„Scientist Rebellion“ in Bayreuth

Protestaktion in Bayreuth
Protestaktion in Bayreuth

Pressemitteilung von „Scientist Rebellion“:

4. globaler „Statue Sunday“ – Scientist Rebellion prangert weltweit politisches Versagen beim Klimaschutz an

Zum 4. Mal brachten Wissenschaftler:innen und Akademiker:innen der Bewegung „Scientist Rebellion“ ihren internationalen Protest an Statuen bekannter Persönlichkeiten und an Kunstwerken auf der ganzen Welt zum Ausdruck. Wieder wurden den Statuen die Augen verbunden, um die Ignoranz der politischen Entscheider:innen gegenüber der Bedrohung durch den Klimawandel und dessen katastrophale Folgen anzuprangern. Auch diese Aktionen machten mit Plakaten in Englisch oder der jeweiligen Landessprache auf den Klimanotstand aufmerksam. In Bayreuth wurden diesmal König Maximilian II. auf dem Ehrenhof vor dem neuen Schloss die Augen verbunden. König Maximilian der II. von Bayern wäre lieber Wissenschaftler geworden. Er beförderte die Modernisierung und Industrialisierung Bayerns und setzte sich auch für die sozial Schwächeren ein. Nachdem infolge von Missernten vielen seiner Untertanen der Hungertod drohte, gründete er einen Verein zur Bekämpfung der Armut. „Stellt Euch den Fakten – Sagt die Wahrheit – Dies ist ein Klimanotstand“ und „Wahrheit! Handeln! Notstand!“ sind die Botschaften die mit dieser Aktion in die Gesellschaft getragen werden.

Die Wissenschaftler:innen und Akademiker:innen fordern die Entscheidungsträger dringend auf, die Wissenschaft ernst zu nehmen. Der jüngste Weltklimabericht hat den Wissenstand zu den Gefahren durch die Klimakrise und die ökologische Katastrophe zusammengefasst. Die Warnungen sind dramatisch. wiedie Existenz allen Lebens bedrohen. Nur durch sofortiges Handeln und Maßnahmen, die weit über das hinausgehen, was derzeit getan wird, kann die prognostizierte Erderhitzung noch abgemildert und verlangsamt werden.

Woche für Woche weitet Scientist Rebellion die „Statue Sunday“ Aktion weltweit aus, die am 26.03.23, knapp 1 Woche nach Veröffentlichung der Synthese des 6. Sachstandberichtes des Weltklimarates IPCC, gestartet wurde. „Wir mobilisieren Wissenschaftler:innen auf internationaler Ebene sich unseren öffentlichen Protesten anzuschließen. Wir rufen sie dazu auf, gegen die Ignoranz unserer Staats- und Regierungschefs auf die Straßen zugehen. Die Dringlichkeit global sofortige effektive Maßnahmen zu ergreifen, nimmt dramatisch zu, da die Weltgemeinschaft bisher nicht schnell genug handelt. Es bleibt nur noch ein Handlungsspielraum von wenigen Jahren. Der Mitautor des Synthesebericht, Matthias Garschagen von der LMU München betont, dass sich dieses Zeitfenster rapide schließt.“, lässt die Bewegung verlautbaren.

Seit Jahrzehnten warnen Wissenschaftler:innen vor den Folgen der Verbrennung von fossilen Energieträgern und den Konsequenzen der zunehmenden Zerstörung von Ökosystemen. Aber alle Publikationen, Appelle, Petitionen werden ebenso lange schon von den Regierungen ignoriert. Die Emissionen steigen nahezu ungebremst weiter an. Wir steuern auf Schwellen bestimmter geophysikalischer Erdsysteme zu, deren Überschreitung eine gezielte Kontrolle und Beeinflussung der Folgen unmöglich machen wird. Bei einigen dieser komplexen Systeme sind diese sogenannten „Kipppunkte“ den jüngsten wissenschaftlichen Erkenntnissen zufolge bereits überschritten. So ist beispielsweise das Absterben einzigartiger Biotope, wie der Korallenriffe, das Auftauen der Permafrostböden und das Schwinden des grönländischen Eisschildes, wohl nicht mehr aufzuhalten. Letzteres mit massiven Einwirkungen auf die Höhe des Meeresspiegels in den kommenden Jahrzehnten, z.B. an der norddeutschen Küste, und Veränderung mächtiger Meeresströmungen, wie dem Golfstrom, welcher bisher für unser gemäßigtes Klima in Nordeuropa sorgt. „Jede weitere Verzögerung bei koordinierten Maßnahmen“, so der jüngste Weltklimabericht, „wird eine kurze und sich schnell schließende Gelegenheit verpassen, eine lebenswerte und nachhaltige Zukunft für alle zu sichern.“

Was erwartet uns?

