Weltdiabetestag: Interview mit einem Experten der Bayreuther Universität
Anlässlich des Weltdiabetestags haben wir Prof. Dr. Othmar Moser von der Universität Bayreuth einige Fragen gestellt. Er wurde vor kurzem mit dem Langerhans Preis der Österreichischen Diabetesgesellschaft für seine wissenschaftlichen Leistungen der letzten Jahre prämiert.
Können Sie uns den Unterschied zwischen Diabetes Typ 1 und Diabetes Typ 2 erklären?
Typ 1 Diabetes ist eine Autoimmunerkrankung, bei welcher die insulinproduzierenden Beta-Zellen der Bauchspeicheldrüse zerstört werden; der exakte Grund, warum dieser Autoimmunprozess entsteht, ist bis dato nicht bekannt. Auf Grund dieser Betazelldestruktion entsteht ein absoluter Insulinmangel und daher ist eine Insulintherapie unumgänglich, da Menschen mit Typ 1 Diabetes ansonsten an einer Ketoazidose versterben würden. Bei Menschen mit Typ 2 Diabetes herrscht häufig ein Problem beim „Schlüssel-Schloss“-Prinzip; das bedeutet, dass das Insulin nicht mehr oder signifikant reduziert an dem Insulinrezeptor andocken kann. Im Unterschied zu Typ 1 Diabetes, gibt es bei Menschen mit Typ 2 Diabetes mittlerweile in Vielzahl personalisierte Therapieoptionen, wobei die Insulintherapie eine Möglichkeit ist, um dem Körper das Schlüssel-Schloss-Prinzip wieder beizubringen. Wichtig dabei ist: Typ 1 Diabetes kann man aktuell nicht heilen, Typ 2 Diabetes kann jedoch bei kurzer Diabetesdauer und einem angepassten Lebensstil geheilt werden. Nichtsdestotrotz bedeutet das, sich ein ganzes Leben lang viel zu bewegen, Sport zu machen und eine balancierte Ernährung umzusetzen.
Was empfehlen Sie einer Person, bei der Diabetes Typ 2 festgestellt worden ist, wie soll die Person ihr Leben verändern?
Grundsätzlich den Kopf nicht hängen zu lassen, denn bei dieser Erkrankung kann man durch eine Lebensstilanpassung viel erreichen. Zuerst sollte das Gespräch mit einem Diabetologen bzw. einer Diabetologin gesucht werden, um eine personalisierte Therapie zu beginnen. Dann sollte zusätzlich der Fokus auf folgenden drei Bereichen liegen: Erhöhung der physischen Aktivität, regelmäßiger Sport und ausgewogene Ernährung. In Bezug auf die Erhöhung der physischen Aktivität sollte versucht werden, jegliche Möglichkeit anzunehmen, sich im Alltag mehr zu bewegen (Stufen anstatt Lift, zu Fuß anstatt dem Auto, das Fahrrad anstatt dem Bus). Beim Sport sollte es keine Grenzen geben in Bezug auf Alter, körperliche Konstitution oder Geschlecht, es ist nur wichtig, etwas zu finden, was Spaß macht und was man über eine längere Zeit durchführen will. Bei der Ernährung ist es grundsätzlich empfehlenswert den Anteil an Gemüse zu erhöhen, auf hohe Fettanteile zu verzichten und bei den Kohlenhydraten auf hochwertige Produkte zu bauen. Des Weiteren sollte viel Wasser getrunken werden und beim Essen kann grundsätzlich der Ernährungspyramide gefolgt werden.
Warum ist es wichtig, diese Krankheit ernst zu nehmen? Man spürt als Betroffener ja keine Schmerzen.
Bei Menschen mit Typ 1 Diabetes, wäre das Absetzen der Insulintherapie innerhalb von wenigen Tagen lebensbedrohlich und zugleich ist eine nicht-adäquate Therapieeinstellung mit möglichen Folgekomplikationen verbunden. Bei Menschen mit Typ 2 Diabetes sind vor allem die Spätzeitkomplikationen ein Problem, die vor allem auftreten, wenn die Erkrankung sehr spät erkannt wird oder die Therapie nicht umgesetzt wird. Auch bei Menschen mit Typ 2 Diabetes sind diese Komplikation in vielen Fällen mit massiven gesundheitlichen Problemen verbunden. Wie zuvor aber schon gesagt, ein „gesunder“ Lebensstil ist in diesem Fall die halbe Miete.
Gelten die gleichen Empfehlungen auch für diejenigen, die an Diabetes Typ 1 erkrankt sind?
Bewegung und eine ausgewogene Ernährung sind auch für Menschen mit Typ 1 Diabetes ein essenzieller Faktor für Gesundheit. Im Unterschied zu Menschen mit Typ 2 Diabetes, ist aber die Insulintherapie lebensnotwendig.
Wie sieht es mit den Heilungschancen bei Diabetes Typ 1 aus? Sind in naher Zukunft entscheidende Behandlungsfortschritte zu erwarten?
Aktuell laufen einige prä-klinische und klinische Studien, die keine konkrete Chance auf Heilung geben, aber die Insulintherapie wahrscheinlich über Jahre hinweg hinauszögern können. Bei den meisten dieser Studien wird im Endeffekt versucht, das Absterben der insulinproduzierenden Beta-Zellen zu verzögern. Solche Maßnahmen sind aber nur möglich und zielführend, wenn die Erstmanifestation von Typ 1 Diabetes in einem sehr frühen Stadium passiert. Flächendeckende „screenings“ auf Typ 1 Diabetes (Antikörperbestimmung) sollten daher national als Standard in den ersten Lebensjahren eines Kindes eingeführt werden.
Diabetes ist ja einer Volkskrankheit geworden. Was empfehlen Sie gesunden Menschen als Prävention, damit sie nicht ebenfalls Opfer der Krankheit werden.
Im Grundsätzlichen gilt: physische Aktivität erhöhen, Sport betreiben und ausgewogen Essen. Zusätzlich sollte der Fokus auf dem Körpergewicht liegen; wenn dieses über Jahre stabil bleibt und Sie nicht übergewichtig oder adipös werden, haben Sie sehr gute Chancen keinen Typ 2 Diabetes zu entwickeln.
Es gibt ja auch Kinder, die an Diabetes erkranken. Welche Empfehlungen würden Sie den Eltern dieser Kinder geben?
Wenn Kinder Typ 1 Diabetes entwickeln, sollte man so schnell es geht versuchen, Autonomie und Verständnis für diese Autoimmunerkrankung zu entwickeln. Zusätzlich sollten Bewegung und eine ausgewogene Ernährung von den Kindesschuhen an in den Lebensalltag integriert sein – dann ist tatsächlich alles möglich, auch mit Typ 1 Diabetes. Da Übergewicht und Adipositas auch bei Kindern immer häufiger werden, entsteht dadurch auch das Risiko, im Kindesalter Typ 2 Diabetes zu entwickeln. Versuchen Sie als Elternteil so viel wie möglich an Bewegung in den Alltag zu integrieren (auch gemeinsam mit Ihrem Kind) und ausgewogen zu kochen. Zusätzlich sollte versucht werden, für Ihr Kind eine Sportart zu finden, die Spaß macht – das ist wohl ein sehr wichtiger Faktor.
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