Blick über den Zaun: Erlanger Modellprojekt LAUT gibt Impulse zu beruflicher Inklusion

Erlangen: Bei einer Veranstaltung des Modellprojekts LAUT wurde über die Perspektiven und Chancen beruflicher Inklusion gesprochen Oktober 2022
Im Bild (v.l.r. stehend): S. Schroth, J. Blab, M. Pietzonka, J. Bangerth, A. Seeger, T. Limbrunner, H. Zitzelsberger, M. Gruber, S. Zapfel, H. Fischer, H. Jugel-Kosmalla, S. Oberndorfer, S. Kadach, P. Ros | (v.l.r. sitzend): K.H. Miderer, S. Ulrich, R. Krauthausen, S. Hoffmann. Foto: Privat

Inklusion: mehr als eine Checkliste zum Abhaken – Aktivist Raul Krauthausen appelliert auf ein Recht zum Ausprobieren

Rund um das Inklusionsprojekt LAUT kamen Anfang Oktober 2022 in der Heinrich-Lades-Halle Erlangen geladene Gäste und interessierte Arbeitgeber*innen zusammen, um Perspektiven und Chancen beruflicher Inklusion für unternehmerische Herausforderungen zu hinterfragen.

Moderator und Inklusionsaktivist Raul Krauthausen machte auf den Unterschied zwischen Teilhabe und Teilgabe aufmerksam. Denn tatsächlich sei es so, dass Menschen mit Behinderungen oft zuschauen, aber nur selten aktiv mitgestalten. Nur dann jedoch könnte man wirklich von Inklusion sprechen. Leider, so Krauthausen, wird dem Personenkreis zu selten die Möglichkeit gegeben, sich auszuprobieren und noch seltener die Chance eröffnet, ihr Können im beruflichen Kontext unter Beweis zu stellen.

Projekte wie LAUT bieten hier Brücken zwischen Arbeitssuchenden, geschützten Arbeitserprobungsmöglichkeiten in den Sozialbetrieben der Projektpartner*innen und Unternehmen. Denn jeder Einzelne ist gefragt, wenn es darum geht, die Hoffnungen und Erwartungen, die sich hinter dem Begriff Inklusion sammeln, einzulösen, so Sozialreferent Dieter Rosner in seinen Eröffnungsworten zur Veranstaltung „INKLUSION: zeitgemäße Antwort für Unternehmen!“.

Julia Bangerth (COO & CHRO DATEV eG) machte in der Keynote darauf aufmerksam, dass weit mehr Menschen von Barrieren betroffen sind als auf den ersten Blick vermutet: neben 7,8 Mio. schwerbehinderten Menschen in Deutschland sind Menschen regelmäßig zeitweilig oder situativ eingeschränkt wie etwa beim Armbruch oder mit dem Baby auf dem Arm. Barrierefreiheit kommt allen zugute und Kosten lassen sich geringhalten, wenn schon bei der Produkt- und Dienstleistungsentwicklung mitgedacht wird.

Julia Bangerth freute sich, dass die Erarbeitung der Inklusionsvereinbarung im Unternehmen DATEV abgeschlossen werden konnte. Der Erarbeitung vorangegangen war der Inhouse-Inklusionsworkshop mit Access – Inklusion im Arbeitsleben gGmbH, welche im Rahmen des LAUT Projektes Möglichkeiten zur Inklusionsberatung für Unternehmen entwickelt. Doch Inklusion ist keine Checkliste zum Abhaken und dieser Meilenstein nur einer von vielen folgenden Schritten, machte Bangerth in ihren abschließenden Worten deutlich: „Echte Inklusion gelingt erst, wenn alle Fachbereiche, jede Abteilung, jedes Team, im Idealfall alle von uns sich dafür einsetzen. Ein Protesttag dafür ist ein toller Anlass, um das Thema zu adressieren. Gleichzeitig müssen wir aber gemeinsam dafür sorgen, dass jeder Tag zum Inklusionstag wird. Ganz selbstverständlich. Damit wir unsere Unterschiede als unsere Stärken erleben.“ Dass es in der Region bereits mutige Chancengeber gibt, zeigt das Beispiel „Bodelschwingh-Haus“. Das Diakoneo Pflegeheim wurde für das anhaltende Engagement mit dem LAUT Pinguin-Award ausgezeichnet, da dort Menschen mit Behinderungen wiederholt berufliche Perspektiven in der Einrichtung geboten sowie im Rahmen von Praktika Möglichkeiten zum Ausprobieren eröffnet wurden.

In der anschließenden Paneldiskussion sprach Krauthausen mit Judith Blab (Personalentwicklung Der Beck), Steven Hoffmann (Backoffice Specialist DANONE D-A-CH) und Sebastian Schroth (Mitgründer und geschäftsführender Vorstand BIRNE7 e.V.) über Erfahrungen mit Inklusion und den Bedarf von Unternehmen. Blab konnte bereits vor vielen Jahren erste persönliche Erfahrungen mit behinderten Kolleg*innen sammeln und unterstützt den Aufbau einer Qualifizierungsreihe für Mitarbeitende mit Behinderungen.

