Energiekosten setzen oberfränkische Unternehmen unter Druck

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IHK für Oberfranken Bayreuth: Ohne Entlastungen drohen Produktionsstopps

Die Energiepreise explodieren regelrecht, für Unternehmen noch mehr als für Haushalte. Darauf weist die IHK für Oberfranken Bayreuth hin. An der Leipziger EEX-Energiebörse kostet Gas auf dem Spotmarkt tagesaktuell fünfundzwanzig Mal mehr als noch vor Jahresfrist, auch die Strompreise steigen auf ungekannte Höhen. Die Auswirkungen bekommen alle Unternehmen mehr als deutlich zu spüren, die jetzt ihren Gas- oder Strombedarf für das kommende Jahr einkaufen.

“Derartige Preissteigerungen werden viele Unternehmen in den kommenden Wochen extrem unter Druck setzen“, ist sich stellvertretender IHK-Hauptgeschäftsführer Wolfram Brehm sicher. „Die günstigsten Angebote, die wir als IHK für das kommende Jahr bekommen haben, übersteigen die bisherigen Kosten beim Gas um das Zehnfache, beim Strom sogar um das Zwölffache.“ Für alle Unternehmen, insbesondere aber für Unternehmen, die dem internationalen Wettbewerb ausgesetzt sind, energieintensive Unternehmen und solche, die sehr knapp kalkulieren müssen, können diese Preissprünge sehr schnell existenzgefährdend werden.

Wie sollen Unternehmen solche Preissteigerungen überleben?

Wilhelm Wasikowski, IHK-Vizepräsident aus Lichtenfels, zeigt sich erschüttert. Das mittelständische Unternehmen J.S. Wasikowski GmbH & Co. KG, das vor allem Displays, Ladenbauelemente und Schaufensterdeko produziert, hat einen vergleichsweise hohen Energiebedarf. Wasikowski spricht aus, was viele Unternehmen denken: “Aufgrund der hohen Preissteigerungen bei Rohstoffen, der zugespitzten Lieferkettensituation und der im Vergleich zu früheren Jahren überdurchschnittlich hohen Krankenquote stehen die Unternehmen bereits jetzt stark unter Druck. Wenn dann noch derart exorbitante Preissteigerungen dazukommen, frage ich mich zusehends, wie mittelständische Unternehmen so etwas überleben sollen.” Produktionseinschränkungen oder gar -stopps würden ihn nicht überraschen. Laut jüngstem Energiewendebarometer des deutschen Industrie- und Handelskammertages sehen sich 16 Prozent der deutschen Industrieunternehmen gezwungen, mit einem Zurückfahren der Produktion oder einer teilweisen Aufgabe von Geschäftsbereichen auf die stark gestiegenen Energiepreise zu reagieren. Bei energieintensiven Unternehmen liegt der Anteil der Unternehmen sogar doppelt so hoch.

Die meisten Unternehmen profitieren nicht von der Mehrwertsteuersenkung bei Gas

Eine Herausforderung für die Unternehmen ist, dass sie die Preiserhöhungen bei Gas und Strom zwar vollständig abbekommen, Erleichterungen aber nicht. “So profitieren die wenigsten Unternehmen von der Senkung der Mehrwertsteuer bei Gas, da sie vorsteuerabzugsfähig sind”, so Dr. Christoph Hader, IHK-Bereichsleiter Innovation, Unternehmensförderung. Unternehmen könnten dagegen durch eine Senkung der Energiesteuer beim Gas auf die EU-Mindestsätze einfach und schnell entlastet werden.

Das „Merit Order“-System muss auf den Prüfstand

Wolle man eine Pleitewelle im Winter verhindern, müssen umgehend wichtige Weichen gestellt werden. Weichen, mit dem etwa der Strompreis stabilisiert wird. “Auch wenn sich die so genannte ‚Merit Order‘ bislang bewährt hat, sollte der aktuelle Algorithmus unbedingt auf den Prüfstand”, fordert Dr. Hader. Generell wird Strom zunächst immer von den billigsten Kraftwerken produziert. Werde mehr Strom benötigt, müssen schrittweise teurere Kraftwerke zugeschaltet werden. Dr. Hader: “Bei der Merit Order setzt laut Definition das teuerste Kraftwerk, das am Netz hängt, den Preis für alle anderen Kraftwerke.”

Müsse also, um die Stromversorgung sicherzustellen, ein Kraftwerk zugeschaltet werden, wo die Stromproduktion zum Beispiel zwanzig Mal so teuer ist wie beim preiswertesten Stromerzeuger, gibt das teuerste Kraftwerk den aktuellen Strompreis vor. Eine Mischkalkulation gebe es nicht. “Über eine zeitweise Änderung des Algorithmus ließe sich der Strompreis spürbar senken”, so Brehm. Bei den teuren Kraftwerken, aktuell sind das die Gaskraftwerke, müsse dann die Differenz entsprechend abgegolten werden. Brehm: “Auch wenn eine rasche Umsetzung auf europäischer Ebene wohl nur sehr schwer realisierbar ist, fordern wir die Politik auf, eine entsprechende Lösung anzustreben.”

Gas nur in absoluten Ausnahmefällen zur Stromproduktion nutzen

Umso wichtiger sei es, alles zu tun, damit möglichst wenig Gas zur Stromproduktion notwendig ist. Die IHK für Oberfranken Bayreuth fordert deshalb drei Basis-Maßnahmen.

Laufzeitverlängerungen von bestehenden Atomkraftwerken zur Stromerzeugung, einschließlich Kernkraftwerken, sollten vorbehaltlos geprüft und nach Möglichkeit kurzfristig umgesetzt werden.

Kohlekraftwerke müssen aus der Reserve geholt werden. Brehm: „Und zwar kurzfristig, also nicht erst im April 2023, sondern schnellstmöglich.“ Gesetzliche Regelungen schreiben vor, dass am Kraftwerk ein Kohlenvorrat für 30 Tage Vollastbetrieb vorhanden sein müsse. Da dies aktuell logistisch wegen Wassermangels bei den Schifffahrtsstraßen und den fehlenden Kapazitäten auf der Schiene kaum zu schaffen ist, ist es unbedingt erforderlich, diese Regelung etwas abzuschwächen.

Beim Gas können viele Unternehmen darüber hinaus kurzfristig einen „Fuel Switch“ vornehmen, also eine kurzfristige Umrüstung von Gasfeuerungsanlagen auf Öl. Dies müsse unbürokratisch und kurzfristig ermöglicht werden.

“Natürlich kann es sich hier nur um befristete Maßnahmen handeln, um die akuten Probleme abzufedern. Ziel muss es sein, die fossilen Energieträger zeitnah durch erneuerbare Energien abzulösen.“ Das Hochlaufen des Wasserstoffmarktes gewinnt dabei aufgrund der aktuellen geopolitischen Lage an zeitlicher Brisanz“, so Brehm. „Wir dürfen auch in der Krise unser wichtigstes Ziel, eine zeitnahe Klimaneutralität, keinesfalls aus den Augen verlieren.”