Bamberger Leibniz-Institut für Bildungsverläufe stellt Beitrag zum Nationalen Bildungsbericht 2022 vor

2022_6_28_Bamberger Leibniz-Institut für Bildungsverläufe Beitrag Nationaler Bildungsbericht Juni 2022
„Lebenspfade sind heute sehr ausdifferenziert. Bildungspolitisches Handeln und entsprechende Programme sollten sich daher auch nicht mehr ausschließlich an einer ‚Normalerwerbsbiografie‘ orientieren,“ sagt Prof. Dr. Cordula Artelt, Direktorin des Leibniz-Instituts für Bildungsverläufe (LIfBi) und Mitautorin des Nationalen Bildungsberichts. Foto: Thomas Riese

Nationaler Bildungsbericht 2022: Unterbrochene Bildungsbiografien bei Menschen mit Migrationshintergrund besonders häufig

Bildungsbiografien gestalten sich zunehmend vielfältig. Menschen mit Migrationshintergrund, darunter auch Zugewanderte, sind in Deutschland besonders stark von Unterbrechungen ihrer Bildungsbiografien betroffen – dies zeigt der jetzt vorgelegte 9. Nationale Bildungsbericht anhand von Daten des Nationalen Bildungspanels.

Erfreuliche Nachrichten enthält der Bildungsbericht für Kinder, die im Kindergartenalter im Wortschatz und bei Mathematikkompetenzen noch zurückliegen: Im Laufe der Kindergarten- und Grundschulzeit weisen etwa drei Viertel in mindestens einem Kompetenzbereich hohe Zuwächse auf, mehr als ein Drittel sogar in beiden Bereichen. Und: Mädchen holen in dieser Zeit Rückstände besonders stark auf.

Große Unterschiede in Bildungs- und Erwerbsbiografien

Bildungsverläufe und -übergänge in Deutschland stellen sich immer öfter vielfältig dar. Von unterbrochenen Verläufen nach Verlassen der Schule sind Menschen mit Migrationshintergrund dabei besonders betroffen. So haben 9 % von ihnen nach einem nicht-gymnasialen Schulbesuch zum Beispiel keine Arbeitsstelle oder brechen ihre Ausbildung ab (bei Menschen ohne Migrationshintergrund sind es 5,5 %).

Aber die Revision von Bildungsentscheidungen und das Nachholen von schulischen und beruflichen Abschlüssen kommen auch in anderen Bevölkerungsgruppen häufig vor. „Lebenspfade sind heute sehr ausdifferenziert. Bildungspolitisches Handeln und entsprechende Programme sollten sich daher auch nicht mehr ausschließlich an einer ‚Normalerwerbsbiografie‘ orientieren,“ sagt Prof. Dr. Cordula Artelt, Direktorin des Leibniz-Instituts für Bildungsverläufe (LIfBi) und Mitautorin des Nationalen Bildungsberichts.

Grundschulzeit hilft, Kompetenzen aufzuholen

Gute Nachrichten gibt es bei den Bildungsfortschritten in der Vor- und Grundschulzeit: So haben 76 % der Kinder, die im 2. bzw. 3. Kindergartenjahr noch ein niedriges Kompetenzprofil in Mathematik und im Wortschatz haben, vom Kindergarten bis zum Ende der Grundschule in mindestens einem Kompetenzbereich hohe Zuwächse, 36 % sogar in beiden. Während der Schulzeit lässt sich insbesondere in den vier Grundschuljahren der größte Zuwachs mathematischer Kompetenzen beobachten. Zudem holen Mädchen in dieser Zeit Rückstände bei den mathematischen Kompetenzen besonders stark auf und ziehen am Ende der Grundschulzeit mit den Jungen gleich.

