Sonntagsgedanken vom 25.09.2022

Pfarrer Klaus Weigand (rechts) mit Urmel ...

Pfarrer Klaus Weigand (rechts) mit Urmel …

Einen Kopf mit einer Glatze oder fast einer Glatze, nur vorn auf der Stirn eine große Locke oder einen lockigen  Haarschopf. Können Sie sich so einen Kopf vorstellen? Bestimmt werden Sie denken: „Lustig.“ Aber genau so haben die Menschen in Griechenland sich einen ihrer Götter vorgestellt: Kairos, den Gott des Augenblicks.

„Immer wenn er vorübergeht, muss ich versuchen, ihn an seiner Locke, an seinem Haarschopf zu packen, denn wenn er vorübergegangenen ist und ich ihn nicht gepackt habe, sehe ich nur noch die Glatze, an der ich ihn aber nicht greifen kann. Ich habe meine Chance vertan, den rechten Augenblick verpasst“, so die Vorstellung der alten Griechen.

Nein, wir glauben nicht an den Kairos, den rechten Augenblick. Aber so abwegig ist diese Vorstellung mit dem verpassten Augenblick dennoch nicht. Denn auch bei uns gilt oft: Wenn ich den rechten Augenblick verpasst habe, dann habe ich meist das Nachsehen, dann bleibt mir nur doch das berühmte „Ach hätte ich doch …“.

„Ach hätte ich doch …“ Das scheint auch der reiche Mann zu denken, von dem uns das heutige Sonntagsevangelium erzählt. Der reiche Mann lebte in Saus und Braus und übersah den armen Lazarus vor seiner Tür. Nachdem beide gestorben sind, kommt der arme Lazarus in den Himmel, in Abrahams Schoß, der Reiche dagegen in die Unterwelt, wo er Qualen leidet. Vergeblich bittet er Abraham um Hilfe, und auch seine letzte Bitte, seine Brüder warnen zu dürfen, kommt zu spät. Er hat seine Chance vertan, er hat den rechten Augenblick verpasst.

Und wir? Gibt es nicht auch bei uns viele verpasste Augenblicke? Packen wir sie doch, unsere Chance, uns selber, der Familie und anderen, Gutes zu tun. Da ist der Familienausflug, den ich schon so lange machen wollte, aber aufgeschoben habe, weil mir dieses oder jenes wichtiger war. Da ist die alte Frau in meiner Nachbarschaft, die sich so einsam und verlassen fühlt und die sich so über ein gutes Wort, und zwar genau von mir, oder eine liebe Karte freuen würde. Da ist der Arbeitskollege, der sich jeden Tag abmüht, aber niemals ein Lob von mir bekommt, weil ich mir selber viel zu wichtig bin.

Ich möchte Sie ermutigen: Nutzen Sie den rechten Augenblick, Ihre Chance zu ergreifen, anderen Gutes zu tun. Fangen Sie gleich heute an. Es müssen nicht viele Dinge sein, nein. Aber wenn Sie sich nur eine Sache vornähmen und genau diese Chance anpackten, dann täten Sie anderen Gutes. Vielleicht ist unsere Welt deswegen so kalt und leer, weil wir es immer wieder verpassen, den rechten Augenblick, die Chance, die sich uns in einem Augenblick ergibt, zu nutzen. Wir verpassen sie, weil wir oft nur um uns selber kreisen.

„Auf, pack zu, packe Deine Chance an!“ Und haben Sie keine Angst: So schnell wie der Kairos geht sie wohl nicht vorüber. Ein ganzes Leben lang haben wir nämlich Zeit. Ein ganzes Leben lang haben wir Zeit, die Gelegenheiten, die sich uns bieten, beim Schopf zu packen. Auf, nutzen Sie sie! So wünsche ich Ihnen allen einen guten Sonntag und Gottes Segen, damit Sie immer und immer wieder es schaffen, Ihre Chance zu nutzen.

 

Ihr Klaus Weigand