Unternehmen müssen sehen, was möglich ist, um sich gegenüber inklusiven Beschäftigungsverhältnissen zu öffnen, ist sich Blab sicher. Angesichts von Trends wie Personalmangel, Fluktuation und sinkender Loyalität hilft es Betrieben, den Blickwinkel zu öffnen und Menschen mit Behinderungen eine Chance zu geben, so Blab weiter. Schroth setzt sich mit Birne 7 dafür ein, mit Technologien und Digitalisierung neue Zugänge zu schaffen und Inklusion voranzubringen. Dabei beziehen sie bewusst betroffene Anwender*innen in die Entwicklung und Planung mit ein – denn je inklusiver und diverser, desto besser und erfolgreicher die Ergebnisse, versichert Schroth und benennt das Etablieren von inklusiven Strukturen sowie Festlegen messbarer Zielgrößen als wichtige Faktoren, um Inklusion in Betrieben voranzutreiben.

Hoffmann wiederum spricht sich für Brücken zwischen Bewerber*innen mit Behinderungen und Unternehmen aus. Nach einem Unfall und der daraus resultierenden Behinderung war es für Hoffmann schwer, einen Arbeitsplatz zu finden – die Inklusionsberatung sowie die offenen Gespräche mit Arbeitgeberin DANONE sieht er als wichtigste Erfolgsfaktoren auf seinem Weg in den aktuellen Arbeitsplatz.

Abschließend appellierte Krauthausen an die Gäste und die Zuschauer*innen im Livestream: „Wagt etwas! Öffnet euch dafür! Auch ein Konflikt kann eine Bereicherung sein. Unternehmen sind bestens vorbereitet, wenn Sie sich öffnen.“

Aktuelle Informationen zum Projekt LAUT und bevorstehenden Veranstaltungen erhalten Sie im LAUT Newsletter: https://www.laut-inklusion.de/newsletter/

LAUT – Leben, arbeiten und teilhaben in einer inklusiven Gesellschaft

Seit November 2019 hat sich das Projekt „LAUT – Leben, Arbeiten und Teilhaben in einer inklusiven Gesellschaft“ zum Ziel gesetzt, neue, nachhaltig wirksame Impulse zu geben, um bestehende Maßnahmen zur Förderung arbeitsuchender Personen mit erheblichen gesundheitlichen Einschränkungen einschließlich schwerbehinderter Menschen mit besonderen Vermittlungsbedürfnissen zu unterstützen und zu stärken. Das Projekt LAUT ist dabei sowohl Ansprechpartner und Coach für Arbeitssuchende, als auch kompetenter Berater und Partner für Arbeitgebende zur Etablierung inklusiver Strukturen im Unternehmen.

Gemeinsam sind wir LAUTstark für Inklusion: Das Jobcenter der Stadt Erlangen/GGFA AÖR ist Projektkoordinator und verantwortet zusammen mit dem Jobcenter Erlangen-Höchstadt das Modellprojekt LAUT gegenüber der Fachstelle rehapro. In bewährter Qualität arbeiten die beiden Jobcenter mit der Access gGmbH sowie den Sozialen Betrieben der Laufer Mühle gGmbH, den Regnitz-Werkstätten gGmbH und der wabe e.V. Erlangen sowie mit Arbeitgebenden aus der Region zusammen. Wissenschaftlich begleitet wird das Modellprojekt vom Institut für empirische Soziologie an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (IfeS).

Im Projektbeirat engagieren sich leitende Persönlichkeiten aus Unternehmen, Forschung und Verwaltung für gelebte Inklusion, um Menschen mit gesundheitlichen Einschränkungen eine gleichberechtigte Teilhabe am Arbeitsleben zu ermöglichen: Siegfried Beck (Der Beck GmbH), Prof. Markus Beckmann (FAU Lehrstuhl für Corporate Sustainability Management), Konrad Beugel (Stadtrat, Referent für Wirtschaft und Finanzen der Stadt Erlangen), Knut Harmsen (Lt. der IHK Geschäftsstelle Erlangen), Dr.

Florian Janik (Oberbürgermeister Stadt Erlangen), Silke Kadach (Sustainability Managerin, General Secretary, Danone DACH / Nutricia), Wilhelm Merz (Merz GmbH), Wolfgang Niclas (ehem. Kreisvorsitzender Deutscher Gewerkschaftsbund), Prof. Dr.

Friedrich Paulsen (Direktor am Institut für Funktionelle und Klinische Anatomie der FAU), Jürgen Pillipp (Pillipp Haustechnik GmbH), Norbert Ratzke (Lt. des Jobcenters Erlangen-Höchstadt), Dieter Rosner (Stadtrat, Sozialreferent der Stadt Erlangen), Alexander Tritthart (Landrat Landkreis Erlangen-Höchstadt), Thomas Wächtler (Wirtschaftsförderer Landkreis Erlangen-Höchstadt), Prof. Dr. Ulrich Walwei (Vizedirektor IAB und Mitglied im Rat der Arbeitswelt des BMAS), Gerd Worm (Vorstand GGFA AöR).

Weitere Informationen unter www.laut-inklusion.de.