Vorstandsvorsitzender der Bundesstiftung Baukultur zu Besuch im Landkreis Kulmbach unter dem Motto des diesjährigen Baukulturberichtes 2022/23 „Umbaukultur“ – Von der Hafencity Hamburg nach Thurnau

Am vergangenen Montag durfte die Bundestagsabgeordnete Emmi Zeulner den Vorstandsvorsitzenden der Bundesstiftung Baukultur, Reiner Nagel, als führenden Experten im Umgang mit Bausubstanz, in ihrem Wahlkreis willkommen heißen. Er selbst ist ein anerkannter Architekt und Stadtplaner, der schon federführend bei der Errichtung der Hafencity in Hamburg mitgewirkt hat.

Als ersten Termin besichtigten Reiner Nagel und die Bundestagsabgeordnete, zusammen mit dem Thurnauer Bürgermeister Martin Bernreuther und Dr. Kathrin Gentner, Gebietsreferentin des Bayerischen Landesamt für Denkmalpflege für den Landkreis Kulmbach, das Schloss Thurnau. Das Schloss Thurnau wurde durch das Bundesinvestitionsprogramm „Nationale Projekte des Städtebaus“ gefördert und ist ein Paradebeispiel für Sanieren im Bestand und der damit verbundenen Umbaukultur. Bausubstanz konnte erhalten und eine Umnutzung des Schlosses als Tagungsort, Hotel und Standort für das Institut für Fränkische Landesgeschichte der Universitäten Bamberg und Bayreuth möglich gemacht werden. Die Sanierung des Schlosses war und ist eine Bereicherung für den Thurnauer Ortskern. „Ich freue mich sehr über den Besuch von Herrn Nagel in unserem Markt Thurnau. Dank des enormen Einsatzes vom MdB Emmi Zeulner wurde unserer Schlossanlage vor einigen Jahren der Status „Baudenkmal von nationaler Bedeutung“ zugesprochen und entsprechende Förderkulissen konnten genutzt werden, um den Ausbau voranzutreiben. Wenn nun einer der führenden deutschen Experten der Regionalentwicklung feststellt, dass uns dies gut gelungen ist, dann freut das schon sehr“, so Bürgermeister Bernreuther.

„Es ist kaum akzeptabel, dass im kommenden Bundeshaushalt keine Mittel für dieses Programm vorgesehen sind“, stellt die Abgeordnete Zeulner fest. „Projekte wie die Sanierung des Schlosses in Thurnau wird es so in Zukunft nicht mehr geben. Das zeigt den schlechten Stil der Ampel: Ohne die Unterstützung des Bundes können Gemeinden solche aufwendigen und kostenintensive Projekte nicht mehr stemmen und Kommunen werden ein weiteres Mal von der Regierung enttäuscht“, so Zeulner weiter. Rainer Nagel saß selbst in der Jury für die Auswahl der Projekte und bedauert, dass bei der Bewertung der Projekte im Auswahlverfahren nicht in ausreichender Form die Bedeutung des Vorhabens für die Ortsgemeinschaften hervorkommt. „Die Förderung des ländlichen Raums auch durch das Bundesprogramms „Nationale Projekte des Städtebaus“ ist enorm wichtig, um diesen attraktiv zu gestalten“, so Nagel. Nagel und Zeulner bekräftigen, dass sie sich weiterhin für eine Wiederauflage des Bundesprogrammes einsetzen werden.

In einem anschließenden Vortrag beim Unternehmen FrankenMaxit in Azendorf stellte Nagel den Baukulturbericht 2022/23 mit dem Thema „Neue Umbaukultur“ vor.
Der Inhalt des Baukulturberichtes reicht vom anhaltenden Umbau der Städte bis hin zu Fragestellungen zum Umgang mit Baubestand. „Die Zukunft des Bauens liegt in einer neuen Umbaukultur“ beginnt Nagel seinen Vortrag. Angesichts der aktuellen Herausforderungen wie Klimawandel und Ressourcenknappheit muss auch der andauernde Abriss und der damit verbundene Neubau unterbrochen werden. „Der Fokus der Politik, Bauwirtschaft und Öffentlichkeit sollte aus ökologischen Gründen vom Neubau hin zum Umbau verschoben werden. Dies wird vor allem für die kommenden Generationen wertvoll“, so der Vorstandsvorsitzende Nagel. Nagel spricht sich nicht gegen den Neubau per se aus, jedoch verweist er auf eine Studie des Wuppertal Instituts für die Bundesstiftung Baukultur hin, dass die Sanierung eines Effizienzhauses 85, oder auch eines Effizienzhauses 100 aus ökologischer Sicht immer sinnvoller sei, als ein bestehendes Gebäude für einen energieeffizienteren Neubau einzutauschen. Emmi Zeulner stellt fest: „Es wird immer gebaut werden in unsrem Land. Dass zukünftig mehr umgebaut, statt neu gebaut wird, liegt auch in der Verantwortung der Bundesregierung, die entsprechende Anreize setzen könnte.“

Zu Gast waren Unternehmer, Handwerker, Professoren, Architekten und Bürgermeister. Nagel lobte das „exzellente Auditorium“, welches Frau Zeulner zusammengerufen hatte, denn die Bundesstiftung Baukultur „suche geradezu die Bodenhaftung auf kommunaler Ebene“. Denn gerade Kommunen wird ein entscheidender Beitrag in der Bauwende zugesprochen, den die engagierten Bürgermeisterinnen und Bürgermeister natürlich erfüllen wollen. Doch auch Unternehmer klagen über zu wenig Spielraum und über unzureichende Förderungen der Regierung. Doch auch die über 4 Millionen Beschäftigte in der Baubranche bedürfen Unterstützung, so Nagel.

„Bauen werden wir in unserem Land immer“, ist Emmi Zeulner überzeugt, „doch darf Bauen und der sorgsame Umgang mit Flächen kein Widerspruch sein. Und daher plädiere ich für einen Einstieg in eine Flächenkreislaufwirtschaft, welche ich für meine Generation als Aufgabe und Verpflichtung sehe“.
Dabei betonte sie, dass der Gebäudetyp E ein guter Lösungsansatz wäre, wie ihn auch die bayerische Architektenkammer fordert. E steht für experimentell und einfach und stellt ein zusätzliches Angebot innerhalb der Bauordnung dar, welches die geltenden Gebäudeklassen ergänzen soll. Fachkundige Bauherren und Planende, erhalten damit die Freiheit im gegenseitigen Einverständnis auf DIN-Normen zu verzichten und so vom Standard abzuweichen, was zu reduzierten Baukosten führt. „Der Baukulturbericht gibt Inspiration für ein zukunftsorientiertes Bauen und Umbauen und ist daher für die Branche absolut empfehlenswert. Auch die Bundesregierung diese Lektüre dringend zu Gemüte führen“, so Zeulner abschließend.

Hintergrund:
Alle zwei Jahre erscheint der Baukulturbericht als offizieller Statusbericht zum Planen und Bauen in Deutschland. Der Bericht enthält Positionen der Bundesstiftung, Projektbeispiele aus den Baukulturwerkstätten und Argumente aus Expertengesprächen. Hinzu kommen jeweils die Ergebnisse einer Kommunalbefragung zur Planungspraxis und einer Bevölkerungsumfrage zur allgemeinen Wahrnehmung von Baukultur. Die Erkenntnisse münden in konkrete Handlungsempfehlungen an die Politik und alle am Planen und Bauen beteiligten Akteure.

Baukulturbericht 2022/23 „Neue Umbaukultur“:
(bundesstiftung-baukultur.de)