Offener Brief: Eingriffe durch Baggerarbeiten an der Wiesent bei Streitberg und Niederfellendorf

Baggerarbeiten am Streitberger Wehr. Foto: BN
Baggerarbeiten am Streitberger Wehr. Foto: BN

An
Landkreis Forchheim – Untere Naturschutzbehörde

Sehr geehrte Damen und Herren, hiermit übersenden wir Ihnen einen Offenen Brief der Bund Naturschutz Ortsgruppe Ebermannstadt-Wiesenttal. Da aus unserer Sicht ein öffentliches Interesse besteht, informieren wir auch die Lokalpresse.

Sachverhalt

Mitglieder unserer Ortsgruppe des Bund Naturschutz Ebermannschatz-Wiesenttal haben feststellen müssen, dass am sogenannten Streitberger Wehr auf Höhe des Streitberger Freibades und auf der Höhe von Niederfellendorf (siehe Titelbild) mit einem Bagger Arbeiten im Flussbereich der Wiesent durchgeführt worden sind. Die Maßnahmen fanden vor dem Einsetzen der länger anhaltenden Regenperiode bei Niedrigwasser Ende Juli 2023 statt.

Wir betrachten diese Maßnahmen mit schwerem Gerät und Bagger als massive Eingriffe in das Ökosystem der Wiesent. Offensichtlich wurden diese Maßnahmen Mitten im Sommer vom Wasserwirtschaftsamt durchgeführt und werden dabei als „Maßnahmen zum Gewässerunterhalt“ deklariert. Aus unserer Perspektive sehen wir die Hauptmotivation für diese Maßnahmen aber vor dem Hintergrund, die „Befahrbarkeit der Wiesent für den Bootstourismus zu verbessern“. Dieses Vorgehen betrachten wir sehr kritisch und bedauern es sehr, dass wir als Träger öffentlicher Belange – gerade vor der Historie der Auseinandersetzungen beim Thema „Befahrung der Wiesent mit Booten“ – nicht einmal kurz informiert worden sind. Dieses Vorgehen der Behörden trägt jedenfalls nicht dazu bei, Vertrauen zu schaffen.

Das Thema Flachwasserbereiche zieht sich seit sehr langer Zeit durch die bisher durchgeführten Auseinandersetzungen und wurde bisher noch nicht abschließend geklärt und gelöst. Im Zuge der ausgebliebenen Niederschläge der letzten Wochen hatte sich die Situation an der Wiesent so weit verschärft, dass Boote überdurchschnittlich häufiger in den Flachwasserbereichen den Flussboden berührten oder sich festfuhren. Verbunden mit den negativen Auswirkungen auf die Flora und Fauna, wenn Lebewesen in diesen Bereichen dadurch beeinträchtigt werden.

Gleichzeitig hatte das Landratsamt Forchheim die Wasserentnahme aus dem Fluss wegen der Trockenheit sehr stark eingeschränkt.

Welche wasserwirtschaftlichen Gründe und welche wasserwirtschaftliche Notwendigkeit werden angeführt, um diese Maßnahme zu rechtfertigen, wenn durch die Begradigung und Vertiefung des Flussbettes gerade in ökologisch sensiblen Flachwasserbereichen Bagger zum Einsatz kommen, und damit die Fließgeschwindigkeit erhöht wird? Wir sehen dieses Vorgehen als Widerspruch zur europäischen Wasserrahmenrichtlinie, die besagt, „dass der Abfluss in natürlichen Flussabschnitten verringert werden solle“. Gerade diese Maßnahme muss dazu beigetragen haben, die Erosion des Flussbettes noch zu erhöhen, mit allen negativen Auswirkungen auf die Flora und Fauna im Unterwasserbereich.

Auch Abflusshindernisse konnten in diesen Bereichen nicht beobachtet werden. Eher „Befahrungshindernisse für Boote“, die man offensichtlich mit dieser Maßnahme beseitigen wollte. Dies gilt auch für das Streitberger Wehr. Durch den Durchlass vor der durchgeführten Maßnahme hatten gerade größere Kanadier das Problem festzustecken oder zu kentern. Nach der durchgeführten Maßnahme ist dies nicht mehr der Fall.

Sollte mit dem Argument „Verschlammung der Wiesent“ die Maßnahme begründet werden, so stellen wir uns die Frage „wo denn der Schlamm dann hingebracht worden ist“?

Die Wiesent hat an unzähligen Stellen ein gravierendes Problem mit der Verschlammung des Flussbettes. Warum werden diese Stellen nicht bearbeitet, um die Wiesent in einen ökologisch besseren Zustand zu versetzen? Stattdessen kommt gezielt schwerstes Gerät zum Einsatz, um die Durchlässigkeit für Boote an äußerst sensiblen Flussbereichen zu gewährleisten. Hier haben letztendlich ökonomische Interessen Vorrang vor ökologischen Gesichtspunkten. Hinweise darauf finden sich auch in der Vergangenheit.

Bei einer Begehung mit einem Fischer wurden wir vor einigen Jahren auf Gehölzentfernungen durch das Wasserwirtschaftsamt aufmerksam. Vor Ort berichtete uns ein Arbeiter, dass „diese Gehölzentfernungen wegen der Kanufahrer gemacht werden“.

Wir fragen uns: Seit wann sind Behörden dafür zuständig, für kommerzielle Bootsverleiher Maßnahmen durchzuführen, um die Möglichkeit der Bootsbefahrung zu gewährleisten? Darüber hinaus wurde letztes Jahr während der Bauarbeiten an der Brücke bei Haag ebenfalls mit schwerem Gerät eine Ausstiegsstelle für Boote in den Uferbereich gebaggert. Diese Maßnahme als „ökologisch sensible und sinnvolle Maßnahme zu deklarieren“ fällt uns schwer. Die beigefügten Bilder sprechen ihre eigene Sprache.

Fazit

Wir verstehen es objektiv und grundsätzlich betrachtet natürlich, dass aus der Sicht der kommerziellen Bootsverleiher „die Befahrbarkeit der Wiesent mit Booten wichtig ist“. Der Klimawandel, die Trockenheit, die Zunahme von Flachwasserbereichen und die Natur im Allgemeinen setzen dem aber ihre natürlichen Grenzen. Diese Grenzverschiebungen nach dem Motto „was nicht passt wird passend gemacht“ können aber nicht zielführend sein. Im Sinne eines naturverträglichen Tourismus sind diese Maßnahmen sicherlich nicht zu betrachten. Der Verzicht auf den Verleih von Kanadiern, die vor der Maßnahme regelmäßig am Durchlass des Streitberger Wehres kenterten, wäre ein Zeichen gewesen, um sich an die Bedingungen der Natur anzupassen. Dieser Schritt ist nicht erfolgt.

Mit freundlichen Grüßen
Christian Kiehr
Bund Naturschutz Ortsgruppe Ebermannstadt-Wiesenttal


Anmerkung der Redaktion: Siehe dazu die Stellungnahme der Unteren Naturschutzbehörde zum Offenen Brief des BN