Erlanger Stadtrat soll getrennte Abstimmung für den StUB-Westast ermöglichen
Bitte um Einbringung eines Antrags in den Stadtrat am 29. Februar zur Fragestellung für das Ratsbegehren Stadt-Umland-Bahn
Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,
sehr geehrte Stadträtinnen und Stadträte,
wir möchten Sie bitten, in den Stadtrat vom 29. Februar zum Tagesordnungspunkt Ratsbegehren Stadt-Umland-Bahn folgenden Antrag einzubringen:
Antrag:
Der Stadtrat formuliert für das Ratsbegehren zur Stadt-Umland-Bahn am 9. Juni zwei Fragen, in denen getrennt über a) einen ersten Streckenabschnitt von Nürnberg nach Erlangen und b) einen zweiten Streckenabschnitt von Erlangen nach Herzogenaurach abgestimmt wird. Aus der Frage zum zweiten Abschnitt geht hervor, dass dieser – so sich der Stadtrat nicht doch noch für die Streckenvariante Büchenbacher Damm entscheidet – mit dem Bau einer neuen Regnitztalquerung über den Erlanger Wiesengrund „Wöhrmühlbrücke“ verbunden ist.
Konkreter Vorschlag:
1. Sind Sie dafür, dass ein erster Streckenabschnitt der Stadt-Umland-Bahn (StUB) von Nürnberg nach Erlangen Zentrum realisiert wird?
2. Sind Sie – für den Fall, dass die StUB von Nürnberg nach Erlangen Zentrum realisiert wird – dafür, dass ein zweiter Streckenabschnitt der StUB von Erlangen Zentrum nach Herzogenaurach mit einer neuen Talquerung für StUB und Busse über den Erlanger Wiesengrund (Wöhrmühlbrücke) realisiert wird?
Bemerkung aus aktuellem Anlass:
Durch das Bekanntwerden des Schreibens von CSU-Innenminister Herrmann zum Herabstufungsprozess der B4 in Erlangen ist weiterhin unklar, ob die derzeit anvisierte Trassenführung im Bereich der Brucker Lache auf zwei Spuren der B4 wirklich durchführbar ist. Wir halten die Klärung dieses Sachverhalts für dringend, denn sie ist eine wichtige Voraussetzung für die Entscheidungsfindung der Bevölkerung. Schließlich geht es um erhebliche Eingriffe in den Bannwald (Landschaftsschutz- und Vogelschutzgebiet) in unmittelbarer Umgebung des Naturschutzgebiets Brucker Lache.
Christine Höfer-Kliesch und Gisela Löhr, Damaschkestraße 49 und 56, Sebastian Rieckeheer, Membacher Weg 13, jeweils 91056 Erlangen. Besuchen Sie uns regelmäßig auf unserer Internetseite: www.wiesengrundfreunde.net
Begründung für den Antrag:
Im Jahr 2019 entschied der Erlanger Stadtrat, die StUB mit einer neuen Regnitztalquerung im sogenannten mittleren Korridor des Erlanger Wiesengrundes (Wöhrmühlbrücke oder Kosbacher Brücke) planen und realisieren zu wollen. Hauptgrund der damaligen Entscheidung war die Tatsache, dass das StUB-Projekt aufgrund der Förderbedingungen auf Bundesebene nur mit einem neuen Brückenbauwerk in eben diesem Bereich förderfähig und damit realisierbar war. Durch eine Reform des Standardisierten Bewertungsverfahrens im Jahr 2022 haben sich die Förderbedingungen des Bundes jedoch substanziell