Nationalpark Steigerwald – Offener Brief an Staatsministerin Michaela Kaniber
Sehr geehrte Frau Staatsministerin Kaniber,
mit Verwunderung hat der Verein Unser Steigerwald e.V. den Medien entnommen, dass laut einer Umfrage im Auftrag mehrerer Umweltschutzverbände aus dem Nationalpark Bündnis Bayern „die Bayern einen dritten Nationalpark im Steigerwald wünschen“. Im Anschluss daran werden Sie im „Samstagsbrief“ von Frau Alice Natter in der Main Post vom 22.07.2023 – etwas zugespitzt formuliert – sogar aufgefordert, einen Nationalpark im Steigerwald einzuweihen.
Abgesehen davon, dass es der Redakteurin offensichtlich entgangen ist, dass Nationalparke nicht in der Zuständigkeit des Forst-, sondern des Umweltministeriums liegen, sind wir überzeugt, dass Sie, Frau Ministerin, nicht wegen einer aktuellen Umfrage von Naturschutzverbänden zum Thema „Nationalpark Steigerwald“ eine so tiefgreifende Entscheidung wie die Ausweisung eines Nationalparks treffen würden – ganz abgesehen davon, dass es hierfür eines Landtagsbeschlusses bedürfte.
Ganz im Gegenteil. Sie führen seit Jahren Ihr Ministerium mit hoher Sachkenntnis und ausgewogenen Entscheidungen. Zudem hat erst vor kurzem der bayerische Landtag beschlossen, nicht mehr Wald aus der Nutzung zu nehmen als es von den Naturschutzverbänden im Volksbegehren „Rettet die Bienen“ gefordert und seitdem von den Bayerischen Staatsforsten umgesetzt wurde.
Sehr geehrte Frau Ministerin, wir teilen Ihre Haltung, keine weitergehenden Waldstilllegungen zuzulassen – wir kämpfen seit Jahren hier im Steigerwald gegen die Ausweisung eines Nationalparks. Deshalb möchten wir Ihnen noch einmal die vielen guten Gründe anführen, die gegen die Ausweisung eines solchen Großschutzgebietes sprechen:
- Der Steigerwald ist kein geschlossenes Waldgebiet, sondern eine dicht besiedelte historisch gewachsene Kulturlandschaft. Würde im Gebiet, welches die Naturschutzverbände für eine Nationalparkausweisung vorschlagen, um jeden Ort ein Drei-Kilometerkreis gezogen, blieben nicht einmal 50 Hektar übrig.
- Die Wälder des Freistaates Bayern im Steigerwald erfüllen in einer multifunktionalen Weise eine Vielzahl von Ansprüchen der Gesellschaft, wie die Klimavorsorge, die Kohlenstoffspeicherung, die Biodiversität, die 2 Rohstoffversorgung (Brennholz- und Stammholzbedarf) sowie die Sozialleistungen (Erholungsfunktion, Tourismus).
- Die Artenvielfalt in den Staatswäldern hat durch das vom Forstbetrieb Ebrach vorbildlich umgesetzte Naturschutzkonzept (Trittsteinkonzept) deutlich gewonnen.
- Über hunderttausend Biotopbäume und große Mengen an Totholz werden auf der gesamten Waldfläche trotz Holznutzung belassen. Über zehn Prozent des Waldes sind als Naturwälder besonders geschützt. Wissenschaftliche Studien belegen, dass auf diese Weise die Biodiversität besser geschützt wird als durch ein Großschutzgebiet. Es würde sogar ein Artenrückgang drohen, wenn dieses Konzept durch einen Nationalpark zerstört und die Buchennaturverjüngung das Aufwachsen von Mischbaumarten (insbesondere der für die Artenvielfalt wichtigen Eiche) verhindern würde.
- Nicht ohne Grund hat das Bundesumweltministerium in diesem Jahr das „Ebracher Trittsteinkonzept“ als TOP 10 der UN-Dekade Wiederherstellung von Ökosytemen ausgezeichnet.
- Die Region Steigerwald ist seit Jahrtausenden geprägt von Waldnutzung und Holzverarbeitung. Das Zisterzienserkloster Ebrach hatte Eichenstämme bis nach Holland verkauft. Der Forstbetrieb Ebrach trägt maßgeblich dazu bei, die Sägewerke mit Laubholz und die örtliche Bevölkerung mit Brennholz zu versorgen.
- Unsere Berechnungen zeigen, dass das aus dem Staatswald gewonnene Holz enorme Mengen an CO2-Emissionen einspart, weil fossile Brennstoffe wie Öl, Gas, Kohle und energieintensive Baustoffe wie Beton oder Stahl ersetzt werden.
- Die Trockenperioden der letzten Jahre haben viele alte Buchen geschädigt oder absterben lassen. Eine waldbauliche Begleitung der Wälder und eine Ergänzung mit klimatoleranten Baumarten ist auch im Steigerwald zwingend erforderlich.
- Die Beibehaltung der Bewirtschaftung der Staatswälder stärkt die Wirtschaftskraft in der Region und erspart dem Steuerzahler Ausgaben in vielfacher Millionen Höhe, die für einen Nationalpark aufgewendet werden müssten.
- Viele Maßnahmen des sanften Tourismus, wie das Trekkingkonzept oder Themenwege wurden in den letzten Jahren auf den Weg gebracht und ergänzen die touristischen Angebote, die durch den Baumwipfelpfad und das SteigerwaldZentrum bereits bestehen.
Sehr geehrte Frau Ministerin, Sie haben viele gute Gründe, um sich weiterhin für eine ökologisch hochwertige, klimafreundliche und wirtschaftlich zukunftsfähige Waldbewirtschaftung einzusetzen.
Wir vom Verein Unser Steigerwald e.V. wollen Sie bestärken, auch weiterhin für das bessere Konzept für den Steigerwald einzutreten – das Trittsteinkonzept. Umfragen, wonach sich eine minimale Anzahl (1.004 Befragte) uninformierter und nicht betroffener Wahlberechtigter in Bayern für oder gegen einen Nationalpark aussprechen, sind in unseren Augen wertlos. Leider wurden die nichtssagenden Ergebnisse ungeprüft von zahlreichen Medien übernommen, wie auch im angesprochenen Samstagsbrief.
Dem stehen über 3.600 Bürgerinnen und Bürger sowie 58 Gemeinden, Organisationen und Verbände gegenüber, die sich bewusst im Verein Unser Steigerwald e.V. zusammengeschlossen haben, nachdem sie sich über die negativen Auswirkungen eines Nationalparks im Steigerwald informiert haben.
Gerne bleiben wir mit Ihnen, Frau Ministerin, im Kontakt und würden uns über Ihren Besuch im Steigerwald freuen.
Mit freundlichen Grüßen
Oskar Ebert, Rauhenebrach
Verein Unser Steigerwald e.V.
www.unser-steigerwald.de
Neueste Kommentare