Gifteinsatz an Frankens Autobahnen angezeigt
Der Bund Naturschutz hat die Verantwortlichen der Autobahndirektion Nordbayern beim Gewerbeaufsichtsamt wegen erheblicher Verstöße gegen das Chemikaliengesetz und die Gefahrstoffverordnung angezeigt. Mit ihren Spritzaktionen gegen den Eichenprozessionsspinner an den nordbayerischen Autobahnen in den letzten Jahren hätten sie Mensch und Natur gefährdet und beeinträchtigt. Um einen weiteren Gifteinsatz 2012 zu unterbinden, hat sich der Bund Naturschutz an die Aufsichtsbehörde gewandt. Der Bund Naturschutz erhielt Kenntnis von einer Landtagsanfrage von Bündnis 90/Die Grünen zum Thema „Bekämpfung des Eichenprozessionsspinners“. Aus der Antwort des Staatsministeriums des Inneren vom 1.6.2011 geht hervor, dass „die Bekämpfung des Eichenprozessionsspinners als Maßnahme zum Gesundheitsschutz … für die Nutzer von Autobahnen … und das Betriebspersonal … in den letzten Jahren an den Bundesautobahnen A3, A6, A7, A45, A70, A73 und A 81 durchgeführt“ wurde.
Eine Auswertung zeigte nun, dass die Autobahndirektion Nordbayern praktisch an fast allen Autobahnen in Mittel-, Ober- und Unterfranken in den Jahren 2006 – 2010 – und wohl auch 2011 an einigen Stellen – das Biozid Diflubenzuron 80% gespritzt hat. Über 490 km Autobahnränder wurden dabei jährlich auf beiden Seiten begiftet. Mit 469,9 kg wurden zwischen 2006 und 2010 erhebliche Mengen des Wirkstoffes eingesetzt, die Menge von 2011 ist dem BN noch unbekannt.
„Wir wollen es nicht hinnehmen, dass eine staatliche Behörde jahrelang gegen geltendes Recht verstößt und dies trotz unserer Hinweise immer weiter tut. Mit der Giftspritzerei werden praktisch alle Insekten, Schmetterlinge, Käfer oder Heuschrecken entlang den nordbayerischen Autobahnen ausgelöscht und Menschen mit dem Gift belastet“, so der BNLandesbeauftragte Richard Mergner.
„Wir kritisieren massiv, dass in großen Mengen ein Gift mit einem nicht zugelassenen Sprühgerät ausgebracht und dabei weit in der Gegend verteilt wurde, dass das Gift auch an Gewässern gespritzt wurde, obwohl es dort nicht zugelassen ist und dass die Autobahnen trotz klarer Vorgaben nicht für 48 Stunden zum Schutz der Autofahrer gesperrt wurden. Und das alles, ohne dass vorher in einem nachprüfbaren Verfahren festgestellt wurde, ob und wo die Eichenprozessionsspinner in einer problematischen Dichte vorkommen“, so Mergner. „Die Folge war, dass nicht nur Eichen, sondern auch andere Baumarten mit Gift besprüht worden sind, an denen der Eichenprozessionsspinner überhaupt nicht vorkommt.“
Ende 2010 war durch einen Schaden in einer Heuschreckenzucht im Landkreis Erlangen-Höchstadt nachgewiesen worden, dass das Biozid Diflubenzuron erhebliche Schäden an der Insektenwelt verursacht, obwohl es nur gegen den Eichenprozessionsspinner eingesetzt wird. Abbauprodukte des Giftes stehen außerdem im Verdacht, krebserregend zu sein. Im April 2011 hatte der Bund Naturschutz ein Moratorium für den Einsatz des Biozids gefordert. Die Staatsregierung sollte die Autobahndirektionen anweisen, dass die Giftanwendung aufhört. Trotzdem hat die Autobahndirektion Nordbayern nach Medienberichten im Frühsommer 2011 wieder gespritzt.
In wenigen Wochen (Anfang Mai) werden voraussichtlich wieder etliche Kommunen und auch die Autobahndirektion Nordbayern das Biozid Diflubenzuron 80% in großer Menge verspritzen, wenn dies nicht noch verhindert werden kann. In den letzten Jahren wurde das Gift in mindestens 26 fränkischen Gemeinden und an den Autobahnen in der Metropolregion gespritzt.
Diflubenzuron besteht aus fluorierten und chlorierten Benzolringen. Es zerfällt zwar nach einigen Tagen, seine Abbauprodukte sind aber nicht leicht biologisch abbaubar und vermutlich krebserregend. Das Umweltbundesamt schätzt das Gift als für Menschen schädlich ein. Es ist sehr giftig für Wasserorganismen und gefährdet das Trinkwasser. Es führt darüber hinaus zu einer enormen Dezimierung der Biodiversität von Schmetterlingen und Insekten. Als Biozid besitzt es keine eigene Zulassung nach heutigem Recht, sondern wird im Rahmen von Übergangsregelungen als Altwirkstoff eingesetzt.
Eine Überprüfung der Schädlingsbekämpfung gegen den Eichenprozessionsspinner ist dringend geboten. Das Bayerische Umweltministerium und das Bayerische Sozialministerium sind gefordert, die Überwachung sicherzustellen und mit der Bund-Länder-Arbeitsgemeinschaft „Chemikaliensicherheit“ Verstöße gegen Sicherheitsauflagen zu ahnden. Die Gewerbeaufsichtsämter müssen in die Lage versetzt werden, den Einsatz von Bioziden zu kontrollieren. In Weisendorf, Lkr. Erlangen-Höchstadt wurden solche Verstöße aktenkundig, weitere Verstöße sind in fast allen Kommunen anzunehmen, die bisher Diflubenzuron einsetzten. Der BN befürchtet, dass meist auf die vorgeschriebene Abwägung verschiedener Bekämpfungsmethoden verzichtet und gleich zur chemischen Keule gegriffen wird. Üblicherweise werden die gespritzten Bereiche nicht ordentlich abgesperrt.
Diflubenzuron führt zu Artensterben
Da die chemischen Bekämpfungsmaßnahmen keinen dauerhaften Erfolg bringen und massive ökologische Schäden zu befürchten sind, kritisiert der BN diese Gifteinsätze gegen den Eichenprozessionsspinner. Seit Jahren wurde Diflubenzuron gespritzt, aber erst seit kurzem weiß man aus einer wissenschaftlichen Studie aus Schwabach, dass der dortige Einsatz im Stadtpark mit Diflubenzuron und Bazillus thuringiensis (k) zu einem Verlust von 3/4 der in solchen Eichenhainen üblichen Schmetterlingsarten führte, der Eichenprozessionsspinner aber z.T. profitierte, weil auch Brutvögel betroffen waren, die die Raupen fressen. Eine jährliche Begiftung von kommunalen Grünflächen und an Autobahnen lehnt der BN wegen der ökologisch nicht absehbaren Auswirkungen auf die Umwelt und den Menschen ab.
Neueste Kommentare