geändert. Eine neue Brücke über den Erlanger Wiesengrund ist keine Grundbedingung mehr für das Projekt. Förderfähig wäre nun auch eine Führung entlang der bestehenden Regnitzquerungen (Dechsendorfer oder Büchenbacher Damm). Zudem wurde im letzten Dialogforum bekannt, dass jetzt auch schon die alleinige Verlängerung der Nürnberger Straßenbahn bis zum Erlanger Hauptbahnhof für sich genommen förderfähig wäre (NKI von 1,6-1,7, siehe Dialogforum vom 28. 11. 23 unter den Fragen „Ist es möglich, den ersten Abschnitt…“ und „Es wird also eine Gesamtschätzung benötigt, …“). Die Prüfung auf Förderfähigkeit eines ersten Bauabschnitts hatte die Nürnberger SPD veranlasst mit der Intention, den Baubeginn der StUB-Trasse in Richtung Erlangen von Planungsverzögerungen in der Peripherie des Projekts unabhängig zu machen und priorisiert voranzutreiben (siehe Verkehrsausschus s N bg vom 21.09.23). Auch die Planenden im Zweckverband würden eine Teilung des Projekts begrüßen, um den Baubeginn vorzuziehen (Zitat Stadt Erlangen/OB Janik auf dem Dialogforum vom 22. 03. 23, siehe unter Frage „Von Nürnberg nach Erlangen …“). Die Teilung des derzeit 26 km langen StUB-Projekts in zwei Abschnitte und die sich daraus ergebende Flexibilität bringt weitere Vorteile:
1. Ökologisch und ökonomisch sinnvolle Umplanungen werden möglich
Die jetzt geplante StUB-Trasse von Erlangen nach Herzogenaurach (Westast) ist unverhältnismäßig ressourcenaufwendig. Fast alle Großbauwerke des StUB-Projekts befinden sich auf dem Abschnitt westlich der Arcaden:
- Untertunnelung der ICE-Trasse und Friedrich-List-Straße bis hinter den Bahnhof mit teilweise innen liegenden Weichenanlagen
- Unterquerung der A73 ins Überschwemmungsgebiet der Regnitz
- Neue 1400 m lange Wöhrmühlbrücke mitten durch den Erlanger Wiesengrund
- Weiteres Brückenbauwerk über die A3
Um die Umweltbilanz des StUB-Projekts* zu verbessern, wären Umplanungen geboten. Die Teilung des Projekts in zwei Streckenabschnitte macht dies möglich: Z.B. könnten die Planungen zum Westast zurück- oder eingestellt, die StUB von Nürnberg nach Erlangen sowie der Ostast weiter geplant werden. Ein NKI von 1,6 (siehe oben) sollte eine Planung ermöglichen, bei der die StUB auf der Ostseite des Erlanger Bahnhofs verbleibt. Dadurch würden alle oben genannten Großbauwerke vermieden. Dies wäre auch aus ökonomischen Gründen sinnvoll. Die knapper werdenden Steuermittel sollten nicht mit vermeidbaren Großbauwerken verschwendet, sondern so effizient wie möglich für die Mobilitätswende eingesetzt werden. Herzogenaurach könnte mit der Reaktivierung der Aurachtalbahn einen S-Bahn-Anschluss an das DB-Schienennetz erhalten. Weitere Vorteile für Herzogenaurach wären bei dieser Lösung die gleichzeitige Entlastung der Niederndorfer Hauptstraße und die Möglichkeit, auch Güterverkehr auf die Schiene verlagern zu können.
