Leserbrief zum Thema „Abhängig von Indien und China“ (NN-Artikel von 23.8.2022)
Dieser Artikel von Herrn Englisch (https://www.nn.de/bayern/billige-medikamenten-produktion-warum-deutschlands-abhangigkeit-von-china-und-indien-gefahrlich-ist-1.12454722, leider hinter Paywall) gibt leider real den Ist-Zustand wieder.
Doch dazu fehlt entscheidend die Entstehung dieser schändlichen Lage.
Bis ca. 1990 war Deutschland die Vorzeigenation in Medizin und Pharmazie. Viele Menschen aus Ländern, in denen das Gesundheitswesen schlechter war, kamen deswegen zu uns. An großen Kliniken wurden Mediziner bewusst nach ihren Sprachkenntnissen eingestellt, um dem gerecht zu werden. Osteuropäische und arabisch Sprechende waren im Vorteil. Amerikanische Soldaten holten Monate vor ihrem Einsatzende in Deutschland ihre ganzen Familien, um sie in Deutschland von deutschen Ärzten mit deutscher Medizin behandeln zu lassen. Die Klinik in Sulzbach-Rosenberg, nahe Grafenwöhr, ist nur ein Beispiel.
Dann wurde die Medizin zunehmend nur noch aus wirtschaftlicher Hinsicht beäugt. Gesundheit war plötzlich keine Fürsorgepflicht des Staates mehr. Krankenhäuser, Ärzte und die Pharmaindustrie, anerkannt – da muss doch was faul sein. Und prompt fand man natürlich auch immer das einzelne schwarze Schaf, um daraus Schmutzkampagnen aufzubauen und das ganze System schlecht zu reden. Politik, Krankenkassen und, allen voran, die Medien, haben mit akribischer Hässlichkeit diese Einzelfälle so lange durch den Kakao gezogen, bis es jeder Laie glaubte. Pharmakritische „Blätter“ haben bald mit Kritik mehr verdient als jeder ehrlich arbeitende Arzt. Krankenhäuser wurden unter der Forderung Wirtschaftlichkeit an private Investoren verkauft.
Geld hat Ethik und Menschlichkeit ersetzt.
Richtig, die Pharmaindustrie hat gute Gewinne gemacht. Doch ein nennenswerter Teil dieser Gewinne wurde investiert, um die Behandlung seltener, bisher nicht behandelbarer Krankheiten zu erforschen. Für Medikamente, die natürlich aufgrund der geringen Fallzahlen, eigentlich unrentabel waren, aber für die Betroffenen segensreich. Doch Gewinne waren ja igittigitt, „Nachahmerfirmen“, die sich mit den Zulassungsunterlagen der forschenden Firmen nach Ablauf des Patentschutzes auf das gut zugerittene Pferd einzelner Massenprodukte setzten, schossen aus dem Boden und waren die Gewinner. Forschung Fehlanzeige. Ärzte, die noch den Mut hatten, Originalpräparate zu verordnen, zahlten jedes Quartal hohe Regresse.
So war es nicht verwunderlich, dass, ohne Gewinne, die Forschung in Deutschland nahezu zum Erliegen kam.
Heute irrt der Patient durch eine nahezu jedes Monat wechselnde Anweisung durch seine Therapie, bricht oft ab, weil die Tablette „ja immer wieder anders aussieht“.
Länder wie z.B. Japan, das heute führend ist in seriöser Pharmaforschung, haben das zeitig erkannt, gute Allianzen gebildet und die Führungsrolle übernommen.
So ist Deutschland heute zur Bedeutungslosigkeit in der Pharmazie und oft auch in der Medizin geworden.
Sollte ein Leser ein Kind mit einer seltenen Krankheit bekommen, empfehle ich deshalb, mangels Therapiemöglichkeiten, einen Besuch bei der Krankenkasse – rhetorisch sind die sicher gut.
Helmut Pfefferle, Seidmar (Leutenbach)
Klinikreferent (über 24 Jahre) i.R.
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