Schwedische Impressionen in der Produzentengalerie Burgkunstadt

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Christoph Klesse, Bildhauer aus Viereth-Trunstadt, mit seinem Gorilla und dem Erdmännchen. Foto: Mathias H. Walther

Bildwitz in Bronze und schwedische Impressionen – Von Mathias H. Walther

Pippilotta Viktualia Rollgardina Pfefferminz Efraimstochter Langstrumpf – kurz Pippi Langstrumpf – kennt in Deutschland nahezu jedes Kind. Und IKEA – nach den Initialen des Firmengründers Ingvar Kamprad, nach dem Bauernhof Elmtaryd, auf dem er aufwuchs, und dem nahe gelegenen Dorf Agunnaryd benannt – ist für jeden halbwegs begabten Inbusschlüssel-Schrauber das schwedische Möbel-Dorado, ja der Inbegriff nordischer Erstwohnungs-Kultur schlechthin. Und Gerhard Karlmark? Über den schwedischen Maler und Grafiker ist hierzulande nicht viel zu erfahren.

Fast schon bedauernd stellte dies der Bamberger Kunsthistoriker Dr. Matthias Liebel in seiner Einführungsrede zur Ausstellung „Die 21te“ am vergangenen Samstag in der Produzentengalerie Burgkunstadt für Gegenwartskunst fest. Dabei zählt der Skandinavier im Norden Europas zu den herausragenden Malern und Grafikern seiner Heimat Schonen. Bis zum 11. September 2022 sind jetzt Werke des 1976 im Alter von 71 Jahren verstorbenen Künstlers zu sehen. Bei den Exponaten handelt es sich überwiegend um Stücke aus dem Besitz der Burgkunstadter Galeristen Otto Scheid und Karl Schönberger.

Gezeigt werden Gemälde, Zeichnungen und Druckgrafiken, deren Vorlagen Skizzen und Fotografien waren, die auf Studienreisen nach Norwegen und in die Niederlande sowie in die Mittelmeerländer Frankreich, Italien und Spanien entstanden. In den Kunstmuseen von Malmö und Stockholm ist Karlmark bis heute als einer der bedeutendsten Maler Südschwedens prominent vertreten.
Nach seinem Tod wurde es zunächst ruhig um den Künstler. Seit guten zehn Jahren jedoch, so Dr. Matthias Liebel, würde sein Werk zunehmend wiederentdeckt und in internationalen Auktionshäusern „zu derzeit noch halbwegs erschwinglichen Preisen gehandelt“. Das malerische Œuvre von Gerhard Karlmark einzuordnen, sei jedoch nicht ganz einfach. Liebel: „Dies hat mit der Sonderstellung der schwedischen Kunst im 20. Jahrhundert zu tun.“ Die sei weder häufig noch spektakulär im europäischen Kunstgeschehen in Erscheinung getreten.

Seine Lieblingsthema waren die Porträt- und die Landschaftsmalerei. In Öl auf Holz- oder auf Hartfaserplatten malte Karlmark Dörfer mit Kirchen, Bauernhöfe, Küstenlandschaften sowie Felder und Wälder aus seiner heimatlichen Umgebung. Aber auch der Aktmalerei sowie den Szenen aus dem privaten Leben beherrschten sein bildnerisches Interesse.

Die meisten Werke, die jetzt in der Produzentengalerie Burgkunstadt ausgestellt werden, stammen aus den 50er und 60er Jahren und zeigen teils schwedische, teils südländische Motive. So sieht der Galeriebesucher zum Beispiel einen Fischer und Marktfrauen im Hafen einer mediterranen Kleinstadt oder provinzielle Flaneure vor einem Straßenrestaurant in Südfrankreich. Rassige Spanierinnen mit Früchtekörben auf dem Kopf oder mit Wasserkrügen am Dorfbrunnen sind für Karlmark ebenso Motiv, wie ein Bauer, der einen Stier an der Leine den Marktplatz überquert. Szenen, wie aus dem Leben gegriffen.

Eindrucksvoll sind auch die Graphit- und Tuschezeichnungen des Künstlers: voller Energie, Leidenschaft und Lebendigkeit. Der Kunsthistoriker Dr. Matthias Liebel gerät ins Schwärmen: „Sehr kraftvoll ausgeführt, sehr hochkarätig!“

Letzteres gilt für die Bilderschau insgesamt. Immerhin bewog sie ein schwedisches Kamerateam, mit dem Auto nach Burgkunstadt zu reisen, um bei der Vernissage Aufnahmen und Interviews für eine Dokumentation über Gerhard Karlmark zu drehen.

Aus heimatlichen Gefilden kommt Christoph Klesse, der zweite künstlerische Höhepunkt der derzeitigen Ausstellung in der Produzentengalerie Burgkunstadt. Der Bildhauer und Steinmetz lebt und arbeitet in Viereth-Trunstadt und besticht durch Bronzearbeiten, die nicht nur durch ihre handwerkliche Ausführung faszinieren. Es ist ein begeisternder Sprachwitz, der den Motiven innewohnt, der den Betrachter mit einem Augenzwinkern empfängt und mit einem Schmunzeln zurücklässt. Christoph Klesse bringt den Schalk in die Galerie.
Dr. Matthias Liebig: „Klesse absolvierte eine Ausbildung zum Steinmetz an der Dombauhütte zu Bamberg und anschließend zum Steinbildhauer an der staatlichen Fachschule in Wunsiedel. 1988 machte er sich als Bildhauermeister mit einem eigenen Betrieb für Steinrestaurierung in Viereth bei Bamberg selbständig, schuf allerdings nebenher freie bildhauerische Arbeiten.“ Damit ist er in die Fußstapfen seines Vaters – des Malers und Bildhauers Reinhard Klesse – getreten. Der hat zu Lebzeiten zahlreiche Brunnen, Denkmäler und freie Arbeiten für den öffentlichen Raum in Ober- und Unterfranken geschaffen.

Heute schafft Christoph Klesse auch plastische Arbeiten – Darstellungen von menschlichen Figuren und von Tieren, die er in Ton modelliert und anschließend in Bronze gießen lässt. Plastisches Modellieren ist ein völlig anderes Vorgehen als die bildhauerische Arbeit an einem Steinblock. Bei Letzterem wird das Motiv nach und nach aus einem monolithischen Brocken herausgeschlagen; beim plastischen Arbeiten hingegen wird durch Materialantragung der Bildgegenstand additiv geformt. Die Bronzeplastiken von Christoph Klesse bestechen durch ihren expressiven Ausdruck. Sie erzählen von purer Kraft, wie etwa bei der Darstellung des Stieres oder des muskulös gestählten Nashorns, oder von der stoischen Ruhe des Gorillas, der sich durch nichts aus der Ruhe bringen lässt, selbst durch das freche Erdmännchen nicht, das sich keck auf seinem Rücken niedergelassen hat.

Kunsthistoriker Dr. Mathias Liebel betont den „Bildwitz“ der Skulptur der Bockspringerin: „Voller Freude und mit jugendlichem Leichtsinn, mit wehendem Rock und voller Übermut springt das Mädchen, nicht ahnend die Gefahr, in die sie sich begibt, über den Rücken eines mächtig gehörnten Widders. „Bocksprung“ nicht als schulsportliche Pflichtübung, sondern im bildhaften Sinne wortwörtlich genommen und als der spontane Ausdruck von ungebremster Lebensfreude“. Ähnlich spaßig der korpulente Frauenakt mit einem Ferkel unter dem Arm.