NEPS-Daten für die Nationale Bildungsberichterstattung

Die Erkenntnisse zu den genannten und weiteren Themen hat das LIfBi für das Kapitel „Bildungsverläufe, Kompetenzentwicklung und Erträge“ des diesjährigen Nationalen Bildungsberichts zusammengetragen. Es gibt einen Überblick über langfristige Bildungsbiografien von Menschen in Deutschland und fokussiert dabei auf unterschiedliche Bildungsbedingungen, -voraussetzungen und -erträge. „Der Nationale Bildungsbericht ist ein bedeutsames Instrument zum Monitoring von Entwicklungslinien für Bildungspolitik, Bildungsverwaltung und die Praxis“, so Artelt. Die Basis des Berichts bilden unter anderem Daten des Nationalen Bildungspanels (NEPS), der größten sozialwissenschaftlichen Langzeitstudien zu Bildungsbiografien in Deutschland, welche am LIfBi verantwortet wird.

Der 9. Nationale Bildungsbericht ist am 23. Juni 2022 erschienen: https://www.bildungsbericht.de/de/bildungsberichte-seit-2006/bildungsbericht-2022/pdf-dateien-2022/bildungsbericht-2022.pdf

Über das Leibniz-Institut für Bildungsverläufe (LIfBi)

Das Leibniz-Institut für Bildungsverläufe (LIfBi) in Bamberg untersucht Bildungsprozesse von der Geburt bis ins hohe Erwachsenenalter. Um die bildungswissenschaftliche Längsschnittforschung in Deutschland zu fördern, stellt das LIfBi grundlegende, überregional und international bedeutsame, forschungsbasierte Infrastrukturen für die empirische Bildungsforschung zur Verfügung.

Kern des Instituts ist das Nationale Bildungspanel (NEPS), das am LIfBi beheimatet ist und die Expertise eines deutschlandweiten, interdisziplinären Exzellenznetzwerks vereint. Großprojekte, an denen das LIfBi beteiligt oder führend ist, sind neben der Geflüchtetenstudie „“Bildungswege von geflüchteten Kindern und Jugendlichen“ auch das schulbezogene Inklusionsprojekt INSIDE oder die Förderstudie BRISe mit Fokus auf benachteiligten Kindern und Familien.

Grundlage dafür sind die eigenen Forschungs- und Entwicklungsarbeiten, insbesondere die fundierte Instrumenten- und Methodenentwicklung für längsschnittliche Bildungsstudien, von der auch andere Infrastruktureinrichtungen und -projekte profitieren.

Über den Nationalen Bildungsbericht

Der alle zwei Jahre erscheinende Bericht „Bildung in Deutschland“ als Gemeinschaftswerk verschiedener Einrichtungen aus der Bildungsforschung liefert eine umfassende Gesamtschau des deutschen Bildungswesens. Der in diesem Jahr erschienene 9. Nationale Bildungsbericht trägt den Titel „Bildung in Deutschland 2022: Ein indikatorengestützter Bericht mit einer Analyse zum Bildungspersonal“ und basiert auf amtlichen Statistiken sowie sozialwissenschaftlichen Daten und Studien. Als systematische Bestandsaufnahme des gesamten Bildungswesens verfolgt er langfristige Entwicklungslinien und macht auf neue Akzentuierungen aufmerksam.

Hierzu werden indikatorengestützt die Strukturen und Leistungen verschiedener Bereiche entlang des Bildungs- und Lebensverlaufs vom Elementarbereich über Schule und berufliche Ausbildung bis zu Hochschule und Weiterbildung berichtet. Die Bildungsberichterstattung ist dabei als Bestandteil einer umfassenden „Gesamtstrategie zum Bildungsmonitoring“ zu verstehen, die darauf abzielt, durch kontinuierliche, datengestützte Beobachtung und Analyse Informationen für die Bildungspolitik, Bildungsverwaltung und die Praxis aufzubereiten und bereitzustellen. Die Kultusministerkonferenz (KMK) und das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) fördern die Erarbeitung des Berichts.