So verlief das 72. Festival junger Künstler in Bayreuth

Zwei Uraufführungen und eine Weltpremiere

400 Teilnehmende aus 21 Nationen erarbeiteten 80 Veranstaltungen „Zeitgemäß & zeitlos“ – das 72. Festival junger Künstler Bayreuth

Unter dem Generalthema „Reflexion. Transformation. Kreation.“ startete das 72. Festival junger Künstler Bayreuth am 3. August auf der Seebühne in der Wilhelminenaue Bayreuth fulminant in den Festivalsommer. Das älteste Musikfestival Europas präsentierte hier ein Spektakel mit „Barock & Rock“, ein extravagantes Konzert auf der Bühne mit Electric-Strings und Hip-Hop, klassischer Musik im Gras und Theater mit Fantasiewesen zwischen den Reihen. In der Festival-Akademie erarbeiteten 402 Teilnehmende aus 21 Nationen 60 Konzerte, 13 Workshops und sieben Symposien, die sie in Stadt und Region Bayreuth vor gut besuchten Häusern mit großem Erfolg aufführten.

„Zeitgemäß & zeitlos haben wir mit Kunst und Kultur gesellschaftliche Entwicklungspotenziale dargestellt. Es galt dem Dialog auf Augenhöhe mit fremden Perspektiven, der Erweiterung der Wahrnehmungshorizonte und mehr denn je der Friedensarbeit,“ betonte Intendantin Sissy Thammer. Sie betrachtet Musikvermittlung als die Zukunftsaufgabe. Diese wird auch bei der Ausgestaltung des Festivalprogramms für das Jahr 2023 ein wichtige Rolle spielen.

Zentrale Projekte der Festival-Akademie – zwei Uraufführungen und eine Weltpremiere

Uraufführung „Man braucht das Auge, um zu hören …“ mit musikalischen Urwesen

Um Musikvermittlung ging es insbesondere bei dem Projekt „Man braucht das Auge, um zu hören …“. Hier wurden den Zuhörern durch Visualisierung des Klangs die Urwesen der Musik „Rhythmus, Harmonik, Melodik“ nahe gebracht. Ein vollkommen neues Verständnis für Musik entwickelte sich. In einem virtuellen dreidimensionalen Raum wurde Musik sichtbar für das Auge, durch sich selbst und die sich in ihr abspielenden kompositorischen und energetischen Prozesse. Ein spannender neuer sinnlicher Zugang zur Musik mit neuen Wegen entstand. Die Auftragskomposition „Enigma-Classica-Suite“ von Erik Domenech porträtierte in der Uraufführung mehrsätzig die Urwesen der Musik und deren Synthese. Die musikalische Darbietung unter Leitung von Anna Handler erhielt viel Beifall im voll besetzten Europasaal.

Uraufführung: Kompositionsworkshop Silence.Film.Music

Sechs Komponisten aus sechs Nationen vertonten mit großem Erfolg durch Neukompositionen den 1. Teil des Stummfilms „Dr. Mabuse“. Es ging darum, die Dramatik der Handlung zu verstärken und nicht nur zu untermalen. Die musikalische Umsetzung erfolgte durch das Klavierduo VooDoo unter der Leitung des Hamburger Komponisten Prof. Frederic Schwenk, der sich begeistert über die Arbeit der jungen Komponisten äußerte.

Weltpremiere.Weltmusik – Leuchtturmprojekt „Magic of Maqam“

Hier verschmolzen wuchtige Jazz/Rock-Groove-Ästhetik mit filigranen Klängen von Quanun, Oud, Baglama und Nay. „Unsere Band schaffte mit Magic of Maqam einen globalen Bandsound, bei dem die Vielfalt der arabischen, türkischen, persischen und christlichen Musikkulturen zum Ausdruck kam“, freuten sich die musikalischen Leiter Mohamad Fityan und Jonathan Sell. Sie komponierten und arrangierten ein komplett ungehörtes Programm, eine Weltpremiere mit Weltmusik.

Orchesterworkshop mit Oksana Lyniv – auf hohem Niveau

Ein großer Erfolg des Netzwerks Festival junger Künstler Bayreuth ist die Verpflichtung von Oksana Lyniv, die als erste Frau bei den Richard-Wagner-Festspielen in Bayreuth dirigiert. Sie führte beim Festival einen anspruchsvollen Orchesterworkshop durch und dirigierte in der Panzerhalle ein Orchesterkonzert mit dem Jugend-Symphonieorchester der Ukraine auf hohem Niveau. „Die große finanzielle Herausforderung war, alle vorgeschlagenen begabten Künstler:innen aus der Ukraine, insbesondere die Männlichen, am Festival teilnehmen lassen zu können“, betonte Sissy Thammer. Hier geht der große Dank an die Freunde und Förderer, die diese Teilhabe mit Künstlerpatenschaften ermöglicht haben, so Thammer weiter.

