OB Starke bei Festsitzung in Bamberg: „Das Grundgesetz ist ein großartiges Geschenk“

Oberbürgermeister Andreas Starke bei seiner Rede im gut besetzten Spiegelsaal der Harmonie (Foto: Stadtarchiv Bamberg, Jürgen Schraudner)
Oberbürgermeister Andreas Starke bei seiner Rede im gut besetzten Spiegelsaal der Harmonie (Foto: Stadtarchiv Bamberg, Jürgen Schraudner)

Mit einer Festsitzung würdigt der Bamberger Stadtrat die Bedeutung der Verfassung, die vor 75 Jahren entstanden ist

„Die Politik kann und darf die ‚Würde des Menschen‘ nicht außer Acht lassen“: Oberbürgermeister Andreas Starke rief eine der wesentlichen Aussagen des Grundgesetzes, das vor 75 Jahren in Kraft getreten ist, in seiner Rede in Erinnerung. Am Mittwoch kam der Bamberger Stadtrat in einer Festsitzung zusammen und befasste sich mit den Werten der Verfassung, die der deutschen „Demokratie ein prägendes Gesicht“ gegeben hat. Die Festrede hielt Nora Gomringer, die Direktorin des Internationalen Künstlerhauses Villa Concordia. Sie stellte das Grundgesetz wortgewandt in spannende kulturelle Zusammenhänge.  

Die feierliche Veranstaltung fand an einem „Ort der Demokratie“ statt, nämlich dem Spiegelsaal der Harmonie, wo im Jahr 1919 die erste Bayerische Verfassung, die sogenannte „Bamberger Verfassung“, beraten und beschlossen worden war. Andreas Starke schlug in seiner einleitenden Rede einen Bogen von der Entstehung des Grundgesetzes bis heute. In Anwesenheit der israelischen Generalkonsulin Talya Lador Fresher betonte er: „Das Grundgesetz hat eine klare Botschaft: „Nie wieder“. Dies ist Inhalt und Gehalt der Bundesdeutschen Demokratie, die DNA unseres politischen Handelns, sowohl nach innen als auch nach außen. Die fürchterlichen Holocaust-Verbrechen hatten natürlich die Beratungen im Parlamentarischen Rat auf Herrenchiemsee bestimmt.“

Das Stadtoberhaupt hob hervor, dass bedeutende Bamberger Politiker an der Ausgestaltung des Grundgesetzes beteiligt waren. Allen voran nannte er Hans Ehard. Der Sohn des Bamberger Stadtkämmerers nahm als bayerischer Ministerpräsident Einfluss und bemühte sich um die Verankerung von förderalen Elementen, um den Einfluss der Länder größer und die Kompetenzen des Bundes kleiner zu machen. Ihm sei es zwar nicht gelungen, alle seine Forderungen durchzusetzen, beugte sich jedoch der Mehrheitsentscheidung und erzwang die Annahme des Gesetzes in Bayern gegenüber seiner Partei, indem er mit seinem Rücktritt drohte. Starke würdigte Ehard deshalb als „Vorzeige-Demokraten“: „Von diesem vorbildlichen Demokratie-Verständnis können wir uns heute noch eine Scheibe abschneiden und daraus lernen.“ Als Mitglied im Parlamentarischen Rat wirkte der Bamberger Jurist und FDP-Politiker Dr. Thomas Dehler unmittelbar am Text des Grundgesetzes mit. „Besonders wichtig war ihm eine klare Trennung von Staat und Gesellschaft, ganz der liberalen Programmatik folgend“, stellte Starke fest.

Der OB verband die Geschichte aber auch mit aktuellen Entwicklungen: „Was für ein großartiges Geschenk diese Verfassung aus dem Jahr 1949 ist, wurde dem einen oder anderen vielleicht erst in den vergangenen Monaten bewusst, als deutlich wurde, welchen Gefahren unsere Demokratie gegenwärtig ausgesetzt ist. Doch gleichzeitig durften wir erfahren, dass unsere Demokratie kraftvoll sein kann: Die freien Medien deckten Anfang des Jahres rechtsradikale Umtriebe auf, mit einem Netzwerk, das Deportationen von ausländischen Mitbürgerinnen und Mitbürgern forderte.“ Er dankte allen „freiheitsliebenden Menschen“, die auch in Bamberg auf die Straße gegangen sind, um Farbe für die Demokratie und die Menschenrechte zu bekennen.

Kultur, Literatur – und Politik

Nora Gomringer begann ihre Rede mit Musik. Es sei die G-Moll Fantasie von Johann Sebastian Bach zu hören gewesen, als „vor 75 Jahren das Grundgesetz zum ersten Mal von allen gelesen, in die Hand genommen und als Abdruck eines durch und durch unwahrscheinlichen Ausdrucks tiefen Vertrauens in die moralisch zum Guten verfasste menschliche Existenz verstanden werden konnte“. Auf ihre besondere poetische Weise gelang es ihr, viele kulturelle und literarische Verbindungen zum Grundgesetz herzustellen und den Blick auf Feinheiten und Bezüge zu lenken, die leicht übersehen werden können. „Sie haben sich keine Person des Rechts, keine Philosophin eingeladen, sie haben sich eine oft sehr isoliert arbeitende und langsam nur meinungfindende Dichterin als Festrednerin erwählt“, erklärte sie ihre Herangehensweise.

Frei von politischen Anmerkungen von bestimmten Handlungen, Angriffen, Worten konnte und wollte Gomringer jedoch nicht sprechen. So bemerkte die Leiterin der Villa Concordia augenzwinkernd zur Entstehung des Grundgesetzes: „Heute wäre das undenkbar, nämlich: Die Formulierung eines Textes, der für alle Allgemeingültigkeit haben sollte, ohne dass nicht mindestens Herr Wilker und Frau Gomringer, Hinz und Kunz, Kreti und Pleti ihre Meinung ausschütteten. Nach heutigem Gefühl wäre es ja sogar falsch, wäre ein solcher Akt nicht von größtmöglicher Öffentlichkeit und Partizipationsmöglichkeiten begleitet.“

Auch dass die Verfassung bedroht sei „von bestimmten Handlungen, Angriffen, Worten“ fand Platz in ihren Ausführungen. Sie nahm diese Feststellung der Medien zum Anlass, alle in die Pflicht zu nehmen: „Meine Wahrnehmung und Hoffnung für das Leben im und mit dem Grundgesetz ist eine andere, denn auch unser Grundgesetz birgt keine Garantie für das Gelingen der Demokratie in Deutschland. Das Gelingen liegt tatsächlich an uns.“

Mit Musik klang die Festsitzung aus. Das Bamberger Streichquartett mit Milos Petrovic, Andreas Lucke, Branko Kabadaic und Karlheinz Busch hatte die gesamte Veranstaltung umrahmt und stimmte zum Schluss noch die „Deutsche Hymne“ an, zu der sich die Besucherinnen und Besucher im gut gefüllten Spiegelsaal erhoben und „Einigkeit und Recht und Freiheit“ mitsangen.

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