* siehe auch Klimabilanz der StUB der BI Wiesengrundfreunde
Christine Höfer-Kliesch und Gisela Löhr, Damaschkestraße 49 und 56, Sebastian Rieckeheer, Membacher Weg 13, jeweils 91056 Erlangen. Besuchen Sie uns regelmäßig auf unserer Internetseite: www.wiesengrundfreunde.net
2. Mittels einer angemessenen Mitbestimmung durch die Bürgerinnen und Bürger kann und sollte jetzt eine klare Entscheidung herbeigeführt werden; dies würde auch die Demokratie stärken Das politische Umfeld des StUB-Projekts lässt für das Ratsbegehren eine Ganz-oder-gar nicht-Fragestellung (StUB Ja oder nein?) erwarten. Dieses Vorgehen ist problematisch, denn durch die
mögliche Teilung des Projekts wären jetzt auch Kompromisse oder „kleine Lösungen“ umsetzbar. Da diese in einer Alles-oder-nichts-Frage nicht abgebildet sind, sind auch die Befragten in ihren Entscheidungsmöglichkeiten eingeschränkt und werden dazu gedrängt, in die eine oder andere Richtung „Kröten zu schlucken“. Dies macht auch das Ergebnis der Abstimmung nicht zielgerichtet interpretierbar, denn eine Teilung wäre im Nachgang der Abstimmung weiterhin möglich und könnte somit auch wieder auf die politische Tagesordnung kommen. Was bedeutet z.B. eine mehrheitliche Ablehnung des jetzt geplanten Gesamtprojekts? Ist damit sicher, dass die Mehrheit auch gegen eine Verlängerung der Nürnberger Straßenbahn nach Erlangen ist, welche Bedingung für den Ostast wäre? Es besteht also auch aus demokratischen Gründen der Anlass, den Bürger und Bürgerinnen die machbare Alternative einer Zweiteilung der Streckenführung auf Erlanger Stadtgebiet aufzuzeigen und zur Abstimmung vorzulegen, um eine klare Entscheidung herbeizuführen. Hierfür bietet sich die getrennte Befragung zu einem ersten und einem zweiten Streckenabschnitt der StUB an.
Das Anliegen der Bürgerinitiative Wiesengrundfreunde:
Wie Sie wissen, ist das Kernanliegen der Bürgerinitiative Wiesengrundfreunde die Bewahrung des Erlanger Wiesengrundes vor einer weiteren Zerschneidung durch eine neue Hauptverkehrsachse. Gleichzeitig unterstützen wir alle Bemühungen, die Mobilitätswende in und um Erlangen in einer dem Erlanger Klimanotstand angemessenen Form voranzubringen. Vorrangig ist für uns dabei – wie in der Studie zum Erlanger Klimanotstand gefordert – der konsequent schonende und effiziente Umgang mit Ressourcen.
Die Aktiven unserer Bürgerinitiative haben beim Bürgerentscheid im Jahr 2016 zum überwiegenden Teil für das StUB-Projekt gestimmt, teilweise sogar dafür Werbung gemacht. Seit der Entscheidung des Stadtrats im Jahr 2019, für die StUB eine anderthalb Kilometer lange Brücke mitten durch Erlangens größtes Landschaftsschutzgebiet, den Erlanger Wiesengrund, zu bauen,
haben wir uns eingehend mit den Trassenplanungen wie auch mit den verkehrlichen Gutachten zum Projekt befasst. Nach den uns vorliegenden Zahlen steht der verkehrliche Nutzen des Projekts in keinem Verhältnis zu den Klimaschäden durch den Bau der geplanten Trassenbauwerke. Folglich halten wir auch die geplante Beanspruchung von Landschaft und Natur für das Projekt für nicht gerechtfertigt. Zudem sind wir überzeugt, dass es für große Trassenabschnitte wesentlich ressourcenschonendere Alternativen gibt, die bei entsprechendem politischen Willen erfolgreich umsetzbar wären. Bei einer Alles-oder-Nichts-Frage über das Gesamtprojekt werden wir diese daher entschieden ablehnen und auch in der Öffentlichkeit nach Kräften für eine Ablehnung werben.
Bei einer zweiteiligen Fragestellung würden wir für die Entscheidung zum ersten Trassenabschnitt keine Empfehlung abgeben. Denn zwar sehen wir auch im Abschnitt von Nürnberg Wegfeld bis zum Erlanger Bahnhof mit der aktuellen Ausführung einen noch zu geringen Effekt zugunsten der Verkehrswende sowie ökologisch fragwürdige Teilplanungen:
- Unnötige Querung eines Landschaftsschutzgebiets in Tennenlohe
- Die weiterhin unklare Situation im Bereich der Brucker Lache (siehe Vorbemerkung). Wir möchten an dieser Stelle darauf hinweisen, dass bei der von der Stadtratsmehrheit angestrebten Führung der StUB auf zwei Fahrspuren der B4 nach den bisherigen Planungen zwar keine Eingriffe in den westlich der B4 liegenden Bannwald stattfinden, dafür aber in den Wald auf der Ostseite der B4 durch Anbau einer dritten Spur. Auch dieser Wald ist Landschafts- und Vogelschutzgebiet.
