Sonntagsgedanken: In erster Reihe

Symbolbild Religion

„Bei uns sitzen Sie in der ersten Reihe“, liebe Freunde, so lautete einmal ein Werbespot von einem Fernsehsender. „Bei uns sitzen Sie in ersten Reihe.“

Pfarrer Klaus Weigand (rechts) mit Urmel ...

Pfarrer Klaus Weigand (rechts) mit Urmel …

Nur bei uns in der Kirche leider nicht. Da sind die ersten Reihen leider immer leer. Und wenn es dann nicht um die Bankreihe in der Kirche geht, sitzen wir leider auch nicht in der ersten Reihe. Da sitzen die sogenannten Honoratioren, die „Oberen“, und die bleiben dann meist unter sich. Gut, man wird vielleicht noch freundlich gegrüßt, bekommt aber dabei oft ein „Von-oben-herab“ zu spüren.

Leider. Denn das war so, denn das ist so und wahrscheinlich wird es dann auch so bleiben.

Und genau das ist es, was Jesus nicht nur kritisiert, sondern anders gemacht hat. Für ihn waren alle gleich. Da gab es kein oben und kein unten.

Wenn wir alle, jeder einzelne von uns, anfangen würden, auch einmal über unseren Tellerrand hinauszuschauen, wenn wir anfangen würden, uns gegenseitig zu achten und nicht über einander zu erheben, wenn jede und jeder von uns anfangen würde, im anderen das Gute zu sehen, dann wäre es viel friedlicher auf der Welt; und auch in unserer Kirche.

In der sogenannten Urgemeinde, also bei den ersten Christen, war dies wirklich so. Darin haben diese sich von der übrigen Gesellschaft unterschieden und deswegen nannte man in Antiochien die „Anhänger dieses neuen Weges“, wie die Gruppierung damals genannt wurde, zum ersten mal „Christen“.
Aber was ist davon übrig geblieben?

Ich wurde einmal gefragt, warum Gott nichts gegen Krieg, Gewalt und Ungerechtigkeit unternimmt. Ich sagte: „Er unternimmt nichts, weil er schon vor 50 Jahren etwas unternommen hat.“ „Wie, unternommen, was denn?“ verwundert sich die fragende Person. „Er hat dich geschaffen!“ antwortete ich ihm und blickte in ein verblüfftes Gesicht.

Das ist der springende Punkt. Wenn jeder in seinem Umfeld, wenn jeder in seinem Alltag, in seiner Familie, an seinem Arbeitsplatz, egal wo er ist, anfangen würde, ein wenig auf den anderen Rücksicht zu nehmen, wenn jeder aufhören würde, zu glauben, er käme zu kurz, wenn jeder einzelne seinem Mitmenschen von Herzen etwas gönnen könnte, wenn jeder dem anderen ein wenig mehr Wertschätzung, auch für seinen Einsatz und sein Engagement, mehr Anerkennung schenken würde, und wir nicht einfach alles als selbstverständlich, einfach so hinnähmen, ohne ein Wort der Anerkennung, ich bin überzeugt:
Unser Umfeld würde sich verändern und mit ihm die Menschen.

Dann bräuchte es keine ersten Reihen mehr für die Honoratioren, denn dann wären wir alle gleich, ohne oben und unten, sondern eine Gemeinschaft, in der der Zusammenhalt groß wäre. Dann würde jedes ungute Nachbarschaftsverhältnis in sich zusammenbrechen, und wir würden als Gemeinschaft miteinander leben. Denn Zusammenleben bedeutet doch, ein Ort der Gastfreundschaft zu sein, ein Netz, in dem Menschen aufgefangen werden und sich angenommen fühlen dürfen, ein Ort, an dem Menschen wirklich so handeln, wie Jesus auch gehandelt hat.
Ich weiß selber, dass wir davon noch meilenweit entfernt sind und dass es vielleicht auch nie so kommen wird. Aber wenn Du und Ich nicht damit anfangen, dann kann es wirklich niemals Realität werden.

Die Frage, die uns aber bleibt, ist, ob wir das wirklich wollen. Denn wer will sich denn schon von seinem Thron herablassen, wer will denn schon etwas von seiner Macht aufgeben? Nein, im Mittelpunkt stehen und Macht auszuüben, ist für viele doch viel schöner und leichter. Ob das wirklich christlich ist?

Ich wünsche Ihnen allen, dass all Ihr Engagement geschätzt und gewürdigt wird, dass Sie für Ihr Engagement auch einmal ein herzliches Dankeschön bekommen. Und ich wünsche Ihnen, dass Sie in Ihrem privaten Umfeld eine echte Gemeinschaft, ein Miteinader erleben dürfen.

Alles Liebe und Gute und passen Sie gut auf sich auf!

Klaus Weigand


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Infos zu Pfarrer Klaus Weigand

  • Geboren 1966 in Erlenbach am Main (Unterfranken)
  • Abitur am Theresianum in Bamberg 1989
  • Studium der Kath. Theologie in Bamberg und Wien
  • Priesterweihe 1998
  • Tätigkeiten:
  • Fürth, Christkönig von 1997 – 2010
  • Buckenhofen als Pfarradministrator 2010 – 2015
  • seit 2015 in Heroldsbach und Hausen