Verbandskongress des Bayerischer Richtervereins in Bamberg
Der Rechtsstaat ist (heraus-)gefordert
Eine Festveranstaltung in den Harmoniesälen in Bamberg bildete am 13.06.2024 den Auftakt für den dreitägigen landesweiten Verbandskongress des Bayerischen Richterverein e.V. (BRV), des mit über 3.000 Mitgliedern größten Berufsverbands der Richter und Staatsanwälte in Bayern.
Zahlreiche hochrangige Gäste aus Rechtspflege, Politik und Gesellschaft folgten der Einladung der BRV-Vorsitzenden Barbara Stockinger und wurden von Oberbürgermeister Andreas Starke namens der Stadt Bamberg willkommen geheißen.
In seinem Grußwort bescheinigte Bayerns Justizminister Georg Eisenreich der Justiz, gerade in der Krise als Kontrollinstanz politischen Handelns funktioniert zu haben. Bei allen unterschiedlichen Meinungen zu einzelnen Gerichtsentscheidungen dürfe die Unabhängigkeit der Justiz daher nie in Frage gestellt werden. Eisenreich verknüpfte seinen Dank für die geleistete Arbeit in herausfordernden Zeiten mit der Versicherung, sich in personeller, aber auch gesetzgeberischer Hinsicht dafür einzusetzen, dass die Dritte Gewalt im Staate ihren Aufgaben gerecht werden könne. Die Digitalisierung der Justiz sei dabei ein wichtiger Baustein für eine moderne, bürgerfreundliche Justiz, so der Minister.
Am geschichtsträchtigen Tagungsort der verfassungsgebenden Versammlung, die im Jahr 1919 die so genannte „Bamberger Verfassung“ für den damals neuen Freistaat Bayern verabschiedete, hielt der Richter des Bundesverfassungsgerichts Prof. Dr. Heinrich Amadeus Wolff den Festvortrag. Unter dem Titel „Zur Unabhängigkeit der Verfassungsjustiz“ setzte er sich mit dem Schutz der Verfassungsgerichtsbarkeit vor politischer Angreifbarkeit auseinander. Hierbei zeigte er mögliche Gefährdungsszenarien auf und legte dar, über welche Sicherungsinstrumente jeweils nachgedacht werden könnte.
Bei der sich am Freitag und Samstag anschließenden Arbeitstagung befassten sich die rund 90 Delegierten mit Fragen der Funktions- und Zukunftsfähigkeit der Justiz in Zeiten des Umbruchs, innen- und weltpolitischer Krisen und des Erstarkens populistischer und extremistischer Kräfte. Der Umgang mit Personalengpässen stand dabei ebenso auf der Tagesordnung wie technische Herausforderungen, denen sich die Justiz im Zeitalter der Digitalisierung zu stellen hat.
Die Aufgabenlast der Justiz hat in den letzten Jahren eine enorme Steigerung erfahren: Cybercrime, Kinderpornographie, Internetbetrug, Pflegebetrug, politischer Extremismus, Antisemitismus, Hass uns Hetze in sozialen Medien, Reichsbürger, Klimakleber, Massenverfahren, grenzübergreifende Kriminalität, steigende Jugendkriminalität, zunehmende Gewalttaten gegen Politiker, Polizei und Rettungskräfte – das sind nur einige der Herausforderungen, denen sich die Justiz derzeit gegenübersieht. Gerade auch die Staatsanwaltschaften ächzen unter einer massiven Überlastung, die mittlerweile eine Gefahr für eine effektive Strafverfolgung darstellt. Die Delegierten waren sich einig, dass die Justiz in einer solchen Situation in besonderem Maße gefordert ist und der Unterstützung bedarf.
Barbara Stockinger als Landesvorsitzende bestätigt
Schließlich wählten die Delegierten eine neue Verbandsspitze. Mit großer Mehrheit bestätigte die Versammlung die Vorsitzende Richterin am Oberlandesgericht München Barbara Stockinger als Landesvorsitzende des BRV. Als stellvertretende Vorsitzende wurden die Vorsitzende Richterin am Landgericht Simone Bader aus Augsburg und Oberstaatsanwalt Olaf Beller aus Bamberg gewählt.
In ihrer Antrittsrede umriss Stockinger die Zielsetzungen der künftigen Verbandsarbeit und betonte die Rolle der Justiz als Garant für innere Sicherheit und Stabilität. „Wenn Politiker anlässlich bestimmter Ereignisse jedes Mal aufs Neue die volle Härte des Rechtsstaats fordern, so sei ihnen gesagt: Die gibt es nicht zum Nulltarif.“ so Stockinger. Die Zeiten eklatanter Personallücken und beschämender Arbeitsbedingungen müssten ein Ende haben, um mit qualifizierten und engagierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern die Funktionsfähigkeit der Justiz aufrecht erhalten zu können.
Stockinger abschließend: „In Zeiten gesellschaftlicher Verunsicherung und Radikalisierung liegt die Stärkung des Rechtsstaats im ureigenen und unmittelbaren Interesse der Bürgerinnen und Bürger.“
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