Hofübergabe bei der Familie Schreiner in Wiesenfeld (Landkreis Coburg)
Seinem geschichtsinteressierten Schwager hat Thomas Schreiner das Wissen zu verdanken: „1821 hat Johann Schreiner aus Hambach bei Creidlitz die Hälfte dieses Hofes gepachtet.“ Damit fing es mit den Schreiners in Wiesenfeld an. Am 1. Juli trat die nunmehr fünfte Schreiner-Generation Nummer in die Verantwortung. Mit diesem Tag wird Thomas Schreiner den Hof an seinen ältesten Sohn Tobias übergeben. Und – was wird sich da ändern? Tobias Schreiner überlegt kurz, lacht und sagt mit fester Überzeugung: „Der Vorname. Aber beim Rest bleibt alles beim Alten.“
Die Ahnenforschung seines Schwagers hat Thomas Schreiner mit großem Interesse verfolgt. Die Spuren der Familie bis ins 16. Jahrhundert haben ihn schwer beeindruckt. „Man wird demütig, wenn man weiß, was seine Vorfahren alles durchgemacht haben“, sagt der 64-Jährige. Dabei würden alleine die vergangenen drei, vier Jahrzehnte schon Stoff für gewiss kein schlechtes Buch über eine mutige Landwirtsfamilie hergeben.
Das Kapitel um den geplanten Verkehrslandeplatz bei Wiesenfeld hätte in diesem Buch einen großen Anteil. Der Schreiner-Hof, das wurde im Lauf der Planungen klar, wäre neben einem Flugplatz nicht mehr überlebensfähig gewesen. Erst nach dem Aus für die Planungen für einen neuen Verkehrslandeplatz verwirklichten die Schreiners den Bau ihres zweiten Stalles. „Viel Geld und Nerven“, sagt Ehefrau Monika, hat die heiße Phase der Flugplatz-Diskussion zwischen 2014 und 2019 der Familie gekostet. Als alles vorbei war, fiel allen im Hause Schreiner eine schwere Last ab.
Bis zur Flugplatzdiskussion lief im Wiesenfelder Hof mit der mächtigen Linde im Mittelpunkt eigentlich alles wie am Schnürchen. Als Thomas Schreiner Mitte der siebziger Jahre seine Ausbildung zum Landwirt begann, hatte der Familienbetrieb 21 Milchkühe und 50 Schweine – das war damals schon ein bisschen wenig. Viele rieten den Schreiners, eine großen Kuhstall zu bauen. Sie taten es nicht, holten sich stattdessen 1989 Damwild auf den Hof und machten damit den ersten Schritt zur Direktvermarktung. Fünf Jahre später stand eine Grundsatzentscheidung an: Mit Fleisch und Wurst auf die Bauernmärkte gehen oder einen eigenen Laden eröffnen? Bei drei Kindern (Tobias, Simon und Fabian) im Haus war der Laden die logische Wahl.
Thomas Schreiner ist kein Typ für Wege, die alle gehen. Deshalb standen bei ihm 2008 dann auch die ersten Pig Ports im Coburger Land. Von Pig Ports hatte der Wiesenfelder Landwirt „noch nie im Leben was gehört“, bis ihn ein Berater des Coburger Landwirtschaftsamtes von dieser tiernahen Haltungsform für Schweine berichtete. Thomas Schreiner schaute sich Pig Ports im Elsass an, modifizierte die Idee auf seine Belange und baute – mit tatkräftiger Hilfe vieler Freunde und der Dorfgemeinschaft – seinen ersten Stall für „Wohlfühlschweine“.
Manch einer habe über die „Wohlfühlschweine“ gelacht, erinnert sich Thomas Schreiner. Der Begriff ist längst das Markenzeichen des Schreiner-Hofs geworden, auch wenn zuletzt seinen Wagyu-Rindern mehr die öffentliche Aufmerksamkeit galt. Das Fleisch der „Wohlfühlschweine“ wird im Handel mit der seltenen Haltungsform 3 ausgezeichnet und füllt damit die kleine, aber begehrte Nische zwischen konventioneller Haltung und Bio-Fleisch. Tobias Schreiner fühlt sich dort pudelwohl: „In Kombination mit der Direktvermarktung ist das für uns die perfekte Konstellation.“
Deshalb setzt der 33-Jährige auf das, was sein Vater aufgebaut hat: zwei Wohlfühlställe, 600 Schweine, Wagyu, Damwild, Direktvermarkung, zehn Angestellte. „Ich wüsste nicht, was ich ändern soll“, sagt Tobias, der mit Frau und Tochter auf dem Schreiner-Hof lebt. Dass er einmal den Hof übernehmen würde, war früh klar. Noch weit vor seiner Meisterprüfung (mit Staatspreis) als Metzger. Eigentlich schon seit seiner Kindheit, sagt Vater Thomas und lacht. Denn Traktorfahren und in der Metzgerei mithelfen waren für Tobias schon mit fünf, sechs Jahren die tollsten Sachen. Die wichtigste Weichenstellung war dann doch erst 2010 die Erweiterung der Metzgerei – abgesprochen mit Tobias. „Wir hätten das nicht gemacht, wenn wir nicht sicher gewesen wären, dass es weitergeht“, erinnert sich Thomas Schreiner.
Mit der Betriebsübergabe werden Monika und Thomas Schreiner ihrer Reiseliste nach Japan, Island und Kuba bestimmt noch ein paar andere Länder hinzufügen. Aber so ganz ohne tägliche Aufgaben – das wäre natürlich nichts. Thomas Schreiner wird weiter auf dem Hof leben und mit anpacken, wobei für ihn klar ist, dass ab sofort Tobias die großen Entscheidungen treffen wird. „Wir sind da raus“, ruft Monika Schreiner ganz schnell zur Bestätigung. Ob das eine Drohung oder ein Versprechen ist, vermag sie selbst nicht so genau zu sagen. Eine Erfahrung hat Thomas Schreiner dann doch noch, die er seinem Sohn mit auf den Weg gibt: „Ich habe mich immer als Betriebsleiter gesehen. Gehört hat der Hof der ganzen Familie.“ Einer Familie mit langer Geschichte, die auf jeden Fall noch eine Generation lang fortgeschrieben wird.
Neueste Kommentare