Leserbrief: „Unser Franken – eine Momentaufnahme“
Ein Kommentar aus fränkischer Sicht
Die Fülle der häufig auch globalen Themen ist überwältigend und kann hier deshalb nur als „Momentaufnahme“ dargestellt werden. Unser Lebensraum ist nun mal Franken und wir können es uns sicher nicht leisten, die Auswirkungen globaler, politischer oder verwaltungsrechtlicher oder das Gebaren der hiesigen Medien, was unser Frankenland betrifft, einfach zu ignorieren. Zunächst wären da die globalen Themen wie Klimawandel und Energiewende als die unbestrittenen größten Herausforderungen unserer Zeit. Die Folgen der bereits bei uns in Franken überdurchschnittlichen Erderwärmung treffen uns besonders hart. Denken wir nur an die rapide sinkenden Grundwasserspiegel. sowie den steigenden Nitratgehalt im Wasser. Denken wir an die maßgeblich durch „Fichtenmonokulturen“ verursachten vollständig kahlen Berge im Frankenwald, Fichtelgebirge und Thüringer Wald. Beim Ausbau der erneuerbaren Energien sind wir hier sehr gut aufgestellt. Es dürfte aber keinem entgangen sein, dass das unterhalb des Weißwurstäquators völlig anders aussieht. Der Nachholbedarf ist dort enorm. Wir bauen hier in Franken einvernehmlich mit der Bevölkerung Windräder und Fotovoltaikanlagen – aber halt eben nur unter der Bedingung, dass die Wertschöpfung daraus (Gewinn) ausschließlich den Kommunen und der Bevölkerung, also dort, wo die Energie erzeugt wird, zugute kommt.
Leider liest man nur noch sporadisch in den fränkischen Tageszeitungen über das nach wie vor eklatante Süd-Nord-Gefälle. Recherche und Tiefgang meist Fehlanzeige! Man will ja schließlich nicht jammern.
So erfährt man nur so beiläufig, dass die Altersrenten in vielen fränkischen Regionen weit unter dem Bundesdurchschnitt liegen werden (VdK-Studie). Die Bertelsmann-Stiftung oder eine umfassende Spiegel-Reportage über Bayern (9.9.2023) weist u.a. nach, dass das Bruttoinlandsprodukt pro Kopf in den fränkischen Landkreisen Bayreuth, Fürth und Schweinfurt bei einem bayerischen Durchschnitt von 50643 € unter 25000 € liegt (absoluter Tiefststand in Bayern) . Aufschlussreich war auch ein Bericht über die Finanzkraft aller Kommunen in Deutschland. Bayern liegt da insgesamt im Mittelfeld, aber innerhalb keines Bundeslandes ist der Unterschied so groß wie in Bayern. Die Masse der armen Kommunen liegt nach wie vor eben oberhalb des Weißwurstäquators. Die Verschuldung und Verarmung der Gemeinden zwingt diese wiederum, die Hebesätze für die Grundsteuer, die sie für uns Bürger festsetzen dürfen, entsprechend höher sind als im Süden. Unsere Häuser und Grundstücke sind zwar dann erheblich weniger wert als in Oberbayern, aber unsere Grundsteuer ist in der Regel höher.
Erst kürzlich, am 1. September wechselte der „hochqualifizierte Spitzenjurist“ Herr Luderschmid, Regierungsvizepräsident der Oberpfalz, ins Amt des Regierungspräsidenten von Oberfranken. Er war u.a. Büroleiter im Bay. Innenministerium. Zusätzlich teilt er sich dann auch gleich mit Herrn Schramm den Vorsitz des Vereins „Oberfranken offensiv“, einem Verein, der aus nicht nachvollziehbaren Gründen seit mittlerweile Jahrzehnten extrem hohe finanzielle Zuwendungen von der Staatsregierung bekommt. Spektakulärster Fall war als nahezu 1 Mio. Euro für ein von Südtirol abgekupfertes sog. Oberfranken-Logo (Kartoffelstempel) angeschafft wurde, welches heute noch keiner will und überall wie saures Bier angeboten wird. Kosten-Nutzen-Rechnung? Fehlanzeige!
Überhaupt sollten wir die von den Medien damals in den 90ern kritisch aber sehr konstruktiv begleitete FB- Petition zur Verwaltungsreform in Bayern „Aus 7 mach 3“ wieder aufleben lassen, nämlich aus 7 Regierungsbezirken 3 zu machen, also das sog. Ober-, Unter- und Mittelfranken zu einem Regierungsbezirk Franken zusammenzulegen. Ein fränkischer Bezirkstag mit einem demokratisch legitimierten Bezirkstagspräsidenten würde reichen. Die von der Bayerischen Staatsregierung installierten, nicht gewählten Regierungspräsidenten (Stadthalter) wären, wie ihre Behörde, überflüssig. Das Problem, dass nahezu alle Spitzenpositionen sowohl bei der Regierung von Oberfranken als auch beim Verein Oberfranken offensiv mit Mitgliedern der sog. staatstragenden Partei besetzt sind, würde sich dann auch erledigen.
Es heißt immer: Vor der Wahl ist nach der Wahl! Ich frage mich deshalb ernsthaft „als Deutscher und Franke“: Entspricht diese Art von Auftritten von Politikern (Aiwanger, Söder u.a.) in Bierzelten wirklich unserer vorherrschenden fränkischen Mentalität. Ich behaupte „nein“ – die große Mehrheit hier tickt anders. Der „Gillamoos“ ist eben nicht Deutschland und schon gar nicht Franken. „A Seidla oder an Schoppn“ aufn Keller, im Biergarten oder in der Heckenwirtschaft ohne Gebrüll und Diffamierung – das sind wir! „Bast scho“ ist unsere Parole, und nicht „mia san mia“. Das galt unter der alten und es gilt auch unter der neuen bzw. neuen alten Staatsregierung. Ein Tick mehr fränkisches Selbstbewusstsein würde uns guttun, damit der Rest von Deutschland auch noch deutlicher merkt, dass es ohne permanente Superlative, Eigenlob, Ellenbogen, Filterblasen, regieren und berichten nach Gutsherrenart viel entspannter nicht nur im Frankenland zugeht, sondern auf dem ganzen Planeten.
Joachim Kalb
Weidenberg
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