Offener Brief der AG SPDqueer Oberfranken an Bundesjustizminister Buschmann

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Ihre Aussagen zum Selbstbestimmungsgesetz im Interview mit der „Zeit“ vom 06.01.2023

Sehr geehrter Herr Bundesjustizminister,

seit Aufnahme der Regierungsarbeit durch die Ampel-Parteien warten viele trans Personen auf eine rechtliche Besserstellung. Das trans Personen diskriminierende Transsexuellengesetz soll abgeschafft und durch ein Selbstbestimmungsgesetz ersetzt werden, welches es trans Personen ermöglichen soll, Vornamen und Geschlecht frei zu wählen. Auch sollen diskriminierende Vorgänge während der Transition, also etwa bspw. herabwürdigendes Verhalten durch ärztliche Gutachter etc., endgültig wegfallen.

Im Interview mit der „Zeit“ vom 06.01.2023 äußerten Sie sich, befragt nach den Gründen der Verzögerung des Gesetzes, wie folgt:

„Wir haben wahrgenommen, dass es Sorgen gibt, die sich auf die Rechtsfolgen des Geschlechtswechsels beziehen. Dabei geht es hier in Wahrheit in erster Linie um das Verhältnis zwischen Bürger und Staat – um die Änderung eines Eintrags in einem staatlichen Register. Wir werden klarstellen, was das bedeutet. Die Anrede in einem behördlichen Schreiben muss beispielsweise die geschlechtliche Identität, die ein Mensch für sich gewählt hat, respektieren und akzeptieren. Aber die Betreiberin einer Frauensauna soll auch künftig sagen können: Ich will hier dem Schutz der Intimsphäre meiner Kundinnen Rechnung tragen und knüpfe daher an die äußere Erscheinung eines Menschen an. Die Betreiber dürfen dann beispielsweise nicht dem Risiko einer Klage nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz ausgesetzt sein. Das müssen wir sauber regeln. Das ist technisch anspruchsvoll und muss gründlich erarbeitet sein.“

Ihnen dürfte nicht entgangen sein, dass die Reaktion seitens der queeren Community hierauf außerordentlich negativ ausfiel. Das Beispiel mit der Frauensauna, welches Sie hier als Sorge wahrgenommen haben, ist eine Erzählung, die insbesondere von Rechtsradikalen und Transgegnern gleichermaßen bedient und gestreut wird. Insofern liegt der Verdacht nahe, dass solche bei Ihnen lobbyiert haben und nun Einfluss auf das Selbsbestimmungsgesetz nehmen – was zwar demokratisch legitim ist, den Sinn des Selbstbestimmungsgesetzes, nämlich die Befreiung von trans Personen von sämtlichen staatlichen Repressalien, aber ausbremsen würde, teilweise sogar verdreht. Nicht wenige trans Personen haben mir nach Ihren Äußerungen mitgeteilt, dass ein Selbsbestimmungsgesetz, welches Transgegnern Möglichkeiten wie im zitierten Absatz einräumen würde, sogar eine rechtliche Schlechterstellung von trans Personen darstellen könnte. Berteiber:innen von Frauensaunen können einfach von ihrem Hausrecht Gebrauch machen. Wenn es aber danach geht, wie Sie es ausdrücken, könnte sich die Betreiberin einer Frauensaune zukünftig darauf beziehen, dass die Person, die von der Frauensauna ausgeschlossen werden soll, trans ist. Dann hätten wir die rechtliche Schlechterstellung.

Es ist das ewig gleiche Muster: schon in den 80ern wurde Homosexuelle sexualisiert und pathologisiert. Wir seien nichts anderes als kranke Sexmonster, hieß es damals. Die exakt gleiche Argumentationslinie wird nun von Rechtsradikalen und Transgegnern in Bezug auf trans Personen gefahren: erst pathologisiert, dann sexualisiert. Trans Personen, insbesondere trans Frauen, seien kranke umoperierte Männer, die ihren perversen Trieb in Schutzräumen von Frauen ausleben wollen, heisst es heute. Denen, die diese Erzählungen streuen, geht es nicht darum, Ängste und Sorgen zu äußern. Diejenigen wollen schlicht und ergreifend nicht, dass trans Personen rechtlich gleichgestellt sind.

Mittlerweile liegen Ihnen mehrere Gesprächsangebote, wie etwa vom LSVD oder dem dgti e.V., vor. Ich fordere Sie auf, diese Gesprächsangebote anzunehmen.

Aufgefallen ist auch, dass Sie auf die von Ihren Äußerungen ausgelöste Debatte bisher keinerlei Stellung genommen haben. Diese dürfte Ihnen aber keineswegs entgangen sein – so waren Sie etwa auf Twitter bei etlichen zum Selbstbestimmungsgesetz abgegebenen Tweets direkt markiert. Allein unter meinem entsprechenden Tweet wurden mehr als 200 Kommentare abgegeben, in allen waren Sie markiert. Vom Tweet des Queer-Beauftragten Sven Lehman ganz zu schweigen. Auch auf die entsprechenden Artikel von queer.de, BILD, tagesschau.de, der taz uvm. erfolgte keinerlei Stellungnahme Ihrerseits.

Ich fordere Sie daher auf: Bitte brechen Sie Ihr Schweigen zur aktuellen Debatte. Bekennen Sie sich öffentlich dazu, dass trans Personen weder sexualisiert, noch pathologisiert gehören! Bitte nehmen Sie uns, der queeren Community, die Sorge, dass trans Personen durch das Selbstbestimmungsgesetz rechtlich schlechtergestellt werden!

Mit freundlichen Grüßen
Sebastian Kropp, Vorsitzender SPDqueer Oberfranken

1 Antwort

  1. Karla sagt:

    …eigentlich ganz einfach: Die Unschuldsvermutung muß auch gegenüber transidenten Frauen gelten!
    Geschätzt 99 von 100 trans-Frauen werden versuchen in der weiblichen Rolle zu bestehen, d.h. sich gegenüber cis-Frauen nicht danebenzubenehmen.
    Wenn sie nicht „aus der Rolle fallen wollen“, ist Herren-WC tabu, selbst wenn ein Mensch die Frauenrolle nur „teilzeit“ lebt!
    Wie „Ladyboys“ aus Thailand zeigen, sind auch transidente Frauen durchaus „Objekt der Begierde“ -> Herren-WC,… ist da besser zu vermeiden!

    Ab coming-out fällt eine transidente Frau aus den Männergruppen raus:
    Auch ich wurde schon aus einem Herren-WC hinauskomplimentiert!

    Bei Menschen, die „bei Geburt als männlich gelesen wurden“, haben schon lackierte Fingernägel für eine homo-/transphobe Messerattacke gereicht!

    meine praktischen Erfahrungen:
    2 Migrantinnen aus Syrien bzw. Irak haben mich „zu ihrer Schwester ernannt“
    -> die darf frau umarmen und ohne Aufpasser mit in die wohnung nehmen!
    eine junge Mutter aus Syrien hat mir mehr als 10 Jahre vor dem coming-out auf den Kopf zugesagt: DU bist ein Mädchen!
    Eine cis-Frau hat mir den Weg zum Damen-WC gezeigt, als sie mich vor dem Herren-WC stehen sah: Ich hätte da mit Kleid,… n icht mehr hingepaßt!