Der am 20. März veröffentlichte, jüngste IPCC-Bericht geht noch immer davon aus, dass die im Pariser Abkommen festgelegten 1,5°C Erderwärmung als Obergrenze noch eingehalten werden könnten, wenn „sofortige und radikale Maßnahmen“ den globalen CO2-Ausstoß bis 2030 halbieren würden. Das sehen viele Klimaforscher inzwischen als unrealistisch an. Mojib Latif, Professor für Ozeanzirkulation und Klimadynamik am Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel (Geomar) und Präsident der Deutschen Gesellschaft des Club of Rome äußerte sich in einem Interview mit dem Journalisten Joachim Wille vom Online-Magazin „Klimareporter“ des Vereins Klimawissen e.V. eindeutig: “Das ist ein Selbstbetrug. Die Einhaltung der 1,5°-Grad-Marke (ist) praktisch ausgeschlossen, weil die weltweiten Emissionen immer noch steigen.“ „Im Moment steuert die Welt auf eine globale Erwärmung von etwa 3 Grad zu, legt man die bisher beschlossenen Maßnahmen zugrunde.“ Das bedeutet NUR, wenn die beschlossenen Maßnahmen auch 1:1 und sofort umgesetzt werden! Der Tagesspiegel veröffentlichte am 10.4.23 die Ergebnisse der Modellrechnungen des Start-Up Unternehmens „Right. Based on Science“: Auf Basis bereits ergriffener Maßnahmen zum Klimaschutz ohne Einrechnung angekündigter entsprechender Vorhaben landet Deutschland bei dieser Prognose bis 2100 bei 4,4° Erhitzung gegenüber dem vorindustriellen Zeitalter. Um zu veranschaulichen, was bei Außentemperaturen von über 40°C mit Organismen passiert, die wie wir aus Wasser, Eiweiß und Fett zusammengesetzt sind, stellen wir uns vor, was mit einem rohen Hühnerei geschieht, dass in über 40° Grad heißes Wasser aufgeschlagen wird: Das Eiweiß verändert seinen Zustand, es gerinnt oder „denaturiert“. Dieser Vorgang ist nicht umkehrbar. Handelsübliche Fieberthermometer enden bei einer Skala von 42° Grad, darüber hinaus zu messen ist unnötig: Da ist der Mensch tot! Ohne Schutz vor der Hitze haben wir dann keine Überlebenschancen. Für dieses einprägsame Beispiel geht unser Dank an Eckhardt von Hirschhausen!

CO2-Entfernung und Geoengeneering können uns nicht retten

Der jüngste IPCC-Bericht warnt, dass groß angelegtes technologisches Carbon Dioxide Removal (CDR) im Sinne von dauerhafter CO2-Speicherung in verschiedenen Formen Ökosysteme, Lebensmittel- und Wassersicherheit, Existenz- und Landrechte insbesondere indigener Bevölkerungen gefährdet. Zudem steht die Technik derzeit nicht in dem sofort benötigten Ausmaß mit entsprechender Infrastruktur zur Verfügung.

Sogenannte „Techno-Fixes“ wie solares Geoengineering, bei dem riesige Mengen Aerosole in die Stratosphäre gesprüht würden, bergen laut Weltklimarat eine Menge gravierender Gefahren für Menschen und Ökosysteme. Katastrophale Ereignisse besonders in den bereits am stärksten betroffenen Ländern und Gebieten könnten ausgelöst werden. Nicht zuletzt besteht die Gefahr einer raschen Beschleunigung der Erderhitzung („Abbruchschock“), sollten diese Maßnahmen abrupt abbrechen.

Lösungen sind vorhanden, aber Gegenmaßnahmen reichen bei weitem nicht aus

Aus diesen Gründen sind unmittelbar entschiedene Maßnahmen gegen die für die Erhitzung ursächlichen Treibhausgasemissionen erforderlich. Im Weltklimabericht werden zahlreiche heute bereits verfügbare Lösungen aufgezeigt – von einem schnellen Ausbau erneuerbarer Energien, über Genügsamkeit (Suffizienz/Degrowth), bis hin zu einer überwiegend pflanzlichen Ernährungsweise. Derzeit wird allerdings viel zu wenig getan, um die Emissionen zu reduzieren. Der Bericht stellt fest, dass sich das Zeitfenster, eine lebenswerte und nachhaltige Zukunft für alle zu sichern, rasch schließt.

António Guterres, der seit dem 1. Januar 2017 Generalsekretär der Vereinten Nationen ist, bezeichnet den neuesten Weltklimabericht als einen Leitfaden zur Entschärfung der „tickenden „Klimazeitbombe“. Wir gingen, so Guterres, sehenden Auges auf unglaubliche Katastrophen zu, Überschwemmungen, Dürren, Auslöschung tausender von Arten. Guterres ruft den Klimanotstand aus.


Wer ist Scientist Rebellion?

Scientist Rebellion (SR) ist eine internationale Bewegung von Wissenschaftler:innen und Akademiker:innen aus mehr als 32 Ländern, die über die Klima- und Umweltkrise äußerst besorgt sind.

Scientist Rebellion fordert die wissenschaftliche Gemeinschaft dringend auf, öffentlich Verantwortung zu übernehmen und sich mit der Klimabewegung zu solidarisieren und zu protestieren.

Scientist Rebellion übt Druck auf Regierungen aus – mit friedlichen, kreativen und störenden Aktionen – um zu bewirken, dass sie Maßnahmen ergreifen, um eine lebenswerte und nachhaltige Zukunft für alle zu sichern.