Herzogenaurach: „Stoppt die Südumfahrung“ – Bürgerbegehren erfolgreich
Der Bürgerentscheid ist mit 50,97% Ja-Stimmen und einer Wahlbeteiligung von ca. 41% ein knappes, aber klares Votum für den Natur- und Umweltschutz – also für den Erhalt unserer eigenen Lebensgrundlagen. Das Ergebnis des Bürgerbegehrens selbst ist mit mehr als 55% Ja-Stimmen der Auftrag, unsere Mobilität zu ändern.
Unser Dank gehört an dieser Stelle, den vielen Aktiven im Bündnis Stopp Südumfahrung. Das ehrenamtliche Engagement hat die Themen des Natur- und Klimaschutzes über ein Jahr lang den Bürger und Bürgerinnen von Herzogenaurach nähergebracht und insbesondere die Verbindung zur Stadtentwicklung hergestellt. Wir haben dabei viel Zuspruch erhalten und mit dem Bayrischen Bauernverband (BBV) sogar einen neuen und sehr aktiven Verbündeten gefunden.
Mit den Vorträgen von Dezember 2021 bis März 2022 haben wir die Möglichkeiten und Chancen einer Verkehrswende aufgezeigt. In den letzten Wochen vor der Abstimmung haben wir dann die richtigen Themen gesetzt, denn der Bau der Südumfahrung muss ganzheitlich betrachtet werden.
Eine neue Straße führt zu mehr Verkehr. Der Bau der Nordumgehung hat in Niederndorf und anderen Stadtteilen nur eine Zeit lang eine Entlastung gebracht. Was wir brauchen ist eine Verkehrswende. Die Wissenschaft zeigt auf, dass der individuelle motorisierte Verkehr um 50% reduziert werden muss. Dies wurde als Ziel für Herzogenaurach schon übernommen.
Die Lebensqualität in Herzogenaurach hängt davon ab, dass wir unsere Naherholungsgebiete und grüne Lunge im Süden erhalten. Wald und Felder kühlen in heißen Sommern die Stadt. Die regionale Landwirtschaft zu gefährden, gefährdet zunehmend die Ernährungssicherheit in der Welt und am Ende auch von uns selbst. Das zeigt der Krieg in der Ukraine, aber auch die vielen Brände in Sibirien und USA wieder eindrücklich. Die Klimakrise hat längst begonnen – unsere Bauern spüren das jeden Tag.
Was ist jetzt zu tun?
Mit dem Stopp der Südumfahrung beginnt die Arbeit, die Stadträte und Stadträtinnen der CSU, JU und SPD von den Alternativen zur Südumfahrung zu überzeugen. Dazu rufen wir die Bürger*innen insbesondere in Niederndorf auf, ihren Druck auf die Entscheider*innen aufrecht zu erhalten und die Reduktion von Lärm und Gestank weiter einzufordern.
Die freiwerdenden Mittel sollten umgehend in die Verkehrsberuhigung in Niederndorf und den anderen belasteten Stadtteilen in Herzogenaurach eingesetzt werden. Radwege und eine höhere Attraktivität der Busverbindungen können sofort angegangen werden. Neue Technologien und Verkehrskonzepte könnten mit unseren großen Arbeitgebern in Herzogenaurach ausprobiert werden. Dazu müssen Gespräche mit den Bürger*innen und Unternehmen geführt werden.
Insbesondere sollten Gespräche mit Schaeffler gesucht werden, da das Unternehmen zuletzt noch dazu aufgerufen hat, die Straße zu unterstützen. Die neuen Verkehrskonzepte müssen die Bedürfnisse der Unternehmen, der Landwirtschaft und auch der Geschäfte in der Stadt berücksichtigen.
Unser Motto bleibt: Endlich handeln! Das Festlegen von Klimaschutzzielen reicht nicht. Das Handeln in den Kommunen – also hier in Herzogenaurach – muss Flächenfraß verhindern und auf den CO2-Fußabdruck achten.
Prof. Dr. Martine Herpers, Sprecherin Stopp Südumfahrung
„Radwege und eine höhere Attraktivität der Busverbindungen können sofort angegangen werden“ ?
Warum nicht: „Eine höhere Attraktivität des Radverkehrs und der Busverbindungen kann sofort angegangen werden“?
Das Unfallrisiko auf fahrbahnbegleitenden Radwegen ist signifikant höher als beim Radeln auf der Fahrbahn – bei vergleichbarer Verkehrsbelastung. Auf freier Strecke steigt die Zahl der Konflikte und Unfälle mit dem fußläufigen Verkehr auf ein Vielfaches. An Kreuzungen, Einmündungen und Zufahrten nehmen Zahl der Kollisionen mit Kraftfahrzeugen sowie Verletzungsschwere spürbar zu. Mängel in Ausführung, Wartung, Instandhaltung und Überwachung auf Fremdnutzung (Falschparken, Mülltonnen, …) der Sonderwege, all dies leider Normalfall, erhöh(t)en die Gefahrenlage zusätzlich.
Die Erkenntnisse sind mindestens rund vier Jahrzehnte alt und führten dazu, daß im Jahr 1997 die allgemeine Radwegbenutzungspflicht abgeschafft wurde. Benutzungspflicht durfte seitdem nur noch in begründeten Ausnahmefällen angeordnet werden, wenngleich die große Mehrzahl der Verkehrsbehörden dies geflissentlich zu ignorieren sucht(e).
Zwar gab es zwischenzeitlich auf Druck der Autolobby einige rechtliche Rückschritte. Schon die seinerzeitige Einführung der allgemeinen Benutzungspflicht vor knapp 90 Jahren war nicht mit der Verkehrssicherheit, sondern mit der beabsichtigten Förderung ungehindert schnellen Autoverkehrs begründet worden. An der in der Regel durch Radwege erhöhten Gefährdung der Zweiradfahrer/innen hat sich aber nichts geändert.
Fahrbahnbegleitende Radwege sind meist nicht geeignet, Radverkehr sicherer zu gestalten. Vielmehr muß der Fahrverkehr insgesamt verträglich ablaufen. Dies bedingt u. a., motorisierten Individual- und Güterverkehr zu verringern bzw. auf andere Verkehrsträger zu verlagern, seine Geschwindigkeit zu mäßigen und nicht zuletzt die „eingebaute Vorfahrt“ aus den Köpfen zu nehmen – hier sind Verkehrserziehung und Fahrausbildung gefragt.
Förderung sicheren Radverkehrs auf Radwegebau zu reduzieren, führt unweigerlich in die Sackgasse.