Bayreuth: Medizinstudium auch ohne „Eins vor dem Komma“
Die Abiturzeugnisse sind vergeben, und vielerorts zerfallen Hoffnungen zu Staub, weil die Abiturnote nicht gut ausfiel. Besonders bei
angehenden Mediziner*innen: Noch immer zählt das Studium der Humanmedizin zu den begehrtesten Studiengängen in ganz Deutschland,
aber wegen des Numerus Clausus (NC) und der Abschaffung der Wartesemester können nur Einserabiturienten mit einem regulären
Medizin-Studienplatz rechnen. Gleichzeitig aber braucht die Gesellschaft mehr Ärzte, gerade der ländliche Raum und der öffentliche
Gesundheitsdienst in Bayern leiden unter akutem Ärztemangel.
Als eine Möglichkeit sieht das Bayerische Land- und Amtsarztgesetz (BayLArztG) seit 2019 die Vergabe dezidierter Medizinstudienplätze für
besonders geeignete Bewerber*innen ohne Einser-Abi vor. Sie verpflichten sich im Gegenzug, nach Abschluss des Studiums zehn Jahre in einer
unterversorgten oder von Unterversorgung bedrohten Region in Bayern ärztlich tätig zu sein.
In einem zweistufigen Verfahren können sich Abiturient*innen ab dem 01.02.2023 über die Homepage des Landesamts für Gesundheit und
Lebensmittelsicherheit für das Auswahlverfahren zum Wintersemester 2023/24 anmelden. Bis Februar 2023 ist damit genug Zeit, um sich mit
diesem Thema zu beschäftigten, zu informieren und zu reflektieren, ob eine Tätigkeit auf dem Land in Frage kommt und ob die vertraglichen
Pflichten leistbar sind.
Durch eine abgeschlossene medizinnahe Berufsausbildung z.B. in der Pflege, mit dem Ergebnis eines Tests für medizinische Studiengänge
(TMS) sowie durch die Ausübung eines Ehrenamtes können Bewerber*innen wichtige Punkte für die Gesamtbewertung sammeln. Die besten 50% werden anschließend durch das Institut für Medizinmanagement und Gesundheitswissenschaften der Universität Bayreuth zu einem zweiten
Schritt, den Auswahlgesprächen, eingeladen. Eine explizite Vorbereitung im Sinne von „Pauken“ ist nicht nötig, da es in den Auswahlgesprächen nicht um medizinisches Fachwissen, sondern um persönliche Kompetenzen geht. In mehreren Mini-Interviews sowie einem Motivationsgespräch werden die besondere Eignung und nicht-kognitive Kompetenzen wie z.B. Problemlösungsfähigkeit, Resilienz sowie ethische Entscheidungsfindung bewertet. Rund 60 Juror*innen aus der ärztlichen Praxis, den Pflegeberufen und der Wissenschaft stehen für die Gespräche bereit.
Aufgrund der besonderen, pandemischen Rahmenbedingungen wurde seit Beginn des Auswahlverfahrens für das diesjährige Medizinstudium ein
digital-hybrides Prüfungsverfahren entwickelt und in diesem Frühsommer mit 254 Teilnehmer*innen erfolgreich umgesetzt. Anders als im letzten
Jahr war aufgrund der deutlich sichereren pandemischen Lage die Durchführung der Auswahlgespräche in Präsenz in den Räumlichkeiten
der Universität Bayreuth möglich. „Dennoch wollten und mussten wir für den Ernstfall vorbereitet sein, um so kurzfristig und strukturiert
auf jegliche Situation reagieren zu können. Die Prüfungen sollten zu keinem Zeitpunkt gefährdet sein“, betont Prof. Dr. mult. Eckhard Nagel,
Geschäftsführender Direktor des Instituts für Medizinmanagement und Gesundheitswissenschaften der UBT. „Dass unser Online-Format gut und
sicher funktioniert, wussten wir bereits aus den positiven Erfahrungen des letzten Jahres. Besonders begeistert hat mich jedoch die
Flexibilität und Schnelligkeit, mit welcher zwischen Präsenz- und Onlinegesprächen variiert werden konnte“, so Professor Nagel. Er dankt
allen beteiligten Mitarbeiter*innen, Helfer*innen, Juror*innen sowie den Beschäftigten in Technik und Logistik der Universität Bayreuth,
„ohne deren Hilfe dieses Vorhaben nicht umsetzbar gewesen wäre“. Die gute Zusammenarbeit zwischen dem Bayerischen Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit und der Universität Bayreuth habe sich erneut bewehrt.
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