Aus dem Takt: Milder Februar verändert Rhythmus in Bayerns Natur
Vögel singen und brüten früher, Amphibien wandern bereits, Fledermäuse erwachen aus dem Winterschlaf
Der Wintermonat Februar zeigt sich in weiten Teilen Bayerns aktuell überraschend frühlingshaft. Die Temperaturen klettern tagsüber auf über 10 Grad und fallen auch nachts vielerorts nicht unter Null. „Die überdurchschnittlich warmen Temperaturen wirken sich erkennbar auf die Tier- und Pflanzenwelt aus. Amseln und Meisen singen bereits in vollen Tönen, die ersten Amphibien wandern zu ihren Laichgewässern und auch einige Fledermausarten unterbrechen den Winterschlaf in ihren Höhlen“, sagt die LBV-Biologin Dr. Angelika Nelson. „Der Jahreszyklus der Tiere orientiert sich stark an der Tageslänge, aber auch aktuelle Wetterbedingungen beeinflussen das Verhalten. Besonders langanhaltende, starke Abweichungen von Temperatur und Niederschlag, wie sie in den letzten Jahren aufgrund der Klimakrise immer häufiger vorkommen, können dazu führen, dass Tiere früher im Jahr aktiv werden und sich eher fortpflanzen.“ Der bayerische Naturschutzverband LBV (Landesbund für Vogel- und Naturschutz) erklärt, welche Auswirkungen des milden Wetters im Februar man derzeit in der Natur beobachten kann und mahnt die Anstrengungen im Klimaschutz dringend zu verschärfen.
Die anhaltend milden Temperaturen wecken Frühlingsgefühle bei den Vögeln. Amseln singen in der Morgen- und Abenddämmerung, Kohl- und Blaumeisen stecken mit lautstarkem Gesang ihre Reviere ab. Zugvögel, die nur kurz Strecken ziehen, kehren bereits in die bayerischen Brutgebiete zurück. Wer aufmerksam ist, kann zum Beispiel schon Stare im Freistaat entdecken. Auch erstes Brutverhalten zeigt sich: Goldammern singen in den Hecken und Weißstörche beziehen ihre Nester. „Einige Vögel scheinen auf den ersten Blick gut mit dem verkürzten Winter klarzukommen. Sie können sich offenbar anpassen und haben vielleicht sogar Vorteile, denn wer früher mit der Brut beginnt, brütet in vielen Fällen auch länger und kann mehr Nachkommen großziehen“, so die LBV-Biologin.
Doch nicht alle Tiere profitieren von den neuen Gegebenheiten. Langstreckenzieher, wie der Trauerschnäpper, verweilen noch weit entfernt im südlichen Afrika. Kehren sie dann zur üblichen Zeit zurück, finden sie oft keine Nisthöhlen mehr, da diese bereits von den Standvögeln wie Meisen und Kleiber besetzt sind. Doch auch diese Daheimgebliebenen können ihre erste Brut bei einem plötzlich auftretenden Wintereinbruch wieder verlieren. „Der Klimawandel reißt gut eingespielte Zusammenhänge in Ökosystemen auseinander. So kann es passieren, dass Vögel bereits Junge haben, aber noch keine Nahrung für sie finden, weil sich manche Insekten noch in der Winterstarre befinden“, sagt Angelika Nelson.
Der sonst eher trockene Februar sorgt in diesem Jahr mit ausgiebigem Regen lokal auch für Überschwemmungen. „Die Regenfälle sind für die Auwälder entlang der bayerischen Flüsse ein Segen, weil sie endlich einmal wieder richtig durchnässt werden. Wat- und Entenvögel, unter ihnen noch viele Wintergäste, freuen sich über das reichhaltige Nahrungsangebot an wirbellosen Bodentieren auf den überschwemmten Wiesen“, erklärt die LBV-Biologin. Das wärmere und nasse Wetter lässt auch Amphibien früher wandern als im Vorjahr, was zum Problem werden kann, wenn die Zäune zum Schutz bei Straßenüberquerungen noch nicht aufgestellt sind. Auch die ersten Feuersalamander wurden bereits gesichtet. „Kröten und Frösche sind unterwegs zu ihren Laichgewässern, wenn die nächtlichen Temperaturen 6 Grad erreichen und gleichzeitig warmer Regen fällt. Dann kommen tausende Grasfrösche, Springfrösche, Molche und Kröten aus ihren Winterquartieren, meist aus den Wäldern, und begeben sich auf Brautschau“, berichtet Nelson.
Selbst Tiere, die den Winter in Höhlen verbringen, bleiben von den Veränderungen nicht verschont. So unterbrechen Fledermäuse häufig ihren Winterschlaf, wenn Temperatur und Luftfeuchtigkeit ihres Quartiers nicht mehr passen. „Der Winterschlaf, wie ihn zum Beispiel auch der Igel in den Gärten hält, ist eine wichtige Ruhephase für viele Tiere. Die Entwicklung der kommenden Jahre wird zeigen, wie sich solche Störungen auf Lebensdauer und Fortpflanzungserfolg der Tiere auswirken“, sagt Angelika Nelson.
Gemeinsam für den Klima- und Naturschutz
2023 war das wärmste Jahr seit Beginn der Wetteraufzeichnungen in Bayern. Wissenschaftliche Studien aus den vergangenen zehn Jahren liefern eindeutige Indizien, dass die Veränderungen des Klimas die Tier- und Pflanzenwelt massiv beeinflussen und verändern. Ökologische Zusammenhänge und bislang vertraute Tier- sowie Pflanzengemeinschaften werden erheblich durcheinandergewirbelt. Der LBV setzt sich auf vielen Ebenen für den Klimaschutz ein. Der Naturschutzverband fordert, erneuerbare Energien naturverträglich auszubauen, Moore zu renaturieren und heimische Wälder zu erhalten. Im Rahmen einer Bildung für nachhaltige Entwicklung werden der jungen Generation Werte für Nachhaltigkeit und Naturschutz an Umweltstationen und in Bildungsprojekten vermittelt.
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