„Hip-Hop trifft Klassik“ – unbegrenztes Repertoire

Ein vollkommen neues Projekt leitete Prof. Rudolf Haken aus Illinois, der einzige Professor weltweit, der Electric-Geigen an der Hochschule lehrt. Mit seinen Electric-Strings bot er ein beinahe unbegrenztes Repertoire von Rock, Jazz, Volksmusik, Hip-Hop und Klassik. Rapper, Produzenten und Electric-Streicher im Stil von Black Violin und Ezinma führten vor, was ihre Musikarten gemeinsam haben. Bei dem Konzert „Electric-Geigen und Barock“ erlebten begeisterte Zuhörer in der Schlosskirche Bayreuth die zauberhaften Klänge einer Viola da Gamba, die eindrucksvolle Kraft einer alten Orgel sowie die leichte und erfreuliche Klangwelt eines Barockorchesters.

Graffiti-Workshop ermöglicht kulturelle Teilhabe

Dieses Jahr machte das Festival zum ersten Mal Hip-Hop! Neben Rap, Breakdance und Djing bildet Graffiti die vierte Säule dieser Kultur. Den Workshop leiteten der in Bayreuth aufgewachsene Graffiti-Künstler „Thor“ aus Nürnberg und der Bayreuther Local „Minez“. Das Graffiti-Collektive arbeitete zusammen mit oberfränkischen Graffiti-Künstlern und ermöglichte so mit seiner einfühlsamen authentischen Straßenkultur ein Gemeinschaftsgefühl und kulturelle Teilhabe.

„Transkulturelle Sinfonie“ – Musiktraditionen verbinden

Ein echtes Highlight war auch die „Transkulturelle Sinfonie“, die aus je einem Satz christlicher, jüdischer und arabischer Musiktradition besteht sowie einem vierten Satz, der als junge Komposition alle drei Musiktraditionen verbindet. Sie wurde zum zweiten Mal überhaupt von der Christian Benning Percussion Group mit tosendem Applaus in der Stadtkirche aufgeführt.

Percussion-Workshop – anspruchvolles Werk von Iannis Xenakis umgesetzt

Professorin Cornelia Monske von der Hochschule für Musik und Theater Hamburg führte mit Studenten einen Percussion-Workshop durch. Hierbei stand ein Konzert zum 100. Geburtstag des genialen Komponisten und Klangingenieurs Iannis Xenakis mit einem anspruchsvollen Werk Xenakis’ im Mittelpunkt. Das Publikum feierte die jungen Musiker mit Standing Ovations. „Klangsturm im komponierten Chaos“, lautete die begeisterte Rezension der Frankenpost.

Sommernachtstraum nach William Shakespeare mit Fantasiewesen

Ein Schauspiel mit a cappella-Gesang war beim Festival der Sommernachtstraum nach William Shakespeare. Die Akteure waren Opernsänger, Musicaldarsteller, singende Schauspieler und Performancekünstler. Sie traten als außergewöhnliche Fantasiewesen, als Traumgestalten in surreal bizarren Kostümierungen auf und spielten den Traum dieser prominentesten Sommernacht der Weltliteratur unter der Leitung des Hamburger Regisseurs Maximilian Ponader.

Festspielkinder 2022 – Selbstvertrauen stärken

Die Festspielkinder 2022 dürfen sich, wie berichtet, beim Education-Projekt wieder auf fünf Workshops unter der Leitung von Prof. Rudolf Haken, Christian Felix Benning, Maximilian Ponader und Prof. Cornelia Monske freuen.

Bildungsprojekt Stepping Stone – Alleinstellungsmerkmal

Beim Bildungsprojekt Stepping Stone organisieren angehende Kulturmanagerinnen und -manager unter der Anleitung erfahrener Dozentinnen und Dozenten das Festival junger Künstler Bayreuth. Sie können sich beim Training Kultur Management weiterentwickeln und bis zu sechs ECTS für ihr Studium erwerben. Dies erhöht noch einmal die Attraktivität des einzigartigen Bildungsprojekts und ist ein Alleinstellungsmerkmal des Festival junger Künstler Bayreuth!

Ausblick auf das 73. Festival junger Künstler Bayreuth

„Man braucht die Augen, um zu hören …“ – Zukunftsaufgabe ist die zielgerichtete methodische Musikvermittlung, um Publikum und Kunst näher zusammenzubringen. Nachhaltigkeit in Kunst und Ästhetik ist das Ziel des Festival junger Künstler Bayreuth auch in der programmatischen Gestaltung der nächsten Jahre. Live erlebbare Musik mit allen Sinnen vermittelt durch ein gut durchdachtes Konzept mit modernen Medien, ist die große Chance für ein zukunftsweisendes Festival.

Mehr Infos unter www.YoungArtistsBayreuth.com