Aus der Gaustadter Leserpost: „Fußläufige Mobilität“

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Sehr geehrte Damen und Herren!

Nicht erst in jüngerer Zeit war in Bamberg thematisiert worden, wieviel Raum eigentlich dem fußläufigen Verkehr, der natürlichsten Form der Mobilität, zugestanden werden soll – treffender: zusteht. Behördlicherseits trat wiederholt eine schwer zu glaubende Ignoranz gegenüber den Belangen der ihre eigenen Füße benutzenden Menschen zu Tage – oder sollte es tatsächlich Unkenntnis bezüglich der rechtlichen und fachlichen Vorgaben sein? Was von beidem wäre schlimmer?

Gehen … und mehr

Für den fußläufigen Verkehr bestimmte Flächen werden von Fußgänger/inne/n jeden Alters, einzeln, zu zweit oder in Gruppen, mit kleinen Kindern an der Hand oder im Kinderwagen, mit mehr oder minder leichtem Gepäck (z. B. vollen Einkaufstaschen), teils mit Einkaufstrolley oder Rollator, aber auch Gehstützen, benutzt. Rollstuhlfahrer/innen sind auf ihnen ebenso unterwegs wie in ihrer Sehfähigkeit stark bis vollständig eingeschränkte Personen, teils mit Langstock, teils mit Führhund. Auch andere Hunde laufen mit, allein oder an einer mehr oder weniger langen Leine. Die vielen nicht als Fahrzeuge anerkannten, dennoch auf Rädern oder Rollen betriebenen Fortbewegungsmittel (Rollschuhe, Inlineskater, Tretroller u. a.) nehmen die Gehsteige in Anspruch, auch Kinder, ggf. mit einer erwachsenen Begleitperson, auf dem Fahrrad – legal und teils vorgeschrieben.

Dessen ungeachtet, sind viele Gehwege erschreckend knapp dimensioniert. Bauliche Versäumnisse der Vergangenheit, ob aus fehlender Voraussicht heraus oder gezielt beim Versuch, die autogerechte Stadt erschaffen zu wollen, so geplant, mögen in der Rückschau noch verständlich erscheinen. Sie heute rechtfertigen zu wollen, gar ausreichend breite Wege durch Einbauten, Außengastronomie, Geschäftsauslagen, fragwürdige Radwege oder angeordnete Kfz-Stellplätze bzw. geduldetes Falschparken künstlich über die Maßen einzuengen, darf wohl eher als unverantwortlich eingestuft werden.

Rechtlicher und fachlicher Rahmen

Der FUSS e.V. – Fachverband Fußverkehr Deutschland – hat vor wenigen Wochen die aktualisierte Ausgabe seiner Broschüre „Wie breit müssen Gehwege sein? Mindestgehwegbreiten nach den aktuellen Regelwerken” veröffentlicht. Sie kann unter www.fuss-ev.de heruntergeladen werden. Wichtige Aussagen sind beispielsweise:

  • Zwar sind die Vorgaben der technischen Regelwerke nicht unmittelbar geltendes Recht. Sie geben aber den anerkannten Stand der Technik wieder – und den zu beachten, schreiben in der Regel die länderspezifischen Straßengesetze vor, auch im Freistaat Bayern (BayStrWG, §9-2 und §10-1).
  • Abweichungen von den Vorgaben dürfen nicht zu Einschränkungen der Sicherheit führen, zu deren Aufrechterhaltung die Regelwerke unter Zugrundelegung der entsprechenden Forschungsergebnisse erarbeitet worden sind. Gegebenenfalls drohen den Verantwortlichen strafrechtliche Konsequenzen.
  • Zwar sind die Regelwerke mangels rechtlicher Vorschriften unter baulichen Gesichtspunkten nicht auf den Altbestand anwendbar – hier wären politische Entscheidungen erforderlich, um Mißstände zu beseitigen. Sobald aber ohnehin umfangreiche Sanierungen anstehen, kommt der anerkannte Stand der Technik wieder ins Spiel.

Die vorgegebenen Maße für Bewegungsraum und zusätzliche Sicherheitsräume werden unter Nennung der jeweiligen Quellen anschaulich erläutert und begründet. Den über die Regelmaße hinausgehenden Anforderungen an die Barrierefreiheit, welche mitnichten „nur” körperlich in ihrer Mobilität eingeschränkte Menschen betrifft, gilt das besondere Augenmerk.

Fußgängerfreundliche Stadt?

Bamberg ist seit knapp vier Jahren Mitglied in der „Arbeitsgemeinschaft fahrradfreundliche Kommunen in Bayern e.V.” (AGFK BY). Zu den satzungsgemäßen Zielen der AGFK (www.agfk-bayern.de/service/#533-468-ueber-die-agfk-2), zu ihnen haben sich die Mitglieder ausdrücklich bekannt, gehört „die Förderung von Umweltschutz und Erziehung, und zwar durch systematische Förderung der Nahmobilität …, um u. a. die Verkehrssicherheit bei der Teilnahme von Radfahrerinnen/Radfahrern und Fußgängerinnen/Fußgängern am allgemeinen Verkehr zu verbessern und den Modal-Split-Anteil für den Rad- und Fußverkehr zu erhöhen” (§2-2 der Satzung).

Baustellen

Baustellen im Verkehrsraum stellen eine besondere Herausforderung dar. Während zur Sicherstellung des motorisierten Straßenverkehrs nahezu immer umfangreiche, teils sehr aufwendige Vorkehrungen getroffen werden, bleiben Fuß- und Radverkehr häufig unberücksichtigt oder werden mit undurchdachten, manchmal gar gefährlichen Provisorien abgespeist. Selbst vor Ort vorhandene Hilfsmittel liegen vielfach ungenutzt an der Seite – trotz eindeutiger, unmißverständlicher Vorgaben schon in der Straßenverkehrs-Ordnung. Und die Barrierefreiheit?

Bereits vor mehr als zwei Jahren hat die AGFK die vierte, überarbeitete Auflage ihres Leitfadens „Baustellen – Führung von Fuß- und Radverkehr im Baustellenbereich mit Vollzugsempfehlungen” herausgegeben: www.agfk-bayern.de/service/#533-557-leitfaden-baustelle

In den Amtsstuben der Mitgliedsstadt Bamberg scheint sie allenfalls als unverbindliche Hinweissammlung wahrgenommen zu werden. Warum aber drängen die gewählten Volksvertreter/innen nicht vernehmbar auf strikte Beachtung?

Mit freundlichen Grüßen
Wolfgang Bönig