- Unnötige Trassenführung durch die bisher verkehrsberuhigte Fritz-Bauer-Straße
- Überfahrung des Langemarckplatzes inkl. Parkanlage mit Verlust von Grünflächen und großen Bäumen (Schutz vor zunehmender innerstädtischer Hitzeentwicklung in der Klimakrise)
Wir denken jedoch, das mit dem Wegfallen des Westastes auch der erste Trassenabschnitt von Nürnberg nach Erlangen nochmals substanziell umgeplant werden könnte und müsste. Dabei halten wir – angesichts der schieren Notwendigkeit zur Bewältigung der Klimakrise – auch in den nächsten Jahren weitere, radikale Änderungen der Planungsbedingungen für möglich, durch die
sich schließlich doch noch eine ökologisch zielführende StUB-Trasse vorrangig auf den großen vierspurigen Ein- und Ausfallstraßen Erlangens planen und umsetzen lassen sollte. Wir fordern alle demokratischen Parteien im Erlanger Stadtrat auf, die neuen Möglichkeiten, die sich mit der Änderung der Standardisierten Bewertung auftun, für die StUB-Planung zu nutzen und durch eine angemessene Befragung der Erlanger Bevölkerung eine für Erlangen und die Umwelt bestmögliche und klare Entscheidung herbeizuführen.
Abschließend möchten wir an dieser Stelle wiederholt darauf aufmerksam machen, dass die Stadt Erlangen (exemplarisch für ganz Deutschland) in den nächsten Wochen die 1,5-Grad-Grenze auf lokaler Ebene überschreiten wird. Um nicht weitere Ziele zu verfehlen, müssen die Emissionen jetzt sehr schnell sinken. Auf die StUB können wir hierfür nicht mehr warten, erst recht nicht dort, wo die Trasse erst in vielen Jahren fertiggestellt sein wird und der dafür notwendige Bauaufwand sich dann noch über Jahrzehnte nicht – wenn überhaupt – amortisiert (Westast). Überall kommt es jetzt auf alle von uns an: Wir sind gefragt, vorhandene Angebote und Möglichkeiten zu nutzen, um möglichst klimaneutral und ressourcenschonend unterwegs zu sein (Bahnen, Busse, Carsharing, Mitfahrangebote, Roller, Fahrrad, Zufußgehen). Nicht zuletzt müssen wir unnötigen Verkehr vermeiden. Die Stadt sollte die genannten Strukturen intensiv und schnell fördern, indem sie z.B. zeitnah das Radnetz ausbaut, das Busangebot erweitert und optimiert – und dabei nicht auf die Realisierung im Zusammenhang mit der StUB verweist bzw. wartet – , die Tarifstrukturen im ÖPNV vereinfacht und Mitfahrangebote im Individualverkehr fördert. In diesem Szenario hat die StUB als zukünftiges Verkehrsmittel nur einen Platz, wenn sie ressourcenschonend gebaut wird.
Mit freundlichen Grüßen,
i.V. für die Bürgerinitiative Wiesengrundfreunde
Christine Höfer-Kliesch, Gisela Löhr und Sebastian Rieckeheer
Christine Höfer-Kliesch und Gisela Löhr, Damaschkestraße 49 und 56, Sebastian Rieckeheer, Membacher Weg 13, jeweils 91056 Erlangen. Besuchen Sie uns regelmäßig auf unserer Internetseite: www.wiesengrundfreunde.net
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