Handball: So hilft der HC Erlangen der Ukraine

HC Erlangen Ukraine Charity-Aktion 2022
Der ehemalige Erlanger Profihandballer Sascha Gladun (re.) mit Ukraines Nationaltrainer Slawa Lochmann. Foto: HC Erlangen

Charity-Aktion zugunsten des ukrainischen Handball-Verbands

Besondere Charity-Aktion am letzten Spieltag von Fans und Verein kommt zu hundert Prozent dem ukrainischen Handball-Verband zugute.

Erst vor kurzem saß Sascha Gladun wieder in diesem Kleinbus auf dem Weg zur ukrainischen Grenze. Es ist ein weiter Weg aus Oberammergau, wo er mit seiner Frau und dem 16 Jahre jungen Sohn lebt, bis an die Schwelle zur Heimat. Nur betreten kann er sie nicht, seit Monaten herrscht Krieg.

„Es ist furchtbar, ein Desaster“, sagt Gladun. Seine Mutter und seine Schwester hat er aus einem Vorort von Kiew mit Helfern und diesem Kleinbus schon herausholen und in Sicherheit bringen können, die russischen Panzer standen nur noch 50 Meter vom Wohnhaus entfernt. Sie leben jetzt mit in Oberammergau. Der Vater ist auf der Flucht wieder umgedreht, er könne das Haus, die Heimat doch nicht alleine lassen.

„Noch schwieriger ist es mit der Familie meiner Frau“, sagt Sascha Gladun. Sie kommen aus der Ostukraine, der Kontakt ist schwierig, weite Teile der Infrastruktur sind zerstört. „Der Ort, aus dem sie kommen, existiert nicht mehr. Er ist dem Erdboden gleichgemacht“, sagt Gladun.

Seine Stimme bricht, „entschuldigen Sie“, sagt er, zwei Meter groß, über 100 Kilo schwer, „aber es ist immer sehr schwierig für mich, über die Situation zu sprechen“.

Es ist gar nicht so lange her, da warf Gladun noch für Erlangen Tore.

Vier Jahre, von 1998 bis 2002, trug er das Trikot der CSG, „es war immer knallharter Abstiegskampf“, sagt der heute 49-Jährige. „Aber wir haben immer bis zum Umfallen gekämpft. Es war nie leicht, in Erlangen zu punkten.“ Diese Zeit ist lange vorbei, „jetzt ist der HC Erlangen eine sehr erfolgreiche Handball-Adresse“, sagt Sascha Gladun, „der HC spielt in der stärksten Liga der Welt, in einer großen Arena in Nürnberg – das ist beeindruckend. Und es macht mich auch immer stolz, sagen zu können: Für Erlangen habe ich auch einmal gespielt.“ Nun wird Sascha Gladun zum Erlanger Handball zurückkehren – zumindest für einen Abend, am 12. Juni, in der Arena Nürnberger Versicherung.

Zum letzten Heimspiel der Saison, wenn die HBW Balingen-Weilstetten zur Red Party zu Gast sein wird, mischt sich auch Gladun auf Einladung des HCE unter die Zuschauer. „Es freut mich ungemein, dass man mich nicht vergessen hat“, sagt er. Als Sportlehrer arbeitet er in Herrsching an der Realschule, trainiert zudem die B- und die C-Junioren von Ettal.

Hier, am Internat des Klosters, hat er lange Zeit sogar Mönchen die Faszination des Handballsports näher gebracht. „Es ist toll zu sehen, dass der Sport überall funktioniert, so viele verbindet – ganz egal, welchen Hintergrund die Menschen haben“, sagt Gladun. Doch der Lehrerjob funktioniert derzeit lediglich halbtags: Als Generalsekretär des ukrainischen Handball-Verbandes ist Gladun rund um die Uhr beschäftigt. „Früher war fast alles automatisiert.“ Aber normal ist in der Ukraine nichts mehr, seitdem die russische Armee einmarschiert ist. Nun organisiert er die Teilnahme an internationalen Turnieren wie der U18- und der U20-Europameisterschaft in Rumänien und Bulgarien, oder für die Beachhandball-WM in Griechenland, für die sich Frauen- und Männer-Nationalteam qualifizieren konnten. „Es ist alles andere als leicht, wir brauchen Sondergenehmigungen. Länderspiele bestreiten wir auf neutralem Boden – aber es ist so wichtig, auch in dieser schwierigen Zeit den Handball nicht zu vergessen.“ Zum einen wäre es für die Zukunft des ukrainischen Handballverbands verheerend, wenn überhaupt keine Spiele mehr stattfänden. Zum anderen schaffen die Länderspiele wichtige Ablenkung für die Spielerinnen und Spieler: „Vor unserem letzten Qualifikationsspiel in Graz gegen Kroatien haben alle Spielerinnen geweint. Es ist nicht leicht, sich auf Handball zu konzentrieren, aber wir sind alle glücklich für diese wenigen Stunden Normalität.“

Um diese Ablenkung auch für die U18- und U20-Herren herstellen zu können, sammelt der HC Erlangen für Sascha Gladun beim Heimspiel nun Spendengelder. Im Anschluss an die Begegnung werden hierfür alle roten Sondertrikots, die die Mannschaft extra für dieses Spiel trägt, versteigert. Es sind Bergkirchweih-Trikots, jedes Einzelne ein Unikat mit Bergbrezel und Riesenrad versehen. „Es rührt mich, dass auch der HCE helfen möchte und das so unmittelbar tut. Mein Herz ist bis heute eng mit der Stadt, mit dem Handball in Erlangen verbunden, es ist etwas Besonderes für mich und ich bin dem Verein unendlich dankbar“, sagt Sascha Gladun.

Normalerweise ist es durch das Kriegsrecht, das in der Ukraine ausgerufen ist, nicht möglich für junge Männer, das Land zu verlassen. „Viele Jahrgänge auch der U18 und der U20-Nationalmannschaft befinden sich in bewaffneten Auseinandersetzung, sie kämpfen für die Freiheit der Ukraine.“ Als Nationalspieler aber ist es ihnen mit Ausnahmegenehmigungen gestattet, für internationale Turniere oder Länderspiele auszureisen. „Es ist wichtig für uns und bedeutet uns viel, dass wir mit der Unterstützung des HCE die Möglichkeit bekommen, an diesen Turnieren teilzunehmen. So können wir auch unser Land weiter repräsentieren, die Aufmerksamkeit auf den Konflikt lenken und vielen Landsleuten helfen“, sagt Gladun. Daher werden die Spendengelder, die beim letzten Bundesliga-Heimspiel gesammelt werden, auch zu 100 Prozent mit Unterstützung des HCE-Partners, der Stadt- und Kreissparkasse Erlangen, für die U18- und U20-Nationalteams eingesetzt werden. „Wir finanzieren damit die Reisen der Spieler, die Unterkunft beim Turnier, Ausrüstung und Trainingslager“, verrät Sascha Gladun. „Ohne Hilfen wie die des HC Erlangen, wäre es nicht möglich, den Menschen in meiner Heimat zu helfen.“