden, wenn sie eine durch die Örtlichkeit bedingte, nachweislich vorhandene und das allgemeine Maß erheblich überschreitende Gefahrenlage entschärfte und ein milderes Mittel als das Fahrbahnverbot für den Radverkehr nicht möglich war. Außerdem mußten (und müssen) die Radwege vorgegebene Qualitätsstandards einhalten. Daß der überwiegende Teil der Verkehrsbehörden die Rechtslage ignoriert und Benutzungspflicht nach willkürlichem Gutdünken anordnet, ändert nichts an den Faktten – untergräbt allerdings das Vertrauen in den Rechtsstaat.

    Zwar hat der Verordnungsgeber diese Rechtslage in späteren Jahren auf Druck der Autolobby aufgeweicht. Innerörtliche Radfahrstreifen und außerörtliche bauliche Radwege müssen nicht mehr der Verkehrssicherheit dienen. Am höheren Unfallrisiko (Vorfahrtmißachtung an Kreuzungen, Einmündungen und Zufahrten, Konflikte mit dem Fußverkehr, Kollisionen mit unachtsam geöffneten Autotüren) hat sich aber nichts geändert. Zudem entspricht ein großer Teil der Radwege nicht den in einschlägigen Regelwerken festgehaltenen Standards.

    Pauschal den Bau von Radwegen zu fordern, ist somit weder der Förderung noch der Sicherheit des Radverkehrs dienlich. Tatsächlich muß der Verkehr insgesamt verträglich und sicher gestaltet werden, nicht zuletzt muß die „eingebaute Vorfahrt“ aus den Köpfen vieler Autofahrer/innen verschwinden. Abgetrennte Radverkehrsräume (ohne Benutzungspflicht) haben durchaus ihren Sinn für die, die sich nicht in den Mischverkehr trauen. Aber niemandem darf eingeredet werden, auf ihnen wäre man sicher und könne auf freie Fahrt und Vorfahrtrechte vertrauen.

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